Pause – ein ungewöhnliches strategisches Instrument

Die Sommerpause neigt sich dem Ende zu, es geht wieder los. Der richtige Zeitpunkt, um die Pause als strategisches Instrument in der Markenführung und im Planning vorzustellen.

Ein Beitrag von Bärbel Boy, boy Strategie und Kommunikation, Kiel

 

Bei uns zu Hause gab es sonntags nach dem Mittagessen immer ein Mon Chèri. Es war ein Ritual, erst den Schokoladendeckel abbeißen, dann den lnhalt heraussaugen, hmm. Das Besondere: Es gab sie auch im Sommer und zwar während der Sommerpause von Ferrero! Denn die durchsichtigen Plastikschachteln, wurden vorher in weiser Voraussicht von meiner Mutter gehortet. In der Menge etwa so, dass man ca. vier Wochen vor Ende der Sommerpause leichtsülJlig wurde und auch Gästen das Kistchen hinstellte. Auf diese Weise waren die Vorräte regelmäßig etwa zwei Wochen vor Beginn der neuen Saison alle. Man musste tatsächlich noch ein wenig darben.

 

Pause – strategischer Verstärker der Markenbekanntheit

Ferrero hat die Pause nicht erfunden. Aber auf jeden Fall als Pionier in der Markenführung eingesetzt. Es wird diskutiert, ob als Marketingstrategie oder mit echtem Grund. Der Hersteller argumentiert mit Qualitätssicherung, die Praline soll nicht durch die sommerlichen Temperaturen beschädigt werden. Das erscheint ob der Existenz von Kühlwagen und Kühlschränken unlogisch. Eigentlich ist das aber egal. So konsequent durchgehalten, ist eine glaubwürdige Markenstory entstanden, die sogar Pralinen-Abstinenzler immer wieder dazu bringt, Mon Cheri zu testen. Nach dem Motto, ‚willst du was gelten, mach dich selten‘, ist hier die Pause zu einem regelmäßigen Akt der Selbstinszenierung geworden.

Die Mediastrategie u.a. von H&M arbeitet ebenfalls mit der Pause. Diese Pulsationsstrategie, d.h. der Wechsel sehr hoher Medienpräsenz mit Werbepausen, ist auf unsere im Gehirn verankerten Aufmerksamkeitskonzepte abgestimmt. Und Aufmerksamkeit ist ja das begehrte Gut, um das Werber kämpfen. Aufmerksamkeit ist die Voraussetzung für den Einlass in das menschliche Gehirn. Die Gehirn- und Gedächtnisforschung hat herausgefunden, dass Aufmerksamkeit nur eine zeitlang mit der Wiederholung eines Reizes steigt, dann aber nach einer gewissen Anpassung – die Neuronen adaptieren nach ca. 20-maliger Wiederholung den Reiz – ein so genannter Habituations-Zustand eintritt, sogar dann, wenn mit im Kleinhirn verankerten Schlüsselreizen gearbeitet wird – gemeinhin wenig bekleidete Damen.

 

Pause – eine gehirngerechte Mediastrategie

Das heißt, nach entsprechender Wiederholung wird keine Aufmerksamkeit im Gehirn mehr erreicht. Demnach ist eine Dominanzstrategie, Einsatz weniger Medien mit hoher Frequenz über längere Zeit, nicht so Erfolg versprechend. Ein interessanter Hinweis für den Umgang mit Budgets. Wahrnehmung im Gehirn beruht auf zwei Gegenpolen: Erregung und Hemmung. Die deutlich stärker vertretene Hemmung unterdrückt durch die bewusst gesteuerte Aufmerksamkeit viele andere Prozesse im Gehirn. Sie ist die Gegenwehr gegen Dauerbeschuss mit Botschaften. (Werner Stangl)

 

Pause – Hape Kerkeling machte einen Trend daraus

Und die Gegenwehr gegen die Hemmung ist die Pause. Hape Kerkeling hat es uns vorgemacht mit einer Pilgerauszeit, die er dann sogar noch in seinem Buch ‚Ich bin dann mal weg‘ erfolgreich verkaufte. Und die Nachfrage nach seiner Person konnte auch enorm gesteigert werden. Also auch für Personenmarken eine empfehlenswerte Strategie: die Pause.

Die Pause hat zurzeit aber auch Konjunktur. Pilgerreisen zum Beispiel erleben einen sprunghaften Anstieg. Und Klosteraufenthalte sind schon länger im Kurs. Der Erfolg des in die Dünen fallenden Jever-Mannes ist durch die geschickte Besetzung der persönlichen Pause für die Marke zu erklären. Und legendär ist der Moment der Stille im Kitkat-Spot mit den Entenjägern.

 

Pause – ein Mittel der Marken-Rhetorik

Aber diese Beispiele sind die Ausnahme. Die Financial Times Deutschland ruft die Versicherungswirtschaft auf, doch mal Werbepause zu machen. (FTD vom 23.8.2010)

So wie sich die wenigsten Redner bewusst sind, wie wirkungsvoll und hilfreich gezieltes Warten und Innehalten vor und während des Sprechens ist, so wenig hat die Werbung die Pause als strategisches Instrument erkannt. In der Rhetorik ist die Pause der Aufmerksamkeits-Erhascher schlechthin. Und Verständlichkeitshelfer. Pausenloses Sprechen tötet die Dynamik und erschwert das Mitdenken und damit auch das Verstehen. Noch schlimmer: Die meisten Redner setzen anstelle einer Pause einen so genannten Störlaut, das ‚äh‘. Manche unsinnige Kampagnen, die anstelle sinnvoller Pausen geschaltet wurde, wirken wie ein Störlaut. An denen ist schon Herr Stoiber gescheitert.

 

Wer sagt was zu wem wann. Und wann nicht – das Ist hier die Frage

Wir Planner definieren den Absender und analysieren die Zielgruppe, generieren Insights und leiten Botschaften ab. Das Schweigen in der Marke zu definieren, Pausen, Sendepausen festzldegen, das überlassen wir allzu oft den Mediaplanem. Aber ist es nicht zuerst eine Dimension der Markenpersönlichkeit? Nach dem 11. September und auch nach anderen öffentlichen Katastrophen kam es ebenfalls zu bewussten Sendepausen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) stoppte den TV- und Kinospot seiner neuen Imagekampagne, weil die Bilder einer zerfallenden Stadt mit den Fernsehbildern aus dem Erdbebengebiet in Haiti in Verbindung gebracht wurden.

 

Pause – ein Reiz In einer reizüberfluteten Welt

Aber es muss ja nicht gleich Abstinenz sein. Wenn wir Pause als ein strategisches Instrument verstehen, dann bedeutet das, mit den Aufmerksamkeitskonzepten des menschlichen Gehirns zu arbeiten. Und die Pause ist ein Reiz in einer reizüberfluteten Welt. Wenn es plötzlich still wird, wenn wir von jemandem nichts mehr hören, dann werden wir aufmerksam. Die Möglichkeit, etwas vermissen zu können, stärkt die Bindung und schafft etwas, das noch deutlich höher zu bewerten ist als Aufmerksamkeit: nämlich Sehnsucht. Der Begriff mag übertrieben sein, aber ein wenig Sehnsucht nach der Piemontkirsche habe ich jetzt langsam doch.

 

P.S. Lachen statt Aufmerksamkeit führt auch zum Ziel

Wir brauchen nicht unbedingt die Aufmerksamkeit der Menschen, wenn wir wollen, dass sie sich etwas merken. Die Leute zum Lachen zu bringen – das ist eine andere Art, die Botschaft zu verankern. Lachen steigert die Lern- und Merkfähigkeit durch Ausschüttung von Dopamin. Auch wenn es um das Erlernen von Markenpräferenzen geht.

Lachend ans Ziel ist das Thema der nächsten Planner-Lounges in Hamburg und Frankfurt Die Referentin Renate Spiering wird uns mit ‚Lachend ans Ziel‘ aufzeigen, wieso gelungener Humor auch für strategische Planer ein ernstzunehmendes Thema ist. (Wenn ich an ‚lustige‘ Werbung denke, dann ist mir das jetzt schon klar.)

 

 

Foto: „Auszeit“ cydonna | photocase.de

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