FlowControlling – Adaptives Marketing im digitalen Zeitalter

Von Achim Schauerte, Strategischer Planer bei Neue Digitale/Razorfish in Frankfurt

 

Wir befinden uns in einem leicht abgedunkelten Raum, der an eine Schaltzentrale erinnert. Bei den ungefähr 20 Leuten ist Stress angesagt. Es wird hitzig über ein Konzept für ein Storyboard diskutiert. Auf einem der überdimensionierten Screens tickern im Sekundentakt Tweets und zeichnen in Echtzeit ein Stimmungsbild zu der Kampagne nach. Ein paar Mitarbeiter beanhvorten Fragen und Amnerkungen auf Facebook, während andere im Live Videochat Besuchern der Website ein neues Produkt erklären. Im Zentrum des Raums laufen auf einem Dashboard alle Daten zusammen – aktuelle Besucherzahlen der Website, eine Zusammenstellung der relevantesten Kommentare, Abrufe der Videos, tagesaktuelle Marktanteilszahlen. Hier schlägt der Puls der Marke – 24/7. Das Team besteht aus Brand Managern, PR Verantwortlichen, Service Mitarbeitern, Technikern, Programmierern, Produkt Designern, Konzeptern, Textern und Strategen. Alle verfolgen eine gemeinsame Mission.

 

Brand Marketing on Speed

Die Szenerie, die tatsächlich mehr an das Mission Control Center der Nasa erinnert, könnte so in Zukunft bei jedem großen Markenkonzern stattfinden. Teilweise wird schon so gearbeitet. Das Team, das in wenigen Tagen 180 Old Spice Videos produziert und auf YouTube geladen hat, wird wohl so oder ähnlich agiert haben. Willkommen in der Zukunft des Brand Marketings.

Vor ungefähr einem Jahr veröffentlichte Forrester Research den Report ‚Adaptive Brand Marketing: Rethinking Your Approach to Branding in the Digital Age. In dem Bericht werden die Anforderungen an das moderne Marketing aufgezeigt. Im Zeitalter der Echtzeitkommunikation sind Geschwindigkeit und Flexibilität überlebenswichtig und der Begriff ‚Speed to Market‘ hat mittlerweile eine ganz neue Bedeutung bekommen. Das klingt nicht nur nach einem stressigen Job, tatsächlich ähnelt die Arbeit im Marketing immer mehr der von Börsenmaklern oder eben der Crew des Mission Contral Centers. Die Frage ist: Will man das?

Glaubt man dem Trend und dem Thema des diesjährigen Trendtages hin zum allgegenwärtigen Flow Control, dann stellt sich die Frage bald nicht mehr. Es ist der konsequente Schritt, den man gehen muss, wenn das Thema Social Media nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben soll und man wirklich auf Augenhöhe mit seinen Konsumenten sprechen will. Denn diese beherrschen die Kunst des Flow Controls – zumindest manche. Digital Residents nennt man diejenigen, die sich im kontinuierlichen Datenfluss zurechtfinden und es perfekt verstehen, „ihre Wirklichkeit der realen Welt in Echtzeit mit ihrer virtuellen zweiten Wirklichkeit zu kombinieren.“ (Wippermann, 2010) 

 

Flow Control muss Teil des Brand Controllings werden

Aber wie genau kann sich das Marketing anpassen und was ist die Aufgabe der Strategischen Planung dabei? Hier besteht nicht zuletzt ein großer Beratungsbedarf, weil Social Media ein Bereich ist, der nur bedingt an Agenturen abgegeben werden kann. Die nötige Geschwindigkeit und Flexibilität kann man mit den alten Abstimmungs- und Freigabeprozessen leider nicht mehr gewährleisten. Der Kunde ist selbst gefordert. Im Fall von Old Spice hat Procter & Gamble dem Team die Freiheit gegeben, in Echtzeit Inhalte zu produzieren und zu veröffentlichen. Ein ebenso beeindruckender wie notwendiger Vertrauensbeweis.

Social Media Workshops, die wir als Planner für und mit unseren Kunden durchführen, drehen sich daher nicht seiten auch um die Frage, wie Organisationsprozesse angepasst werden müssen, um den Kommunikationsanforderungen gerecht werden zu können. Dabei beraten wir sowohl zur Struktur als auch zu der Gestaltung der Prozesse. In dieser Rolle werden wir tatsächlich zu kreativen Unternehmensberatern und helfen dabei, die Marketingorganisation der Zukunft und die Rolle der Agentur mit zu designen.

Social Media ist ein Bereich, der nicht klar einer Abteilung zugeordnet werden kann. Das gilt für die Kundenseite ebenso wie für Agenturen. Das Echtzeitnetz verlangt unterschiedlichste Ansprechpartner. Wie die Strukturen und Prozesse genau definiert werden, hängt in erster Linie von den Funktionen ab, die neue Kanäle im Kommunikationsmix übernehmen sollen. Will man kurzfristig Aufmerksamkeit erzeugen (Burger King Whopper Sacrifice), soll Social Media als Service Tool eingesetzt werden (Best Buy Twelpforce) oder will man darüber auch direkten Abverkauf generieren (DellOutlet)? Das sind strategische Fragestellungen, die das Planing beantwortet.

 

Die Funktion ist entscheidend

Gleichzeitig muss Social Media an die Marktforschung angedockt sein. Der Daten Flow bietet eine Unmenge an interessanten Insights und ersetzt teilweise die klassischen Marktforschungsmethoden. Im Gegensatz zu künstlichen Abfragesituationen wird hier echtes Kommunikationsverhalten beobachtbar. Auch das ist Flow Control.

Im adaptiven Brand Center der Zukunft geht es nicht mehr um Klassik vs. Digital oder um Marketing vs. PR. Hier sitzen alle in einem Boot. Die konvergente Macht der digitalen Medien beschleunigt die Anpassungsprozesse, die schon seit Jahren gepredigt werden – eine tatsächlich integrierte und ganzheitliche Markenführung. Als Planner haben wir nicht nur einen Platz im Mission Control Center sicher. Wir können es sogar mit gestalten.

 

 

Foto: „Flash“ | .marqs | photocase.de

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