Verwaltest du noch oder spielst du schon?

Von Kim Christopher Birtel, KCB Strategic Planning, Hamburg

 

„Die Realität hat unsere Planung ignoriert“, sagte einmal ein hochrangiger Konzernmanager. Das trifft auf einen Großteil von Planungsprozessen zu. Ständig gilt es aktuelle Entwicklungen in eine Strategie „hinein zu bekommen“. Und sei es mit guter Rhetorik und flotten Grafiken. Alternativ werden einmal beschlossene Ausrichtungen gleich so schwammig formuliert, dass diese zwar langfristigen Bestand haben, aber für eine konkrete Anwendung nichts taugen.

Die Ursache dieser Phänomene liegt in einem fundamentalen Paradigmenwechsel begründet. Wir erkennen zunehmend, dass unsere Welt nicht mechanisch-analog, sondern systemisch-digital strukturiert ist. In einem System gibt es keine kausalen Abfolgen, zum Beispiel im Sinne einer Zielgruppen-Verhaltensprognose. Das war eigentlich schon immer so, jedoch ließ sich das sehr lange gut vernachlässigen. Schließlich war in der guten, alten Fernsehwelt noch alles sehr geordnet. Es gab Produzenten, Händler, Medien und Konsumenten, die wiederum ihren Einfluss auf Unternehmen nur über verschlüsselte Mafo-Charts zum Ausdruck bringen konnten.

Aus dieser Zeit stammen auch unsere Instrumente zum Management von Marken. Seien es Pyramiden, Steuerräder, Eisberge, Schlüssel, Diamanten. Sie sind Top-Down gedacht, glauben an statische Märkte im Rahmen einer Positionierungsmatrix und sehen Verbraucher am Ende einer Verwertungskette.

Mit diesen Instrumenten lässt sich heute und schon gar nicht mehr morgen eine Marke noch führen. Wir benötigen neue Prozessdesigns, oder das Thema ‚Marke‘ rückt noch weiter aus dem Fokus von Unternehmen und Agenturen, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Momentan werden zum Beispiel fleißig Social Media Strategien gebaut, aber kaum einer kann diese mit einer statischen Positionierung verheiraten. Wie auch, denn dafür waren diese nie gedacht.

Wie aber gelingt eine stringente Markenführung, wenn sich unbekannte Akteure mit lauter Stimme und Einfluss für oder gegen eine Marke engagieren?

 

Marken spielen ein gesellschaftliches Spiel um Bedeutung

Einen verlockenden Lösungsansatz lässt sich in der Technik des Spiels entdecken. Jedes Spiel verfolgt klare Ziele, jedoch ist der Weg dorthin nicht vorbestimmt. Permanent entstehen neue Spielsituationen, die mit der Zielerreichung abgeglichen werden. In der Auseinandersetzung zwischen den Akteuren entwickeln sich neue Bewegungsräume, die im Vorfeld zwar keiner kannte, die sich aber nutzen oder verwerfen lassen. Hauptsache das Ziel rückt näher und die Akteure empfinden Spaß im Ausprobieren und Austauschen.

Das Markenmanagement kann sich diese Technik zunutze machen und ihr Angebot als ein sinnfälliges Spiel verstehen und kommunikativ anbieten. So entsteht eine Interaktion zwischen Bedeutungsanbieter und Bedeutungsgsgestalter, sobald Mitspieler auftauchen. Gemeinsam finden sie Wege, einer bedeutsamen Markenidee zu Ruhm und Ehre zu verhelfen.

Nichts anderes findet bereits in einigen Social Networks statt. Hier treffen sich fremde Menschen und spielen spannende Spiele. Gelingt es uns, Einfluss auf eine Unternehmenspolitik zu nehmen? Werden wir es schaffen unbekannte Künstler in die Top Ten der Charts zu bringen? Können wir den australischen Biermarkt verändern?

Ich nenne diesen Prozess Strategic Playing. Das Spiel umannt die dynamischen Bewegungen und folgt zugleich einer Richtung. Es setzt Kreativität frei und fördert den Spaß an der Prozessgestaltung. Das klingt nicht nur viel besser, als lediglich Markenwerte zu verwalten und Vorgaben zu rechtfertigen oder abzuarbeiten. Es ist effizienter und zugleich näher am Marktgeschehen. Den talentierten Spielanbietern und Gestaltern in den Unternehmen und Agenturen gehört die Welt. Ihnen gelingt es, schöne Geschichten entstehen zu lassen und Menschen miteinander zu verbinden. Let’s play!

 

 

Foto: „Sterntaler“ | MMchen | photocase.de

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