Best Brands für Best Ager – die Jagd auf die Senioren

von Bärbel Boy, boy Strategie und Kommunikation, Kiel

 

Das hohe Interesse an den Best Agern belegen die vielen Studien und Internetplattformen. Es wird untersucht, welche Werbung diese Spezies goutiert, welche Marken ihr gefallen und welche Werte sie treibt. Dennoch kommt Research & Results zu folgendem traurigen Schluss: „Viele Unternehmen haben sich zwar der Generation 50plus angenommen und segmentspezifische Marketingmaßnahmen für die Best Ager implementiert, leider sind die Erfolgsgeschichten in diesem Kontext jedoch eher limitiert.“

Woran liegt das? Das interessante am Best Ager ist: Jeder, der keiner ist, wird eines Tages einer werden. Das heißt, in jedem von uns steckt ein Best Ager. Und genau deshalb fällt es der jungen Branche Werbung umso schwerer, dieser Zukunftsperspektive ins Auge zu sehen.

Erschwerend hinzu kommt, dass der Best Ager eine rein altersmäßig und dabei sehr vage beschriebene Gruppe ist. Dabei wissen wir längst, dass gleiches Alter nicht unbedingt zu gleichem Verhalten führt. Um sich der wachsenden Gruppe älterer Menschen zu nähern, hat man viele Namen erfunden und viele Definitionen versucht. So kennen wir inzwischen die Generation Gold, Generation 50plus, Silver Ager, Golden Ager, Third Ager und Mid-Ager. Das Marketing nennt die Zielgruppe auch Master Consumer, Mature Consumer oder Senior Citizens. Und vielleicht gibt es bald auch den ‚Explosiven Bestager‘ oder den ‚Burning for Adventure Bestager‘ oder den ‚Opa-Tekki‘.

 

Übers Alter definiert?

„Je älter man wird, umso mehr Jahre jünger fühlt man sich.“ Sagte mir ein 70jähriger Best Ager. Das ist sicher eine Erklärung für die interessante Altersdefinition des Best Agers. Die mittlere und auch ältere Generation fühlt sich zumeist 10 bis 15 Jahre jünger als sie tatsächlich ist,  sie sieht sogar jünger aus als die vorherige Generation. „Der Best Ager, der beispielsweise 55 ist, wie 48 aussieht, sich wie 42 fühlt und wie 39 verhält, wird keine Ausnahme sein.“ (Elke Verheugen: ‚Generation 40+ Marketing‘).

Außerdem ist der Best Ager inzwischen auch viel länger Best Ager, als man früher „im besten Alter“ war. So kenne ich eigentlich nur Best Ager. Mein Mann ist einer. Mein Vater auch. (Was bei ihrem Altersunterschied erstaunlich ist.) Ingrid auf jeden Fall auch und der pensionsnahe Urologe unter unserer Wohnung ebenfalls. Außerdem laut Bauer Media Group Mick Jagger, Nena, Iris Berben, Thomas Gottschalk und Richard Gere. Oder doch nicht?

Die Definitionen für Best Ager reichen von 45 bis über 70. Allerdings gehört zur Definition auf jeden Fall „konsumfreudig“. Dann fällt mein Vater raus. Und „internetaffin“, dann fällt Ingrid raus. Und „Kinder aus dem Haus“, dann fällt mein Mann raus. Außerdem will ja keiner von denen ein Best Ager sein. Bietet man ihnen einen anderen Begriff an, dann schütteln sie ebenfalls den Kopf. Triumphierend lächelnd oder empört. Altersmäßige Definitionen missachten den individuellen Lebensentwurf. Und gerade die sogenannten Best Ager experimentieren mit Lebensentwürfen, weil aus dem letzten Lebensdrittel auf einmal die zweite Lebenshälfte geworden ist.

 

Der Best Ager ist bis heute nur ein Arbeitstitel

Unsere Gesellschaft überdenkt ihr Verständnis vom Alter, sortiert neu, entwickelt weiter. Der Begriff Best Ager ist ein Platzhalter. Das gilt gerade auch für unsere Branche. Es ist immer noch eine Kennenlernphase, in der sich Werbung und Best Ager befinden. Dass diese Phase in vollem Gange ist, zeigen einerseits die vielen Studien und andererseits die immer noch unzureichende Beschreibung dieser Gruppe als einer Gruppe. Es ist eine Annäherung, wenn Roland Berger mit seinem Profiler basierend auf Werthaltungen die Best Ager in Bodenständige, Dynamische, Aktive etc. unterscheidet.

Zu diesem Kennenlernen trägt auch der BAUER BEST AGE Award bei, der die Werbewirkung auf Best Ager untersucht. Zu den fünf Thesen, mit denen dieser Award Werbern helfen will, Best Ager zu verstehten gehört unter anderem: Best Ager wünschen sich Klarheit in den Botschaften. Und: Best Ager möchten ernst genommen werden. Das überrascht weder, noch differenziert es von anderen Zielgruppen.

Am Ende dieser Kennenlernphase muss ein Verständnis für die große Gruppe jenseits der 40, 50 oder 60 stehen, das verschiedene Lebensmodelle und Bedürfniskomplexe differenziert, das jenseits von Alter und Kaufkraft wesentliche Verhaltensweisen und Werthaltungen kennt.

 

Generation Persil?

Der Best Ager ist nicht mehr der verlässliche Konsument im besten Alter. Er ist nicht ansprechbar mit Etiketten „für Best Ager“. Er kauft Produkte für seinen Alltag und da können sogar Corega Tabs dabei sein. Aber Schokolade „für Best Ager“ würde er nicht kaufen. Denn er findet sich nicht wieder in dem großen Topf, in den da alle jenseits der Adoleszenz geworfen werden. Er kauft Lindt.

Der ‚Senior Efficieny Index‘ von 2009 ermittelte wieder die beliebtesten Marken der Best Ager. Und da hat es Lindt auf Platz eins gleich vor Aldi geschafft. Wrangler und Hagebau, Edeka, Grundig, Axa, Allianz, OBI und Adidas teilen sich die weiteren acht der ersten zehn Plätze.

Der Best Ager weist nicht mehr die Markentreue auf, die man ihm früher nachsagte. Das hängt auch damit zusammen, dass Marken für den Best Ager – im Gegensatz zu den jüngeren Konsumenten – kaum noch als soziales Signal oder als Prestigeobjekte empfunden werden: Qualität und Haltbarkeit sind die entscheidenden Faktoren (Quelle: ‚Erfolgreich verkaufen an die anspruchsvolle Zielgruppe Best Ager‘). Auch seine Zugehörigkeit beweist er nicht durch die Verwendung von Marken.

Fragt man sich, warum das so ist, dann gibt es neben vielleicht anderen Bedürfnissen älterer Markenverwender einen wichtigen weiteren Grund: das erlernte Markenkonzept der heutigen Best Ager kommt aus einer Zeit, in der Begriffe wie Hype und Kultmarke noch der Wissenschaft überlassen waren. In der eine Marke Qualitätsnachweis war und versprach „lange zu halten“. Es ist die Generation vor der Generation Golf.

 

Ein neues Markenkonzept für Best Ager?

Man wird weiter erforschen müssen, welche Auswirkungen das Älterwerden auf das Verhältnis zur Marke generationen- und prägungsunabhängig hat. Das Zukunftsinstitut beschreibt Kompetenzen, die Menschen erst im Alter erwerben: Lebenserfahrung, Urteilsfähigkeit, Wissen, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Das sind die Implikationen für ein neues Markenkonzept: Best Brands für Best Ager müssen sich darauf einstellen, dass sie eine andere Funktion haben im Leben ihrer Verwender. Es geht um einen Paradigmenwechsel: Best Ager-Brands richten sich stärker als Unterstützer nach innen, anstatt nach außen prangend der Persönlichkeits-Muckefuck für noch nicht gereifte Menschen zu sein. Sie sind eher Verstärker von Unabhängigkeit und Lebenserfahrung denn Ergänzer der Verwenderidentität. Und sie dürfen zurück zu den Wurzeln des Markenbegriffs kommen und sich wieder auf ihre Orientierungsfunktion für Qualität und Nachhaltigkeit verstehen.

Aber auf einer persönlichen Beziehungsebene: Diese ‚Marken nach innen‘ müssen sich gemäß ihrer neuen alten Rolle durch andere Markenpersönlichkeiten auszeichnen, auf Augenhöhe, beispielsweise als Freundin (Dove) oder Coach (Allianz). Anstelle attraktiver Markenwelten müssen Marken als Accessoires für die Weltoffenheit und Welterfahrenheit der Best Ager entwickelt werden. Das Markenkonzept für Best Ager wird eine höhere Beziehungsqualität haben.

 

 

Foto: „Senioren-Unterhaltung“ | fotos4people | photocase.de

comments powered by Disqus