APG Strategy Corner mit Taktik & Strategie

„Taktik ist, was man tun muß, wenn etwas zu tun ist.
Strategie ist, was man tun muß, wenn nichts zu tun ist.“

(S.G.Tartakower, Schachgroßmeister, 1887-1956)

von Michaela Jausen, Junior Planner bei Tribal DDB Hamburg

 

Als Strategen haben wir gegenüber unseren Kunden und ihren Marken zwei Aufgaben: Zum einen helfen wir ihnen, den Herausforderungen einer extrem dynamischen und anspruchsvollen Kommunikationslandschaft zu begegnen. Zum anderen müssen wir ihnen aufzeigen, wie sie sich als Marke dabei nicht verlieren. Je höher die Taktung externer Anforderungen ist und je kurzatmiger gleichzeitig die Quartalziele der Kunden werden, desto mehr gerät der langfristige, strategische Blick ins Hintertreffen. Doch wie kann es kluge Taktiken ohne saubere Strategie geben?

 

Die Herausforderung für die Kommunikation heißt Schritt halten

Das Web hat eine neue Kommunikationsdemokratie geschaffen. Neben dem ‚brand generated content‘, mit dem Marken sich darstellen, tritt nun ‚user generated content‘ auf Augenhöhe. Doch anders als in einer Demokratie sind die Kräfte nicht gleich verteilt, sondern denkbar asymmetrisch: Professionelle, industrielle Kommunikation hechelt seit Jahren den Realitäten hinterher. Spätestens seit dem Mentos Coke Phänomen (siehe Linkkasten) ist unüberschaubar, wie groß die Herausforderung für Marken ist, in angemessener Art und Geschwindigkeit auf sozial getriebene Prozesse und Inhalte im digitalen Raum zu reagieren. Verwaiste Facebook- Gruppen, Blogs mit abgeschalteter Kommentarfunktion und Twitteraccounts mit wenigen Tweets sind nach wie vor eher die Regel als die Ausnahme.

 

Geschwindigkeit allein ist nicht die Lösung

Konzepte und Methoden, die sich darum drehen, wie Marken und Unternehmen schneller und flexibler auf die neuen Realitäten reagieren könnn, haben Konjunktur. Ob Forrester mit ‚adaptive‘ die neuen 4 Ps ausruft (permission, proximity, perception, participation), Neil Perkin (Digitaler Stratege, Gründer von Only-Dead-Fish) und andere ‚“agile“ Methoden aus der Softwareentwicklung übernehmen oder Faris Yakob (Chief Innovation Officer at MDC Partners, davor bei Naked Communications) mit „low latency“ schnelle Feedbackloops propagiert.

Dies sind Versuche Wege aufzuzeigen, wie Marken im Angesicht der nutzergenerierten Übermacht trotzdem Gehör finden, digitale Marken-GAUs zu verhindern oder möglicherweise den nächsten ‚Old Spice Case‘ zu kreieren.

Dem entspricht unternehmensseitig die technologische Aufrüstung, wie sie ‚Gatorade‘ mit ‚Echtzeit Mission Control Center‘ betreibt, oder der Aufbau großer Teams wie bei Dell mit Chief Blogger Lionel Machaca, hinter dem sich bis zu 200 Mitarbeiter befinden und twittern.

Doch sind ein Bewusstsein für die Bedeutung von Geschwindigkeit sowie mehr Manpower der Schlüssel zu mehr Erfolg? Im Einzelfall vielleicht, doch auf längere Sicht geht es nicht nur darum Entwicklungen im Blick zu behalten, sondern vor allem, klügere Entscheidungen zu treffen, digitales Verhalten richtig einzuschätzen und zu bedienen. Und das ist keine Frage von Zeit und Power.

 

Klüger ist das bessere Schneller

Es wird deutlich, dass elaborierte Markenmodelle mit fein granulierten Werten und Attributen immer weniger hilfreich sind, um in den neuen Realitäten zu bestehen. Im Kern muss etwas stehen, das die immer progressiveren und schneller zu treffenden Entscheidungen leitet und ihnen Homogenität verleiht. Und es ist klar, dass dies nicht ‚processing power‘ sein kann, sondern nur eine innere Eigenschaft – die Essenz der Marke selbst.

In der alten Welt der Botschaftenkommunikation war der Markenkern der Ursprung und Maßstab für die Kohärenz verschiedener Kampagnen. In der neuen Welt der Dialoge und Interaktionen muss er die Leitplanke für immer neue und doch zusammenhängende Verhaltensweisen sein.

Wenn wir fertig sind, un über Geschwindigkeit Gedanken zu machen, können wir anfangen darüber nachzudenken, wie solch ein Kern sinnvoller Weise beschaffen sein muss und wie er definiert werden kann. Ist er eine Haltung, eine Überzeugung oder ein Mantra? Auf jeden Fall muss er einfach und nicht komplex sein, denn sonst verliert er seine schnelle und auf unterschiedliche Situationen zugeschnittene Anwendbarkeit.

Die Aufgabe für Strategen ist es, angesichts von immer höheren Dringlichkeiten für taktische Entscheidungen in der Kommunikation, die strategische Ausrichtung der Marke nicht aus den Augen zu verlieren sondern im Gegenteil zu schärfen. Auf lange Sicht wird die geforderte Geschwindigkeit nur gehalten werden können, wenn jede ‚ruhige‘ Minute genutzt wird, um sich Gedanken darüber zu machen, was eine Marke auch in Zeiten von Echtzeit und aktiver Nutzerteilhabe zusammenhält.

 

Weiterführende Links:

MentosCoke Phänomen: www.youtube.com/watch?v=hKoB0MHVBvM
MentosCoke Spiegel.de: www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,421135,00.html
Forrester Ansatz: www.forrester.com/rb/Research/adaptive_ brand_marketing/q/id/55526/t/2
Neil Perking Digitaler Stratege: http://neilperkin.typepad.com/only_dead_fish/neil-perkin.html
Neil Perking Ansatz Agile-Marketing: http://neilperkin.typepad.com/only_dead_fish/2010/10/agile-marketing.html
Faris Yakob, Chief Innovation Officer at MDC Partners: http://farisyakob.typepad.com/
Faris Yakob Ansatz: low latency: http://farisyakob.typepad.com/blog/2010/07/alacrity-is-the-keymore-Iow-Iatency-advertising.html Gatorade Echtzeit Mission Control Center: www.youtube.com/watch?v=lnrOvEE2v38
Deli Chief BIogger Lionel Machaca: www.youtube.com/watch?v=5LGu-iUfmm8

 

 

Foto: „der könig unter den spielen“ | like.eis.in.the.sunshine | photocase.de

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