Yes we should – Als Marke Vertrauen aufbauen und Initiative ergreifen

Alex Bogusky (ex-Crispin Porter Bogusky) hat ein Netzwerk gegründet, das sich ‚common‘ nennt. Eine gemeinnützige Marke, deren Ziel es ist, eine neue Form des Kapitalismus zu prägen, ein Open-Source-Network, das gleichzeitig Community, Ideen-Inkubator und Medienkanal ist. Eine Aufforderung an alle Kreativen, Teil dieses neu zu definierenden Kapitalismus zu sein, der auf einem anderen Verständnis von wirtschaftlichem Handeln beruht: ‚collaborative advantage‘ statt ‚competitive advantage‘.

Von Dirk Nitschke, Head of Brand Consulting bei MetaDesign Berlin

 

Bogusky beruft sich dabei auf ‚The New Capitalist Manifesto‘ von Umair Haque, der einen „konstruktiven Kapitalismus“ ausruft und neue Spielregeln fordert. Das Denken von Unternehmen soll nicht mit dem Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen aufhören, sondern sich der Frage stellen, welche Auswirkungen diese auf den Menschen, die Gesellschaft oder sogar den Planeten haben.

Etwa zur gleichen Zeit haben sich in Deutschland die prominentesten Unternehmensvertreter formiert, um dem Vertrauensschwund der Bevölkerung gegenüber der Wirtschaft entgegenzuwirken. Die Führungseliten der Deutschen Bank, der Deutschen Telekom, der BASF, der Daimler AG und anderer gewichtiger Unternehmen haben sich auf ein Leitbild geeinigt, das verantwortliches Handeln „zum Wohle der Menschen“ in den Vordergrund stellt. Selbstkritisch werden Gewinne und Moral in einen Zusammenhang gestellt, Stellenabbau und Managervergütungen oder die Bedeutung von nachhaltiger Unternehmensführung thematisiert.

Während die einen mit einem radikal-ökonomischen Denkansatz und Start-up-Mentalität Veränderungen fordern, formuliert das Wirtschaftsestablishment seine Thesen vorsichtiger. Gemein ist beiden Gruppen die Erkenntnis, dass die Kritik der Menschen an Unternehmen, Management und Kapitalismus wächst und das Vertrauen in die Wirtschaft schwindet. Und dass es neue Wege geben muss, den Zweifeln zu begegnen und glaubwürdiges Verhalten zu entwickeln.

 

Marken als Vertrauenskatalysator

Die europäische Studie ‚Trusted Enterprise‘ belegt, dass ethisch und ökologisch einwandfreies Verhalten, die Konzentration auf Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit und Innovationskraft das Vertrauen in Unternehmen stärken. In Deutschland vertrauen Verbraucher Unternehmen dann, wenn die Qualität der Produkte stimmt, das Unternehmen gut geführt wird und es auf eine lange Historie zurückblicken kann.

Qualität, Innovation und Tradition der Produkte sind demnach wohl die Gründe, warum die Automobilindustrie noch am meisten Vertrauen genießt, während Banken, Versicherungen, Energieversorger oder Ölgesellschaften an der Vertrauensfront in Deckung gehen.

Für die Markenführung ist das schwindende Vertrauen Risiko und Chance zugleich. BekaIU1te und etablierte Marken haben ein Vertrauens- und Sympathiekonto, auch wenn sich Menschen und Führungskräfte Fehler in der Unternehmensführung, im Krisenmanagement oder in der Öffentlichkeitsarbeit erlauben.

Gleichzeitig sind Marken nicht unendlich strapazierbar: Was der Mensch vergeigt, kann die Marke nicht immer richten. Die Auseinandersetzung von vernetzten Verbrauchern über und mit Marken nimmt zu und erfordert ein anderes Maß an Transparenz, Glaubwürdigkeit und Kommunikationsfähigkeit.

Unternehmen reagieren auf den rasanten Paradigmenwechsel in der Gesellschaft und bringen Begriffe wie ‚Sustainability‘, ‚Corporate Social Responsibility‘ oder ‚Corporate Citizenship‘ in die Markenführung ein. ‚Nachhaltigkeit‘ avancierte in der Innensicht von Unternehmen zu einem Must-have im Werteset. Aber nicht immer ist den Verantwortlichen klar, dass dies mehr sein muss als eine umweltfreundlich ausgerichtete Produktionskette und dass es auf keinen Fall eine nur dever inszenierte Alibiveranstaltung sein darf.

 

Nachhaltigleit – nur Wort – oder auch Wertschöpfung?

Nachhaltigkeit glaubhaft umzusetzen hat mit Investitionen, Entscheidungsfreude und Visionskraft zu tun. Welche Rolle kann das Unternehmen oder die Marke in der Gesellschaft übernehmen? Welchen ökologischen, ökonomischen oder sozialen Aufgabe kann es sich widmen? Und welche Idee hat es von einer zukünftigen Welt, in der seine Produkte und Dienstleistungen so erfolgreich sein sollen wie heute? Die Erwartungen an Unternehmen und vor allem global agierende Konzerne nehmen zu. Und die Aufgaben, die immer weniger von staatlichen oder sozialen Institutionen bewältigt werden, liegen fast auf der Straße: Globalisierung, Urbanisierung, Klimawandel und Umweltschutz, der Umgang mit der Dritten Welt oder gesellschaftliche Entwicklungen sind die Handlungsfelder, in denen Marken eine verantwortliche Rolle übernehmen können.

Und tatsächlich engagieren sich zahlreiche Unternehmen so, dass sie ihre Produkte für die Ausbildung nachwachsender Generationen oder die Entwicklung benachteiligter Regionen einsetzen. Sie gründen Initiativen, die von einer visionären Idee oder altruistisch anmutenden Haltung geprägt sind, oder sie übersetzen das Denken und Handeln ihrer Unternehmensgründer in soziale Aktivitäten. Der positive Effekt nach innen: Moral und Ethik schaffen unternehmerische Stabilität und erhöhen die Identifikation der Mitarbeiter.

Der Marke kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie muss die Dimensionen verantwortungsvollen Handelns nicht nur integrieren, sondern überhaupt erst einmal definieren: Welches Engagement ist authentisch aus dem Unternehmen oder der Marke abzuleiten? Welches Handeln steht im Einklang mit der Wahrnehmung und der Leistung der Marke? Welche Haltung ist zu formulieren, die die Vision des Unternehmens ergänzt und seinen ökonomischen Zielen nicht widerspricht? Lassen sich alle nachhaltig angelegten Aktivitäten eines Unternehmens unter einer Leitidee bündeln?

 

Vom Vertrauensverlust zu Verantwortung und Vision

Die Marke Oracle beispielsweise reflektiert den Leistungsethos des Unternehmensgründers Lawrence J. Ellison in der Bildungsinitiative Oracle Education Foundation. Der weltweit drittgrößte Softwarehersteller organisiert den jährlichen Wettbewerb ‚Think Quest‘, in dem neun- bis neunzehnjährige Schüler Webseiten zu relevanten Technik-, Kultur- oder Wissenschaftsthemen entwickeln.

Während dem überfliegenden Firmengründer mit dem Buch ‚The difference between Larry Ellison and God? God doesn’t think he’s Larry Ellison.‘ ein Denkmal gesetzt wurde, stellt sich die Marke regionalem und sozialem Engagement, zu dem sich Oracle-Mitarbeiter freiwillig verpflichten. Alle umweltorientierten Themen werden in Orades ‚Green Business Practices‘ zusammengefasst.

Bei Microsoft hat sich der Firmengründer in der größten Privatstiftung der Welt nachhaltiges Wirken verordnet. Die Ziele der Stiftung von Bill Gates beziehen sich auf Entwicklungshilfe im Gesundheits- und Bildungsbereich; die Beiträge übersteigen sogar die finanziellen Mittel westlicher Regierungen oder globaler Hilfsorganisationen. Microsoft selbst sah Entwicklungshilfe für andere Regionen vor: In Deutschland sollte die Initiative ‚aufmeinemweg.de‘ jungen Menschen helfen, ihr Potenzial zu entfalten, und ihnen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern. Unter dem Stichwort ‚IT-Fitness‘ wurden Jugendliche, berufliche Wiedereinsteiger, Ältere und Menschen mit Handicap kostenlos IT-geschult.

Ähnlich agiert auch Intel mit dem ‚Intel World Ahead Program‘, das weltweit 1 Mrd. US Dollar investieren will, um „den Alltag der Menschen überall auf der Welt durch den Zugang zur Computertechnologie zu verbessern.“ Der CSR-Report stellt den Impact des Engagements auf Kunden, Shareholders und Mitarbeiter heraus. Diese würden in einer Atmosphäre aus „Leidenschaft, Commitment und Gemeinschaft“ stärker motiviert, ihren Beitrag zu leisten und sich mit dem Unternehmen zu identifizieren.

Und bei General Electrics entstand sogar ein eigenes Label für das Engagement des Mischkonzems. Unter der Wortschöpfung ‚ecomagination‘ soll seit 2005 das Investment in Forschung und Entwicklung verdoppelt, Emissionen reduziert und die eigene Energieeffizienz gesteigert werden. Ein wesentlicher Teil der Selbstverpflichtung ist die kontinuierliche Information der Öffentlichkeit über die Fortschritte des Unternehmens.

 

Mehr Engagement, mehr Wert, mehr Sinn

Ohne Zweifel muss jede Initiative mit einer hohen Glaubwürdigkeit einher gehen. Die soziale oder ökologische Verantwortung eines Unternehmens kann nicht nur in der Marketing- und Kommlmikationsabteilung entstehen. Sie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette, muss unternehmensstrategisch entschieden, von der Unternehmensspitze getragen und in allen Aktivitäten erkennbar werden.

Was Agenturen, Strategen und Kreative unterstützen können, ist die Entwicklung des Engagements, die Diagnose gesellschaftlicher Themen, das Erkennen und Bewerten der markenadäquaten Idee oder die Gestaltung und Kommunikation der Initiative. Und es karm helfen, die Werte einer Marke zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen. Zum Beispiel mit einem Wort, das echtes Engagement, spürbare Verantwortung und glaubhafte Nachhaltigkeit oft erst möglich macht: Mut.

 

 

Foto: „Zuversicht“ | .marqs | photocase.de

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