„Yummie Mammies“ statt Übermutti – ein Schritt nach vorn?

Es ist sonnig und warm und wieder Zeit für ein Leben im Freien, u.a. auch auf Spielplätzen, wenn man Kinder hat. Neulich war Muttertag – da drängt sich eine Betrachtung des modernen Mütterbildes auf.

von Nina Rieke

 

Wie ist sie denn eigentlich, die Mutter heute? Und wie sieht sie Werbung und Medien? Der Kiosk zeigt einmal mehr, dass auf der Suche nach attraktiven Zielgruppen scheinbar die lässigen, großstädtischen und stylebewussten „Yummie Mammies“ echtes Potential haben. ‚mum‘ aus dem Luna Verlag oder die aktuelle ‚Galakids‘ (Gruner & Jahr) richten sich z.B. ganz eindeutig an die Mütter, die nicht als Glucke alles fürs Kind geben, sondern sehen mehr in einem ausgeglichenen Leben als Mutter.

Mehr Stil, mehr eigenes Leben, mehr Individualität: Hippe Muttis, die mindestens in Chucks und Röhrenjeans am urbanen Spielplatz rumlungern, den Bugaboo-Design-Kinderwagen vor sich her schieben, in der anderen Hand einen Latte Macchiato to go. Die Bilderbuch-Mutter aus einem der Leitmilieus nach Sinus, aller Wahrscheinlichkeit zuhause im Cluster der „Modernen Performerinnen“. So ganz anders als diese Supermamis, die uns lange aus der Werbung angegrinst haben.

Doch eigentlich alles gut – oder? Denn wer will schon so eine Persilmutter sein, für die es nichts Wichtigeres gibt als ihre Familie, saubere Wäsche und das Glück ihrer Kinder? Coole junge Eltern teilen sich heute schließlich die Eltemzeit, und wer wirklich superlässig ist, der packt sein Neugeborenes in ein Wickeltuch und macht sich mit Sack und Pack während der zwei Vatermonate in der Elternzeit nicht auf zum Spielplatz, sondern bereist gemeinsam die Welt und hängt lieber in Thailand am Strand ab.

Was mich dabei skeptisch stimmt: Hier wird ein neuer Typ medialer Supermami aufgebaut. Allen voran Promi-Muttis wie Claudia und Heidi oder gleich perfekte symbiotische Elternpaare wie ‚Brangelina‘ – die es nicht unter zwei, eher sechs Kindern machen. Und nicht nur sind die Mütter berufstätig, nein, schon direkt nach der Schwangerschaft heißt es, zurück ins harte Leben!

 

Ein neuer Typ medialer Supermami

Optisch sehen sie schon im Wochenbett wieder so aus, wie keine Durchschnittsmutter vor der Schwangerschaft. Um den Druck für normalsterbliche Frauen zu nehmen, geben sie zu, dass er anstrengend sei, dieser Dauerdrill direkt nach der Geburt mit dem Personal Trainer, der Koordination von Nannies, Beruf, Partnerschaft und Kind.

Nicht nur in zielgruppenspezifischen Printtiteln zeigt sich dieser neuen Typ der Supermutti – auch die Werbung zeigt ganz klar, wie die lässige und schöne Mutter so ist. Kinder sind dabei längst nicht mehr Mittelpunkt überfürsorglicher Mamis, sondern werden im besseren Fall zum Partner und besten Freund im dekorativ-lässigen Lebenschaos, im schlimmsten Fall zum gestylten Mami-Accessoire. Sie haben Spaß miteinander – und die Mutter ist natürlich nicht nur Glucke, sondern mindestens Familienmanagerin: schön, selbständig, unabhängig und umringt von anderen sexy Mamas.

Süß, wie da die Tochter in Mamis Tasche ein Stück Schokolade versteckt, das diese erst im Büro findet. Fast schon die positive Ausnahme, wenn die Mehrheit der Mütterdarstellungen nach wie vor Mütter sind, die ernsthaft über Toffifee-Schokolade als Familienkitt philosophieren. Wo die Beauty-Kommunikation längst erfolgreich mit ‚Dove‘ erkannt hat und auch die ‚Brigitte‘ in ihrer aktuellen Kampagne aufgreift – nämlich ein Bild, das sich eher an der Wirklichkeit und weniger am Perfektionswahnsinn orientiert, wenn es um das Mutter Thema geht – macht die Wirklichkeit gern mal eine Pause. Und das kann nicht an Unwissenheit liegen.

 

 

Die Wirklichkeit macht eine Pause

Fakten dazu liefern die zahlreichen Studien zum Thema Familie und Mütter, die immer wieder publiziert werden. Meist von seriösen Instituten, und nicht selten in Kooperation mit Herstellern von Produkten, die von Müttern gekauft werden sollen – wie z.B. aktuell Milupa und Humana, die in Zusammenarbeit mit Rheingold oder auch Allensbach sehr aufschlussreiche Studien abliefern.

Mütter selber sind längst in der Wirklichkeit angekommen. Immerhin jedes fünfte Kind wächst bei nur einem Elternteil auf – in neun von zehn Fällen bei der Mutter. Viele von denen arbeiten hart, dennoch muss jede dritte mit weniger als 1100 Euro im Monat auskommen. Nur noch 27% der Kleinkindmütter glauben, dass gute Mütter nicht arbeiten gehen, sondern sich ganz um das Kind kümmern. Sonderbarerweise glauben aber auch nur 23% das Gegenteil: Dass ein gute Mutter beides schafft, für die Kinder zu sorgen und einen Beruf zu haben (Allensbach/Humana-Studie). Ein Hinweis darauf, dass Mütter bis heute keine Antwort darauf haben, wie sie das alles mühelos jonglieren können – was uns aber medial suggeriert wird?

Frauen machen sich das Leben selber schwer – und nicht nur die alleinerziehenden Mütter, die weiter finanziellem Druck stehen. Mütter haben generell hohe Ansprüche an sich selber, die sie unter Dauerdruck stellen. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Rheingold in der Milupa-Studie von 2010, in der mehr als 1000 Frauen zwischen 20 und 40 Jahren befragt wurden. Die Psychologen stellten fest: Frauen fühlen sich unter ständigem Perfektionsdruck. Denn auch wenn die meisten von ihnen erklären, sie wollten gelassen sein, so wurde klar, dass Frauen damit nur die eigenen Ansprüche sehr hoch stecken: „Alles soll schön leicht aussehen. Das fanden wir relativ schockierend, weil es verdeckt, was die Frauen an Ängsten mit sich herumschleppen“, sagt Ines Imdahl vom Rheingold-Institut in der ‚Frankfurter Rundschau‘.

Nur zwei von fünf sind wirklich gelassen, wenn es um das Thema Kinder geht, vier von fünf wären es aber gern. Frauen sind also bei weitem nicht so gelassen, wie sie es selber gern wären. Sie sind ihr eigener Feind, oder machen alternativ andere Mütter mit anderen Lebensmodellen zum Feindbild. Frauen fühlen sich hin- und hergerissen zwischen behütender Supermama und selbstbestimmter Erfolgsfrau, den prototypischen Bildern, die auch medial angeboten werden und nicht dabei helfen, ein eigenes klares und hilfreiches Selbstbild zu finden.

Warum können Marken und Kommunikation hier keine bessere Hilfestellung, oder zumindest Stellungnahme beziehen? Sonderbar ist das schon: Medien berichten darüber, aber allzu oft handeln sie nicht danach. Hersteller forschen, aber kommunizieren nicht den Ergebnissen entsprechend. Das derzeitig dominante Mutterbild in Medien undWerbung ist keins, das was die von Rheingold aufgezeigte notwendige Entlastung in Bezug auf eigene Ansprüche zeigt.

 

Raum für mutige Marken

Das gibt Raum für mutige Marken, die neue Wege gehen und endlich umsetzen, was klar auf der Hand liegt. Und vielleicht ein neues Leitbild mit entwickeln – irgendwo jenseits der auf neue Weise unangenehm perfekten, weil total gelassenen und perfekt gestylten Supermama. Mit einem Mutterbild, das nicht nur keine Glucken mehr, sondern auch nicht als ebenso belastendes Gegenmodell das ewig Coole und Superschöne zeigt. Das Kinder nicht zu lustigen besten Freunden oder supergestylten Accessoires macht. Müttern nicht vorgaukelt, dass man einfach ganz lässig sein altes Leben im neuen weiterführen kann. Sondern das zeigt, wie das Leben von Müttern wirklich ist – ob nun berufstätig oder nicht.

Zum Beispiel durchgeschwitzt statt durchgestylt irgendwo anzukommen. Festzustellen, dass weder Kind noch die eigene Bluse blütenrein ist, dass unsere Kinder uns nicht liebevoll Kinderschokolade zugesteckt, sondern ihr altes Kaugummi an die Jacke geklebt haben. Mütter, die nicht in einer hyperstylischen hormonellen Glücksblase schweben, sondern durchaus zerrissen zwischen Selbstansprüchen, Wünschen und Möglichkeiten hängen, sich nicht Bilder von unerreichbaren Vorbildern und perfekten Lebensentwürfen wünschen, sondern vielleicht auch mal echte Hilfestellungen oder einfach nur die Botschaft, dass es so, wie es ist, völlig ok ist.

Nicht nur ich als berufstätige Mutter würde das begrüßen, sondern, wenn wir den Studien glauben, mindestens tausende andere Mütter auch.

 

 

Foto: „Jetzt aber schnell…“ | Francesca Schellhaas | photocase.de

comments powered by Disqus