Zukunftskompetenz von Marken

Das Menschenbild und der Sinn des Lebens als Aufgabe der Marke.

Von Bärbel Boy, boy Strategie und Kommunikation, Kiel

 

Que Sera, Sera,
Whatever will be, will be
The future’s not ours, to see
Que Sera, Sera
What will be, will be.
(Ray Evans und Jay Livingston)

Welchen Beitrag leisten Marken zu einer relevanten Zukunftsvorstellung und einem zukünftigen Menschenbild? – Eine völlig unpassende Frage, nicht wahr? Darum geht es schließlich nicht. Es geht ums Verkaufen. Ja. Aber was wird in Zukunft verkauft? Wie lange können wir der Zukunftsangst eine reine Gegenwartsorientierung entgegensetzen?

Wir arbeiten auf der Grundlage von Trendforschung und Zukunftsstudien. Wir kriegen mehrmals im Jahr einen neuen gebundenen Entwurf von dem, was die Welt von morgen prägen soll und haben uns damit abgefunden, dass alle Institute, die ich mit Zukunft beschäftigen, sehr viel Gegenwärtiges beschreiben. Es erscheint uns legitim, unser persönliches Erleben der Gegenwart schon als eine Form der Zukunft zu begreifen. Die Zukunftskompetenz, die wir bei der Entwicklung und Führung von Marken einsetzen, kommt von uns selbst und wird bestätigt durch die Arbeit der Zukunftsforscher. Dabei wissen wir seit Nassim Nicholas Talebs ‚Der schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse‘, dass wir unangenehme Zukunftsvorstellungen, seien sie auch noch so plausibel, ignorieren.

Selten gelingt es, dass Marken mit ihrer Markenwelt einen Diskurs in Gang setzen oder gar neue Wertvorstellungen prägen. Ein oft gelobtes Beispiel ist Dove. Dove ist mit dem von der Marke präsentierten Menschenbild zu einer zukunftskompetenten Marke geworden. Kompetent im Umgang mit z.B. einem Zukunftsthema, dem demografischen Wandel.

Entscheidend an dieser Stelle war und ist das Menschenbild. Das prägt auch andere „Marken der neuen Welt“, wie sie Dr. Konrad Weßner von puls Marktforschung in der Studie ‚Nachhaltigkeit als Markenwert‘ nennt. Dazu gehören u.a. dm Drogeriemarkt oder better place. Analog zu der oben beschriebenen Zukunftskompetenz von Markenmachern können wir bei von Lobenstein im Markenmanifest nachlesen: „Wir glauben an nachhaltige Marken. Profitstreben von Marken wird in Zukunft dann vom Zielpublikum akzeptiert, wenn die Marke gleichzeitig erkennbar einen nachhaltigen Beitrag zu einer besseren Welt liefert.“

Nachhaltigkeit ist ein Aspekt von Zukunftskompetenz. Ein Aspekt. Und ja: Wir sind schon weit, wenn wir Nachhaltigkeit zu einer conditio sine qua non der Markenführung machen würden. Aber es geht bei Zukunftskompetenz um weit mehr.

Es geht um ein neues Menschenbild. So zumindest  es Gunter Dueck in seinem Buch ‚AUFBRECHEN – Warum wir eine Exzellenzgesellchaft werden müssen‘. Darin geht es um das Ende der Dienstleistungsgesellschaft. Er entwirft eine Utopie von einer Exzellenzgesellschaft, in der multikompetente Persönlichkeiten die Verantwortung übernehmen, aus sich selbst etwas zu machen. In der nicht nur alle Zugang zu Bildung haben“ sondern alle gebildet sind, weil wir uns dann im Zeitalter der quartären Wissenskultur befinden. In der die Wirtschaftkultur zu einer Wir-Form zurückfindet, zu einer Kultur des Gemeinsinns und der Meisterehre. Und in der es eine Staatsenergie für Zukunftsvorstellung und Menschenbild gibt.

 

Utopie einer Exzellenzgesellschaft

Ein neuer Entwurf des Paradieses und gleichzeitig so weit weg von unseren ‚Ich‘-Werten, dass die Attraktivität dieser Zukunftsgesellschaft Deutschlands sich nicht sofort aufdrängt. Wäre da nicht der erste Teil des Buches, der das Ende der Dienstleistungsgesellschaft so lebensnah beschreibt. Man kann allem zustimmen, tut es eher zögernd, denn die Beschäftigung mit Duecks Utopie fühlt direkt zu r Frage der Zukunft unserer Gesellschaft, unserer Branche und schließlich de eigenen Tuns.

Laut Dueck richten wir unsere Dienstleistungsgesellschaft gerade zugrunde, indem wir a) die Service-Erbringer schlecht behandeln und b) aus Kostenoptimierungsgründen immer mehr Services selbst erbringen, ob beim Einchecken, beim Kassieren in der Scannerschlange oder bei der Urlaubsbuchung. Wir sind immer weniger bereit, Dienstleistungen so zu bezahlen, dass diejenigen, die die erbringen, davon
leben können. Und das bezieht sich inzwischen auch auf diverse Berufe vom Wirtschaftsprüfer bis zum Grafikdesigner.

Es geht in diesem Buch nicht um Marken. Aber es geht um die Frage, wer in Deutschland Zukunftskompetenz hat. Wer prägt die Bilder einer zukünftigen Gesellschaft? Wer bereitet darauf vor? Die Forderung nach einer dafür zuständigen Staatsgewalt klingt naiv. Letztlich sind es die Verbraucher, die nach Zukunftskompetenz suchen. Und sie suchen als Verbraucher. Das wissen wir, seit es Utopia gibt. Längst sind die Verbraucher also auf dem Weg zu einer von Gemeinsinn geprägten Wir-Gesellschaft. Das Kapitel fehlt, Herr Dueck!

Es mag sich lächerlich anhören, und dennoch er scheint mir die Beantwortung der Frage nach dem Sinn des Lebens der wesentliche Schlüssel zu einer zukunftskompetenten Marke zu sein. Duecks Beobachtung, dass Kirche nicht mehr diese normierende Kraft hat, ist ja kaum zu widersprechen. Eine ersatzreligiöse Funktion von Marken sei fern‘ Und dennoch wird in Deutschland für die Beeinflussung von (Kauf-)Verhalten und Einstellungen nirgendwo mehr Geld ausgegeben als in der Werbung und Markenkommunikation. Und deshalb prägen Marken Menschen und Weltbild. Auch ‚Toffifee‘ beantwortet die Frage nach dem Sinn des Lebens, und zwar auf der Grundlage eines nicht mal mehr gegenwärtigen Menschen- bzw. Frauenbildes. Die gegenwärtige Fortentwicklung bietet ‚Kinder Happy Hippo‘. Aber das ist nicht die Zukunftskompetenz, die die Verbraucher suchen und belohnen.

Marken fangen an, die drängenden Fragen der Zukunft aufzugreifen. Aber das Menschenbild hinkt noch hinterher. Ein zukunftskompetentes Menschenbild und echte Sinnstiftung als gesellschaftliche Aufgabe von Marken – das hieße, über CSR und Nachhaltigkeitszertifizierung weit hinauszugehen. Das hieße, jenseits von Channelplanning Markencontent substanziell zu verstehen und aus einer Positionierung eine Position zu machen. Stellen wir (uns und unsere Arbeit) einfach mal die (den) großen Fragen. Ich glaube an den Erfolg von zukunftskompetenten Marken.

 

 

Foto: „Gold pflücken“ | Gabriela Gattaneo | photocase.de

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