Die Zukunft von Medien und Marken

Wie verändern die Medien unser Verhalten, unser Leben, unsere Welt? Was bedeuten die kommunikativen Umwälzungen für unsere Konzepte, Planungen und Strategien? Wie gehen wir damit um? Die Event-Trilogie ‚Vorwärtsdenken‘ von APG und ‚Focus‘ über die Einflussfaktoren moderner Markenstrategien.

Von Wolfgang Steiner, Head of Strategic Planning, Sapient/Nitro

 

Das Konzept: Eine Deutschlandreise zu einem übergeordneten Zukunftsthema, das die Arbeit von Marken- und Kommunikationsstrategen maßgeblich beeinflusst. Aufbereitet, interpretiert und präsentiert von drei Autoren und Fachexperten in drei Städten der Republik. Gewollt auch als ein offenes Aufeinandertreffen von Kollegen sowohl aus Agenturen tmd Medien als auch Unternehmen.

Die Stationen der ersten Reise zum Vorwärtsdenken waren Hamburg, München und Frankfurt am Main – allesamt in den dortigen Literaturhäusern. Als Thema für die erste Event-Trilogie wurde ‚Die Zukunft der Medien‘ gewählt. Als Zukunfts thema für den Auftakt fast schon naheliegend. Denn kaum eine Zukunft wird als so anders erwartet als die der Medien.

 

Literaturhaus Hamburg: Die Google-Ökonomie

lnnovationen im Bereich der Medien verändern aber nicht nur diese selbst als Produkt. Sie ändern auch, wie Marken und Verbraucher miteinander in Kontakt treten. Mit dem Internet hat sich dieser Wandel weiter spürbar beschleunigt und damit auch die Beziehungsdynamik zwischen Marken und Verbrauchern insgesamt. Klar, dass es uns als Markenstrategen interessieren muss, wie die Geschichte der Medien und damit auch der Marken weitergeschrieben wird.

Ob Content-Flexibilität, Micro-Advertising oder TV-Werbung für Kleinunternehmen – der Suchmaschinenriese Google verändert das Kreativgeschäft in vielen Bereichen. Der Vortrag ‚Die Google-Ökonomie – Umsonst, aber nicht kostenlos‘ von Dr. Ralf Kaumanns lockte über 70 Gäste am 8. November ins Literaturhaus an der Alster. Mit seinem gediegenen, klassischen Ambiente des 19. Jahrhunderts stand der Rosensalon des Hamburger Literaturhauses in starkem Kontrast zu Dr. Kaumanns Thesen über die Veränderungen, die Google in der Kreativbranche im 21. Jahrhundert bewirkt: Zum Beispiel zeigte er, dass das Internetunternehmen zunehmend im Großkundengeschäft als direkter Wettbewerber zu traditionellen Agenturen in Erscheinung tritt. Die Werbepartnerschaft mit ‚Heineken‘ sei ein prominentes Beispiel für diese Entwicklung.

Auch die klassische Kreativdomäne der Content-Erstellung verändere sich durch die schnell wechselnden Werbeschaltungen, so Kaumanns weiter. In Zukunft müsse sich dieser Prozess noch sehr viel flexibler an die dynamischen Platzierungsmöglichkeiten im Internet anpassen.

Diese Entwicklung zwinge die Branche zu neuen, schnelleren Kreativprozessen, mit natürlich auch weiteren Auswirkungen auf die strategische Marken- und Kommunikationsplanung. Nicht nur für die Agenturen und Dienstleister ändere sich der Markt, auch für die Markenhersteller – und eröffne neue Möglichkeiten. Beispielsweise hätten kleinere Unternehmen früher nur beschränkte Möglichkeiten bezüglich TV-Werbeschaltungen gehabt. Durch Googles Angebot gäbe es jetzt auch für kleinere Marken Chancen, wirtschaftlich Fernsehwerbung zu schalten.

 

Literaturhaus München: Medienwelten 2020

Der zweite Vortragsabend zum Vorwärtsdenken fand am 23. November in der Bibliothek des Literaturhauses München statt. Eine ebenso schöne wie inspirierende Location, die dennoch beinahe zu klein geraten wäre. Denn mit über 80 Teilnehmern kamen auch zu dieser Veranstaltung wieder deutlich mehr Gäste als ursprünglich erwartet.

Das Thema von Sven Gabor Janszky lautete ‚Medienwelten 2020‘: Und er nahm sein Publikum gleich mit auf eine Zeitreise in diese Zukunft. Dabei setzte Janszky starken Fokus auf die auch von ihm erwartete noch weitere Einbettung von Techologie und Konnektivität in unseren Lebensalltag – und skizzierte den sich auch dadurch verändernden Umgang und die Nutzung von Medieninhalten. Wo, was und vor allem wie lesen wir morgen? Welchen Einfluss haben elektronische Assistenten wie zum Beispiel das iPad? Mit der Internetlogik ändere sich die Lesesituation, so Janszky. Das bislang einsame Lesen würde zum Community-Ereignis. Wenn auf einem Gerät mit Internetverbindung gelesen würde, wäre es kein Aufwand, alle Menschen zu verbinden, die zur gleichen Zeit am gleichen Buch lesen. Es würde eine Community entstehen, in der jeder Leser mit jedem kommunizieren könne, der in dieser Sekunde den gleichen Text liest.

Heiß diskutiert wurde auch die Frage, ob mögliche personalisierte Print-Angebote als Premium-Produkte tatsächlich Alltagsrelevanz entwickeln werden.

Als eine ganz andere Konsequenz von Konnektivität verdeutlichte Janszky auch, wie sich dadurch die Funktionsanforderung an Marken drastisch verändere. Wenn für die Kaufentscheidung jederzeit Vergleichsdaten zur Produktauswahl zur Verfügung stünden, würden sich die Grundfunktionen und Daseinsberechtigungen vieler Low-Interest-Marken erübrigen. In der Konsequenz prognostizierte Janszky ein entsprechendes „Markensterben“.

 

Literaturhaus Frankfurt: Zukunft der Werbung

Zum letzten Teil der Event-Trilogie lud die APG schließlich am 29. November zur ‚Schönen Aussicht am Main‘. Knapp 50 Gäste trafen sich im Lesekabinett des Frankfurter Literaturhauses. Zur Zukunft der klassischen elektronischen Medien stellte Referent Dr. Steffen Egner die Frage, ob diese überhaupt eine solche hätten. Schließlich würde deren Zukunft entscheidend davon abhängen, inwieweit es den Medien gelänge, ihren Werbekunden zu ermöglichen, eine ausreichend große Werbewirkung zu erzielen. Bloße Kontaktzahlen würden hier eine immer geringere Rolle spielen, denn aus der ständig wachsenden Flut an Werbung bliebe nur ein sehr geringer Teil hängen.

Wichtiger werden würde künftig, so Egner, dass das jeweilige Werbemedium „kognitiv adäquat“ zum Einsatz komme. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Print,  Fernseh- und Online-Werbung demonstrierte er anschaulich die gegenseitige Abhängigkeit der kreativen Idee von der entsprechend „kognitiv adäquaten“ Umsetzung. Eigentlich keine erst mit Blick auf die Zukunft geltende Erkenntnis.

 

Rückblick

Ein Thema – drei Interpretationen von drei Referenten an drei Abenden in drei Städten. Die Zukunft der Medien wurde beim ‚Vorwärts denken 2011‘ in drei Schlaglichtern näher beleuchtet. Implizit wurde bei allen drei Veranstaltungen deutlich, dass sich die Rolle der Medien für die Markenführung fundamental verändert. Markeninszenierung wird unabhängiger von Mediaflächen, tritt verstärkt auch direkt mit ihren Kunden in Kontakt. Neue dominante Spieler wie Google treten auf und schaffen neue Abhängigkeiten. Neue technologische Möglichkeiten ermöglichen neue Formen der Markenbeziehung. Und dennoch, die handwerklich-kognitiven Grundgesetze der Markenkommunikation bleiben gültig – mit oder ohne Medien.

 

 

Foto: „ich finds geil!“ | kallejipp | photocase.de

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