Wen interessiert die Meinung des Kunden tatsächlich!?

Die Marktforschung ist tot. Es lebe die Marktforschung. Genauer: die qualitative Marktforschung mithilfe der Brand Network Analysis, einer völlig neuen Methode des Markenmonitorings im Online-Umfeld.

Von Frank Kaulen, kaulenplanning, Strategieberatung für Markenkommunikation

Märkte sind Gespräche. Das Cluetrain-Manifest war mit dieser Botschaft seiner Zeit schon damals weit voraus. Heute beobachten wir, dass sich die Gespräche mehr und mehr ins Internet verlagern.

Für die Markenkommunikation bedeutet diese Entwicklung in Zeiten von Social Media und Web 2.0 eine einzigartige Chance, aber auch eine enorme Herausforderung. Der Paradigmenwechsel ist längst vollzogen. In Zukunft werden die Marken erfolgreich sein, die in der Lage sind, diese Gespräche qualitativ zu erfassen und für sich nutzbar zu machen.

Hier kommt die Marktforschung ins Spiel. Gefragt sind neue innovative Methoden zur Informationsgewinnung für Marken bzw. Markenimages im Online-Umfeld, die bestenfalls in wertvolle (Consumer) Insights münden – notwendige Grundlage für die strategische Markenführung und ein effektives Kampagnenmanagement.

 

Markenassoziationsnetzwerke als Erkenntnisobjekt 

Die Wahrnehmung einer Marke kann in Form von semantischen Netzwerken dargestellt werden. Diese Netzwerke bestehen aus Knoten und Kanten. Die Knoten bilden die Assoziationen zur Marke ab, während die Kanten die Beziehungen zwischen den Assoziationen und der Marke widerspiegeln.

Die Erfassung solcher Markenassoziationsnetzwerke mittels klassischer Methoden wie Fokusgruppen oder Tiefeninterviews ist zeitaufwendig und teuer. Zudem werden die Daten oftmals durch die ‚In-vitro‘-Befragungssituation verfälscht.

Abhilfe versprechen eine Vielzahl von Social-Media-Monitoring-Tools, die zurzeit wie Pilze aus dem Boden schießen. Allerdings tritt schnell Ernüchterung ein, betrachtet man die Ergebnisse etwas genauer. Teils liefern solche Tools rein quantitative Daten in Form der Ermittlung bloßer Häufigkeiten, teils ist die Datenquelle wenig valide, da sich echte Verbraucherreaktionen nicht von redaktionellen oder kommerziellen Inhalten unterscheiden lassen. Eine qualitative Tiefenanalyse ist daher kaum möglich.

Die Brand Network Analysis stellt einen völlig neuen Ansatz des Markenmonitorings im Online-Umfeld dar. Zu diesem Zweck wird auf User Generated Content aus OnIine-Verbrauchergemeinschaften zurückgegriffen. Die Methode basiert damit auf den Erfahrungen, Einstellungen und Gefühlen, die Konsumenten intrinsisch motiviert äußern und damit der Meinungsbildung anderer Konsumenten dienen.

Das Markenassoziationsnetzwerk wird in diesem Fall direkt aus dem vorliegenden Datenmaterial mittels formaler Regeln der Netzwerkanalyse generiert.

 

Brand Network Analysis in der Praxis Die Brand Network Analysis gibt der Marktforschung eine neue Dimension, denn sie schließt mögliche Beeinflussungseffekte aus. Sie stellt keine Fragen, sondern wertet bereits vorhandene Antworten aus.

Das gesamte Verfahren erfolgt in drei hoch automatisielten Schritten, die in einer entsprechenden Software implementiert sind:

1. Datensammlung

Die Software liest alle Äußerungen aus, die zu einer bestimmten Marke im Internet hinterlassen wurden und speichert sie als separate Datensätze ab.

2. Datenanalyse

Die Konsumentenäußerungen werden mit Methoden der Computerlinguistik nach relevanten Wörtern und Phrasen – den Assoziationen bzw. Konzepten untersucht. Begründungen (Treiber) für positive und negative Bewertungen werden ebenfalls erfasst. Gleichzeitig werden Assoziationsketten und Denkstrukturen offen gelegt.

3. Datenvisualisierung

Die grafische Darstellung des Assoziationsnetzwerks erfolgt mithilfe der Brand Network Map. So wird die Brand Network Map gelesen:

• Der Untersuchungsgegenstand steht im Zentrum der Darstellung.

• Konzentrisch angeordnet befinden sich die damit assoziierten Konzepte.

• Je näher am Zentrum, desto stärker ist die Assoziation.

• Die Zahlen dienen als Maß für die Stärke der Konzepte und ermöglichen deren Vergleichbarkeit.

• Positive Bewertungen der Konzepte sind grün, negative rot dargestellt.

• Die Linien zwischen den Konzepten repräsentieren die Denkstrukturen.

 

Anwendungsszenarien der Brand Network Analysis

Die Brand Network Analysis ist in der Markenkommunikation vielfältig einsetzbar. Das Verfahren eignet sich gleichermaßen für die Ad-hoc-Analyse, wie auch als Monitoring-Tool in unterschiedlichen Bereichen:

Markenführung

In der Markenführung steht mit dem neuen Verfahren ein wirkungsvolles Instrument zur Feinabstimmung der eigenen Markenpositionierung zur Verfügung. Erweitert man die Analyse um eine Wettbewerbsbetrachtung, lassen sich zudem Differenzierwlgspotenziale auf Marken- bzw. Produktebene erschließen. Verbraucherbewertungen aus vergangenen Jahren ermöglichen darüber hinaus Betrachtungen im Zeitablauf.

Kampagnenmanagement

In der Kampagnenplanung und -kontrolle unterstützt die Brand Network Analysis die Markenverantwortlichen bei der Entwicklung der Kreativstrategie und bei der Ex-post-Analyse der Wirkung von spezifischen Kommunikationsmaßnahmen.

Branchenauswertungen

Die Analyse lässt sich nicht nur für Marken, sondern auch in der Produktpolitik, für ganze Branchen oder für allgemeine Themen durchführen. Man spricht in diesem Fall von einer Topic Network Analysis.

 

Fazit

Aus Sicht der Unternehmen und deren Agenturen bleibt abzuwarten, ob sich die hohen Erwartungen an diese Methode zur qualitativen Erfassung und Auswertung von User Generated Content in der Praxis erfüllen. Die bisherigen Anwendungsresultate stimmen jedoch zuversichtlich.

Damit die Meinung des Kunden nicht nur interessiert, sondern in Zukunft auch tatsächlich gehört wird.

10120105_StrategyCorner_Kaulen_Wen interessiert doe Meinung des Kunden tatsächlichVisualisierung in der Brand Network Map am Beispiel ‚Kleinwagen‘ (Quelle: Insius UG, 2011)

 

 

Foto: “Kunde ist König” | chriskuddl | ZWEISAM | photocase.de

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