‚Emotionalisierte Rationalität‘ – B2B-Planning in der Praxis

Planning für die Zielgruppe Business-Entscheider unterscheidet sich nicht grundlegend von dem für Endverbraucher. Dennoch gibt es bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) spezielle Eigenarten und Herausforderungen für den B2B-Planner.

Von Knut Riedel, freier Planning Director, Hamburg

 

1. Unternehmen im Mittelpunkt

Meistens geht es in der B2B-Kommunikation nicht um Produkt-Kampagnen, sondern um den zeitgemäßen Ausdruck der Unternehmens-Identität. Diese soll nicht nur authentisch lmd attraktiv nach außen strahlen, sondern auch intern die Identifikation erhöhen.

Für die Praxis bedeutet das: Weniger Promise und Reason-Why sind entscheidend für die Kommunikations-Strategie, sondern eher Anspruch, Mission und Tonalität. Der B2B-Planner muss den speziellen ‚Spirit‘ aufden Punkt bringen, der in den Fluren und Werkhallen herrscht. Ein wenig idealer als in Wirklichkeit vielleicht – aber dafür ist Kommunikation ja schließlich da.

 

2. It’s people business

Reale Experten spielen im B2B-Planning eine viel größere Rolle als Repräsentativ-Befragungen. In ihren Köpfen befinden sich hoch verdichtet und erfahrungsschwanger die entscheidenden Informationen – und sind nur auf einem Weg zu bekommen: in direkter Befragung per Interview oder Workshop. Und gerade Männer mit technischem Hintergrund sind nur allzu gern bereit, sich auf projektive Forschungsreisen zum Wesenskern ihres Unternehmens zu begeben.

Für die Praxis bedeutet das: Der B2B-Planner ist ein kompetenter Interviewer lmd Moderator. Seine Fachexpertise ermöglicht es ihm darüber hinaus, mit seinem Gesprächspartner auch spontan neue Optionen zu entwickeln und zu diskutieren.

 

3. Daten-Vakuum vs. Information-Overflow

Die Informationslage im B2B-Planning ist häufig unausgewogen: Interne produktbezogene Daten gibt es zuhauf (oft nur für Fachleute verständlich), aber bei Image- und Wettbewerbs-Daten herrscht Brachland. Ein prägnantes Konkurrenzumfeld lässt sich kaum ausmachen, Kund sind zwar persönlich bekannt, aber selten systematisch beforscht.

Für die Praxis bedeutet das: Gefragt sind Mut und Bauchgefühl im Sinne von: ‚Lieber ungefähr richtig als exakt falsch‘. Der B2B-Planner muss entscheiden, welche Informationen er WIRKLICH noch braucht, um eine ‚runde Geschichte‘ zu formulieren, die den Auftraggeber hinreichend einzigartig und attraktiv darstellt.

 

4, Vertrieb im Fokus

Der Vertrieb spielt die entscheidende Rolle in der B2B-Vermarktung; Kaufentscheidungsprozesse sind komplex, langwierig und individualisiert. Marketing müsste oft eher ‚Vertriebs-Vorbereitung‘ heißen, wenn die Hauptaufgabe lautet, „die an der Front“ mit einheitlichen und ansprechenden Materialien zu versorgen.

Für die Praxis bedeutet das: Der B2B-Planner bzw. die gesamte Agenhu‘ sollten sich als Dienstleister für die Vertriebsarbeit verstehen, keinesfalls als deren Dirigenten oder gar Anleiter. Stolz kann man sein, wenn PowerPoint-Vorlagen fast unverändert übernommen, die Broschüren stolz auf den Tisch gelegt oder die mit Akribie geschliffenen Sätze wörtlich wiederholt werden – weil sie einfach überzeugend wirken.

 

5. Rationalität emotionalisieren

B2B-Entscheidungen basieren zwar häufig auf wesentlich rationalerer Grundlage als B2C-Käufe, aber auch hier gibt es eine emotionale ‚Unterströmung‘: Je nach Sympathie werden objektive Merkmale mal stärker, mal schwächer gewichtet. Neben dem Herausstellen faktischer Alleinstellungsmerkmale geht es daher in der B2B-Kommunikation immer auch um das Erzeugen einer positiv wirkenden Atmosphäre durch eine individuelle Ästhetik und Tonalität.

Für die Praxis bedeutet das: Der B2B-Planner muss sensibel mit Worten und (Sprach-)Bildern hantieren, wenn er die Kreation inspirieren will, den rationalen Kern des Unternehmens mit einer passenden emotionalen Hülle zu versehen. Denn mehr noch als in der B2C-Arbeit drohen hier die typischen Klischees und Bilderwelten, die austauschbar, platt oder aufdringlich wirken.

 

6. Unternehmensberatung für Kommunikation

Gerade KMU stehen häufig nur wenig Kommunikations-Ressourcen zur Verfügung. Daher ist die Agentur nicht nur als Ausgestaltungsgehilfe, sondern als Consultant gefragt: Ziele wollen definiert, geeignete Kanäle ausgewählt und die Perspektive der Zielgruppe immer wieder eingebracht werden, um zu erfolgversprechenden Lösungen zu kommen.

Für die Praxis bedeutet das: Nicht komplexe Marken- und Kommunikations-Modelle sind gefragt, sondern pragmatische Ansagen, wo es langgehen soll. Als Lohn winken ein umfassendes Aufgabenspektrum und die zügige Umsetzung dessen, was man empfohlen hat.

 

Fazit

Mehr noch als im B2C-Planning ist zentrale Anforderung im B2B-Planning, nie das eigentliche Ziel aus dem Auge zu verlieren: Eine klare und inspirierende Vorlage für die ebenso authentische wie attraktive Darstellung der Marke(n) des Kunden.

Noch faszinierender als die Strategie-Formulierung aber ist für den B2B-Planner, als ‚Wanderer zwischen den Welten‘ zu fungieren, der die unterschiedlichen Denkarten und Sprachen von Auftraggebern, Zielgruppen und Agenturkollegen verstehen und ineinander übersetzen kann – mit der großen Chance, in diesem System der kurzen Wege wirklich etwas zu bewegen.

 

 

Foto: „Krawatte“ | simonthun | photocase.de

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