Post Digital

Was digital mit Sauerstoff gemein hat und warum wir digital erst an einem richtig spannenden Anfang stehen. In diesem Artikel wollen wir unseren in die Zukunft gerichteten Blick auf ‚digital‘ zur Diskussion stellen. Aus technologischem Blickwinkel und aus Marketingsicht.

Von Manuel Stolte und Jan-Philipp Jacobsen, Insight & Strategy Team bei SinnerSchrader, Hamburg

 

Irgendwie ist heute alles digital. Die Planner-Zunft spricht andauernd davon, in jedem Kundenbriefing liest sich ein Satz wie „die kreative Leitidee muss auch im digitalen Kanal funktionieren.“ Auf jedem zweiten Citylight findet sich irgendein QR-Code – auch wenn einem der Sinn dahinter meist verborgen bleibt. Marken drängen in den App-Store und auf Facebook, um dort ihr Produkt oder ihre Dienstleishmg für Fans greifbar lmd interagierbar zu machen. Mit mehr oder weniger Erfolg. So weit. So mäßig.

Treten wir kurz einen Schritt zurück und fragen: Wenn inzwischen alles digital ist, was heißt das für Marken, ihre Produkte und Dienstleistungen und ihre Beziehung mit uns Menschen? Und was heißt das für uns Planner und unseren Job?

Das Internet zeichnet sich durch „Vermüllung“ und „große Unordnung“ aus, sagt niemand Geringerer als Nikesh Arora, Vertriebschef von Google. Nikesh warnt, es müsse künftig viel stärker um ein Aufräumen und eine sinnvollere Dosierung der digitalen Datenflut gehen. Denn in dieser Einfachheit und Ordnung stecke die Zukunft und für Marken großes Potenzial, darin einen wirklichen Unterschied in der „digitalen“ Markenführung und -interaktion zu machen.

Werfen wir einen Blick in die kommenden Jahre und das, was da vor uns liegt. Die Anzeichen dafür haben wir schon heute. Meistens gehen wir mit ihnen völlig intuitiv um, indem wir die uns zur Verfügung stehende Technologie und damit ‚digital‘ einfach benutzen. Nein, Lobeshymnen auf das wunderbare Unternehmen aus Cupertino kommen jetzt nicht. Wohl aber auf das, was Apple mit der neuen Technologie klammheimlich obsolet gemacht hat: krampfiges und eine an dem PC orientierte Nutzung des Internets.

Technologie vereinfacht also. Wenn man es gut macht, wie das Beispiel Smartphone zeigt. Es muss aber nicht immer gleich eine neue Gerätekategorie sein, die erfunden werden muss. Vielmehr – und dabei geht es um den sogenannten Massenmarkt und damit um gefühlte 90 Prozent der Projekte von uns Plannern – lassen sich vorhandene Prozesse, Produkte und Dienstleistungen ganz prächtig und kreativ neu gestalten. Die Herausforderung liegt nicht in der Erfindung von etwas komplett Neuem, sondern im Alltäglichen, im vermeintlich überraschungsarmen Briefing unserer Kunden.

Was unserer Meinung nach zusammenkommen muss: digitales Technologieverständnis und Kenntnis der Prozesse unserer Kunden. Immer mit dem Fokus: der Mensch und die Vereinfachung, die er dadurch erfährt. Was nicht heißt, dass wir Planner uns nicht mehr mit Kommunikation und ‚Werbung‘ beschäftigen sollen. Vielmehr bekommt Kommunikation eine zusätzliche Ebene: die der digitalen Technologie.

 

Was Technologie verändern kann

1. Gerne reden wir Planner von neuen Trends wie Social Media, Mobile oder gerade aktuell vom Fernsehen mit Internetzugang, die alles Dagewesene auf den Kopf stellen und neu definieren. Dabei erkennen wir häufig nicht den wirklich wichtigen Kern dieser Veränderungen. Welche Vorteile und Möglichkeiten bringen diese neuen Produkte mit Internetverbindung? Beim Smartphone erleben wir buchstäblich hautnah, was für einen großen Einfluss das Internet in der Tasche auf das Leben der Konsumenten hat. Das  Surfen auf dem kleinen Screen ist hier sicher nicht das, was Konsumenten den riesigen Spaß und Mehrwert bietet. Vielmehr ist es das Zusammenspiel von Internet mit der Technologie des Smartphones. Durch Kamera, GPS, (bald) NFC, Beschleuniglmgssensor oder Gyroskop eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten im Umgang mit dem gewaltigen Wissen des Internets.

2. Ein Trend 2012 wird die Weiterentwickllmg der Health-Tracking-Applikationen sein. Schon heute gehen wir mit Apps, wie Nike+ oder RunKeeper, laufen und dokumentieren unsere Erfolge und Misserfolge. Doch stehen wir hier erst am Anfang. Kleine denkende Devices erobern unseren privaten Alltag oder werden von der Industrie in traditionelle Produkte eingebaut. So gibt es heute von Adidas schon den „denkenden Schuh“, der automatisch Geschwindigkeit , Beschleunigung, zurückgelegte Distanz und Laufrhythmus mitschreibt. Ähnliches ist auch aktuell von Nike im TV zu bewundern: Das Fuelband wird von Nike als ultimativer Fitnesscoach beworben, der jegliche Bewegungen des Konsumenten trackt und in eine Fitness-Währung umrechnet und somit vergleichbar macht.

3. Und auch das gemütliche Sitzen vor dem Fernseher wird sich verändern. Die Flimmerkiste der Zukunft wird nicht nur einen Browser vorinstalliert haben und durch ein paar Apps erweitert werden. Bislang jedoch geht das bloße Surfen auf keinem Device so einfach von der Hand wie auf dem Notebook oder Desktop-PC. Klar ist heute schon, dass der zukünftige Fernseher mit allerhand Sensoren ausgestattet sein wird. Durch Technologie wie Sprach- und Gestenerkennung wird sich die Art des Fernsehens radikal ändern. Es wird auch spannend sein, wie sich Fernseh’verhalten‘, wenn sie durch Betriebssysteme wie iOS oder Android betrieben werden. Welche Veränderungen das für unsere Branche mit sich bringt, darüber lässt sich bisher nur spekulieren. Wir gehen jedoch davon aus, dass besonders Google von diesem neuen Wissen Stark profitieren wird. Denn: Wenn Google durch sein Betriebssystem Android das Fernsehverhalten der Nutzer lernen kann, wird es für Google auch möglich sein, passende und damit relevantere TV-Spots auf diese Interessenten zuzuschneiden und auszuspielen – in Echtzeit. TV-Spots werden also endlich zielgerichtet sein und damit den Malus des hohen Streuungsverlusts verlieren. Für Marken ganz neue Potenziale, auch über den Fernseher in eine echt Interaktion mit den Nutzern zu treten.

 

Was also heißt das für uns Planner?

Um eine sinnvolle Technologie zu erkennen, müssen wir darauf achten, dass diese etwas durch Bedienung und Interaktion fundamental vereinfacht. Und Genau für diese Art der Technologie wollen wir eine Lanze brechen. Für das, was wir da tun, um es öfter mit in die Meetings zu nehmen und unsere Kunden öfter damit zu konfrontieren ihnen die Scheu zu nehmen. Unsere Kunden so neue Chancen für ihr Handeln und Wirken ihrer Marken mit an die Hand zu geben. Denn Technologie allein bringt noch nicht viel Neues. Sie schafft nur eine andere Aktion bzw. Interaktion mit Inhalten, die mehr und mehr digital werden. Wir Menschen können uns für rohe Technologie nur schwer begeistern, wohl aber für einfache, intuitive (Be-)Nutzung, Hilfe und Erleichterung unseres Lebens. Für das, was wir jeden Tag tun, was wir lieben zu tun oder einfach nur tun müssen. Und genau darin kann und muss Technologie unterstützend helfen.

Marken müssen das für sich entdecken und gezielt einsetzen und sich so eine relevante Identität erarbeiten. Und wir Planner müssen, wenn wir an Differenzierung denken, in Zukunft stärker an Technologie denken. Immer im Sinne der Menschen und im Sinne einer sinnstiftenden, wertvollen und verbesserten Aktion bzw. Interaktion der Menschen mit den Produkten und Dienstleistungen unserer Kunden. Was heute noch vermeintliche digitale Spielerei ist, wie beispielsweise das Einchecken über Foursquare, kann in einem anderen Zusammenhang, in einem anderen Marktkontext von ungemein großem Nutzen für uns Menschen sein. Zukünftig wird sich strategisches Denken immer mehr dadurch auszeichnen, genau diesen Transfer hinzubekommen. Und es wird darum gehen, mit unseren Kunden deren Produkte und Dienstleistungen neu zu denken, technologisch neu zu denken im Sinne einer digitalen DNA. Digitale Technologie wird damit fester Bestandteil eines Produkts oder einer Serviceleistung. Vergleichbar eben mit Sauerstoff, der uns heute selbstverständlich zur Verfügung steht. Keine einfache Aufgabe. Aber eine höchst spannende und wichtige.

 

 

Foto: „Bitte keine Werbung einwerfen!..“ | Maria Vaorin | photocase.de

comments powered by Disqus