APG Strategy Corner – Vorsprung durch Technik

Oder: Wie Planning dabei helfen kann, auf die richtigen Technologien zu setzen.

Von Achim Schauerte, Planning Director Razorfish London

 

Marken streben nach Vorsprung. Vorsprung durch Relevanz, Differenzierung und Identität. Die Aufgabe von Kommunikation ist es, genau dabei zu helfen. Das hat bislang wunderbar funktioniert. Es wird allerdings immer schwieriger. Kein Wunder also, dass weitere Aspekte für unsere Kunden in den Fokus rücken. Technologie zum Beispiel. Der sehr treffende Artikel zu ‚Post Digital‘ (Strategy Corner, nb 8/2012) hat bereits einige interessante Punkte angesprochen. Ich möchte den Gedanken hier aufgreifen.

Wenn digital tatsächlich allgegenwärtig ist und jede Technologie und jedes Produkt in Zukunft eine digitale Komponente hat, dann bedeutet das zwei Dinge für unsere Disziplin. Erstens: Wir können endlich aufhören, von ‚Digital‘ Planning zu sprechen. Zweitens: Technologie gewinnt an Bedeutung für das Marketing. Auf Kundenseite etabliert sich ‚Marketing Technology‘ nicht umsonst als weitere Disziplin.

Um Marken auch in Zukunft den entscheidenden Vorsprung zu Verschaffen, müssen wir besser verstehen, wie Technologie das Leben der Menschen beeinflusst. In dem Bereich sind in Zukunft die spannenden Insights zu finden .

Wichtig ist dabei zu beachten: Zu viel Technik nervt. Viele Menschen sind mit der rasanten Entwicklung überfordert. Unser Leben wird bestimmt von der Spannung zwischen den Vorteilen von immer mehr Technik und dem persönlichen Bedürfnis nach weniger Technik. Wir wollen Technologien mit mehr Vorteilen für und weniger Anforderungen an uns. Und auch, wenn wir meinen, dass die Vorteile überwiegen, müssen wir uns manche Nachteile eingestehen.

Kevin Kelly argumentiert in seinem Buch ‚What Technology Wants‘ , dass genau 51 Prozent aller Technologien zum Vorteil für uns sind. Der eine Prozent Unterschied ist dabei überproportional wichtig. Er entscheidet über Fortschritt oder Rückschritt. Marken sollten also daran interessiert sein, auf die richtige Hälfte zu setzen. Warum in etwas investieren, das das Leben der Menschen schlechter oder komplizierter macht?

Entsprechend dem berühmten Ford-Zitat kann man die Herausforderung des Marketings heute anscheinend so zusammenfassen: „Die Hälfte meines Technologie-Budgets ist zum Fenster rausgeworfen, ich weiß nur nicht, welche.“ Um unseren Kunden bei dieser Herausforderung zu helfen, sollten wir als Planner Technologie größer fassen und als Ganzes betrachten.

 

Den Nutzen von Technik verstehen

Die Nützlichkeit von Technik liegt in der Erweiterung unserer biologischen Limitationen. Seit der Erfindung der ersten Steinzeitwaffen und der Entdeckung des Feuers haben Technologien Menschen in ihren beschränkten Fähigkeiten erweitert. Nichts anderes machen die neuesten Gadgets heute. Ein Smartphone erweitert unser Leben in vielen Momenten in so vielfältiger Weise, dass es vor fünf Jahren kaum vorstellbar war.

Deshalb können wir uns so schlecht davon trennen. Es wirkt fast banal und trotzdem vergessen wir es häufig: Technologie muss nützlich sein. Wenn es um neue Lösungen geht, muss man nicht gleich bis zur Steinzeit zurückgehen, um zu verstehen, dass wir häufig die Technikbegeisterung der meisten Menschen überschätzen.

 

Einfache Ideen sind immer am besten

Egal ob Kommunikation oder Technologie, es geht nach wie vor um gute Ideen. Genauso wie für Kommunikation gilt: je einfacher, desto besser. Technik ist dann erfolgreich, wenn sie sich komplett unbemerkbar macht und trotzdem unser Leben verbessert. Um nützliche Lösungen zu entwickeln, kann man sich einiges von Disziplinen wie Service- und Produktdesign abgucken. Genau wie im Planning geht es auch da um eine ganzheitliche Betrachtungsweise.

 

Das richtige Territorium abstecken

Erfolgreiche Marken sind dabei, sich konsequent ihr Technologieterritorium zu erarbeiten, so wie bislang ein Kommunikationsterritorium abgesteckt wurde. Die Grenzen zur Produktentwicklung sind dabei fließend. Nike investiert in Technologien rund um die Vermessung von körperlicher Fitness (‚Life is a sport, make it count‘). Automobilhersteller wie Audi entwickeln Lösungen, wie in Zukunft digitale Medien urbane Mobilität beeinflussen und wie sich die Fahrzeuge selbst durch mehr Konnektivität in ein schlaues Verkehrssystem integrieren lassen.

Mittlerweile ist das Auto – nach Smartphones und Tablets – die am schnellsten wachsende ‚Online‘-Produktkategorie. Selbst eine Marke wie Tesco (aus einer vermeintlich technikfremden Kategorie) zeigt, wie sich ein virtueller Store und smarte Apps nahtlos in den Alltag ihrer Kunden und in ihr Geschäftsmodell integrieren lässt. Bei diesen Beispielen geht es nicht nur um einzelne Aktionen, sondern um langfristige Strategien, die dazu beitragen, dass Technologie und Mensch mehr zusammenwachsen.

 

Langfristige Entwicklungen im Auge behalten

Die Symbiose von Mensch und Technik ist dabei erst am Anfang. Klingt philosophisch, ist es auch. Die vier großen Innovationsfelder der nächsten Jahre sind Genetik, Robotik, Informations- und Nanotechnologie (GRIN). Das mag heute noch weit von unserem eigentlichen Aufgabengebiet entfernt sein, aber wenn man erst einmal anfängt, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, stellt man schnell fest: Die Aussage „We are all Cyborgs now“ (Donna Haraway) ist kein Sci-Fi mehr. Vorsprung durch Technik trifft auch auf uns Menschen zu.

Um Unternehmen heute dabei zu helfen, auf die richtigen Technologien zu setzen, sollten wir darauf achten, dass die Ideen nützlich und einfach sind. Für den strategischen Vorsprung einer Marke lohnt sich ein Blick in die Zukunft und darauf, wie sich Technik und Mensch zunehmend ergänzen.

 

 

Foto: „Old radio“ | spacejunkie | photocase.de

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