Machst du Marke? Oder versprichst du weiter nur?

Warum Agenturen für Marken mehr können müssen, als Versprechen zu inszenieren.

Von Wolfgang Andreas Steiner, Strategy Lead Continental Europe bei SapientNitro

 

Wir leben in einem sich permanent ausdehnenden RaumZeit-Marken-Kontinuum, in dem Markenverantwortliche in Unternehmen ein nahtloses Markenerlebnis für ihre Kunden zu erschaffen haben.

 

Markenerlebnis ist mehr als nur Kommunikation 

Verbraucher erleben Marken nicht unterschieden nach Kommunikations- oder Vertriebskanälen oder gar nach Abteilungszuständigkeiten. Entweder die Marke überzeugt im Ganzen – oder nicht. Entweder die Organisation erweist sich als fähig, interaktiv mit Kunden umzugehen – oder sie verliert sie an Wettbewerber, die das überzeugend können.

Das digitale Zeitalter lässt Kommunikation, Produktinformation, Kaufentscheidung und Kundenservice zu einem durchgängigen Erlebnis werden. Und durch den weiteren Vormarsch des mobilen Internets und die wachsende Bedeutung digitaler Handelsunterstützung, wie Kiosk-Systeme oder digitale Beratungshilfen für Verkaufsmitarbeiter, nimmt diese Entwicklung weiter zu.

Um den gestiegenen Erwartungen ans Markenerlebnis gerecht zu werden, ist mehr Leistung gefragt, als eine einzelne Marketingabteilung alleine bewerkstelligen könnte. Ein afrikanisches Sprichwort sagt, es brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Es braucht aber auch das ganze Unternehmen, um ein umfassendes und nahtloses Markenerlebnis zu schaffen.

 

Ruf nach Kollaboration in Unternehmen

Doch anstatt die Markenpräsenz gemeinsam zu verstärken, scheint es oft, dass die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche in real existierenden Organisationen Markenerlebnisse eher brüchig gestalten. Sei es, dass die Produktpräsentation dem Markenversprechen kaum gerecht wird. Oder dass die Erlebnisunterschiede beim Kauf und dem späteren Kundenservice ernüchtern. Denn auch wenn jeder Bereich für sich genommen das Beste versucht – für das Gesamtergebnis ist das selten gut genug. Im Zeitalter der Ein-Klick-Distanz stören Markenbrüche empfindlicher als früher. Markenverantwortliche sollten dennoch nicht versuchen, möglichen organisationalen Hindernissen nur auszuweichen, um irgendwie so zurechtzukommen, sondern im Gegenteil alles daran setzen, den Schulterschluss mit den für ein stimmiges Markenerlebnis relevanten weiteren Unternehmensbereichen zu erreichen.

 

Marketing gewinnt durch ‚Digital‘ an Bedeutung

In diesem Zusammenhang spielt ‚Digital‘ eine Doppelrolle. Denn auf der einen Seite haben die technologischen Entwicklungen die erhöhten Erwartungen an Marken überhaupt erst entstehen lassen. Auf der anderen Seite sorgt ‚Digital‘ aber auch für gänzlich neue Möglichkeiten für das Marketing, um auf der Bedeutungsskala der Unternehmensführung nach oben zu steigen. Die immer größere Durchdringung von Leben und Verhalten von Verbrauchern – und damit auch des Marketings – durch digitale Technologie lassen die Wirkungsbeiträge der Marke auch für Vertrieb, Kundenbindung und -aktivierung  evidenter werden. Die Steuerung des orchestrierten Markenerlebnisses betrifft weite Teile im Unternehmen. Damit erhöht sich für das Marketing die Chance, eine wirklich strategische Führungsrolle im Gesamtunternehmen einzunehmen.

 

Marketing muss neue Kompetenzen beweisen

In seiner Studie ‚The Evolved CMO, 2012‘ untersuchte das international aktive amerikanische Forschungsinstitut Forrester in einer Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Heidrick & Struggles die aktuellen Anforderungen an Marketingverantwortliche. Sie leiten zusammengefasst vier Empfehlungen ab:

1. Marketingleiter müssen ihr digitales und technologisches Wissen aufpeppen.

2. Marketingleiter müssen mit ihren Pendants auf Führungsebene partnerschaftlicher zusammenarbeiten.

3. Die Kundenbindung sollte neben der reinen Kundengewinnung stärker in den Fokus rücken.

4. Die Abstimmung mit Vertrieb und Service muss enger werden, um das Markenerlebnis für Kunden durchgängig sicherzustellen.

 

Kann Ihre Agentur auch Kollaboration?

Die Forderung nach mehr Kollaboration und neuen Kompetenzen auch jenseits der reinen Kommunikation macht auch nicht vor Agenturen halt, wenn diese in Sachen Marke Unternehmen zur Seite stehen möchten. Aber damit begeben sie sich auf fremdes Terrain, denn der Ursprung der Werbeagenturen liegt in ihrer Nähe zu den Medien. Der Anspruch, „Marke zu machen“, wurde daraus begründet, Markenbilder in den Köpfen der Verbraucher durch mediale Berieselung zu erschaffen. Das reale Markenerlebnis als organisationale Leistung in der darüber hinausgehenden Begegnung von Marken und Kunden konnte noch ausgeblendet werden. Doch das funktioniert heute immer weniger.

 

‚Connected Thinking‘ als Schlüsselkompetenz

Die weitere digitale Durchdringung sorgt dafür, dass der Markenerfolg in Zukunft noch stärker vom gelungenen Zusammenspiel von vier entscheidenden Faktoren abhängt:

1. Kommunikation – Der Bedarf, Geschichten zu erzählen, bleibt unverändert hoch: Geschichten, die Kunden berühren, überzeugen und bewegen.

2. Konnektivität – Die Fähigkeit, die Marke über alle Kommunikations- und Vertriebskanäle, online wie offline, konzipieren und realisieren zu können.

3. Prozesse – ‚Digital‘ verändert die Geschäftsmodelle und -prozesse der Marke nachhaltig und bringt neue Chancen und Anforderungen mit sich.

4. Technologie – Eine Marke kann immer nur so gut agieren, wie es die technologische Infrastruktur, auch in komplexen Umfeldern, zulässt.

 

Die Schlüsselkompetenz liegt in der Fähigkeit zur Kollaboration. Die im Vergleich zur Vor-Digitalen-Zeit gestiegene Komplexität lässt sich nicht durch vermeintliche Universalgenies lösen, sondern nur im intelligenten und erprobten Miteinander von Kreation, Strategie, Consulting und Technologie in einer offenen Kultur. Dazu braucht es einen tiefgreifenden Wandel – gerade auch in Agenturen.

 

 

Foto: „Red Arrows“ | liquid-innovations | photocase.de

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