Raum als identitätsstiftendes Merkmal der Marke oder Space Branding

Eine starke Markenstrategie manifestiert authentische Repräsentation nach innen und nach außen. Raum wird als Bühne für Verhalten und Ausdruck bedeutungsvoll: Raum kann Ausdruck der gelebten Unternehmenskultur und Identifikation mit der Marke sein.

Von Stefanie Hubbard-Ford, Freelance Planner, in Kooperation mit CMMaurer

 

Marken sind abstrakt. Ihre Identität entsteht durch eine Vielzahl von Zusammenhängen und in allen Berührungspunkten mit der Marke. Die Summe von Allem bildet das Wesen und die Persönlichkeit einer Marke. Eine Marke ist idealerweise in möglichst vielen ihrer Wertedimensionen übereinstimmend erlebbar. So könnte bei Betreten eines Unternehmens die Marke unverwechselbar sichtbar und spürbar werden. Weitreichend werden Überlegungen angestellt, wie die Klaviatur aller verfügbaren Kanäle zu bespielen ist, um eine Marke authentisch zu positionieren. Missionen, Visionen und Philosophien werden definiert, manifestiert und Strategen befassen sich mit der Frage: Wie attraktiv ist die Marke und was ist der Markenkern? An welcher Stelle und auf welche Weise kann sie wirksam sichtbar gemacht werden? Hier soll der Blick hinter das Offensichtliche gelenkt werden. Eine starke Markenstrategie manifestiert authentische Repräsentation nach innen und nach außen. Raum wird als Bühne für Verhalten und Ausdruck bedeutungsvoll.

 

Darstellung von Identität und Differenz

Welchen Einfluss haben Räume auf Menschen? Bei Betreten von Räumlichkeiten werden alle Sinne berührt. Eindrücke übermitteln Botschaften oder symbolhafte Bedeutungen. Je nach Intensität des Gespürten werden allgemeingültige Verknüpfungen hergestellt oder zielgruppenspezifische Assoziationen ausgelöst.

Repräsentation kann man als die Darstellung gesellschaftlicher Vorstellungen von Identität und Differenz, von Individualität und Abgrenzung verstehen. Identität kann mit bestimmten Attributen der Macht und Symbolen der Autorität ausgedrückt werden. Werte können auch über Besitztümer und Moden vermittelt werden. So hat eine Präsentation ethnischen Schmucks eine andere Botschaft als beispielsweise die Sammlung aktuellen Strandguts.

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Unternehmen, die bei der Umsetzung von Shop Konzepten oder im Messebau Space Branding schon lange sehr erfolgreich einsetzen. Doch wer nutzt wirkungsvoll die Unternehmenszentrale als Epizentrum zum gängigen Ausdruck der Markenidentität? Trendsetzende Unternehmen, unter ihnen auch viele Kreativ-Agenturen verstehen es seit langem, originelle und anziehende Arbeitsumgebungen herzustellen. Doch gelingt hier die Differenzierung zum Mitbewerber? In den meisten Arbeitsorten steckt noch viel Potential und es finden sich wenig differenzierte Arbeitsrealitäten, ganz zu schweigen von der Spürbarkeit und Sichtbarkeit der Markenphilosophie. Es ist an der Zeit, Umgebungen herzustellen, die es vermögen, die Identität der Marke schon bei Betreten des Raums zu fühlen und einzuatmen.

 

Raum als gelebte Unternehmenskultur

Es gibt es keine Anleitung, um Marken ins Räumliche umzudenken und in den Raum zu übersetzen. Mit allem Wissen über die Marke kann es aber gelingen, dem Gefühl auf die Spur zu kommen, wie Markenidentität individuell strategisch umgesetzt werden kann.

Damit ist keinesfalls gemeint, dass das Firmenzeichen nahe der Eingangstür prangt oder die Bildmarke auf einem Broschüren-Ständer in der Eingangshalle sichtbar ist. Auch die mit dem Logo bedruckte Seife auf dem WC, bunt bedruckte Tassen oder Zuckerportionsstäbchen entsprechen nicht einem wirkungsvollen Transport der Markenphilosophie. Störfaktoren in Unternehmensräumen können bei Einzelnen möglicherweise Gefühle von Unwohlsein auslösen. Dies kann ein kränkelnder Gummibaum sein, der schutzschildartig den Arbeitsplatz vor neugierigen Blicken verdeckt. Oder die kopierte Kopie der Kopie an der Tür, die sich auf „Arbeit und Flucht“ bezieht. Diese Liste kann individuell und endlos fortgeführt werden und Beispiele finden sich in der Wirklichkeit oft. Aber all diese reichlich existierenden Beispiele senden Botschaften, hinterlassen einen Eindruck und geben Zeugnis über die Werthaltungen einer Marke. Somit ist das Unternehmen an dieser Stelle keineswegs vom Bürokonzept oder gar von der Grundhaltung und Wertephilosophie des Mitbewerbers zu unterscheiden.

Auch wird es nicht allein ausreichen, Gegebenes im Raum (Wände, Fußböden, Licht, Akustik, Gegenstände) mit den Attributen der Marke zu zieren. Es muss ein subtiles Branding ganzheitlich in Entsprechungen und Nuancen erdacht werden und außergewöhnlich präzise in die individuelle Sprache des Unternehmens übersetzt werden. So können Räume dienen und mit Symbolen für Werte, Missionen und Philosophien Anker setzen, abseits aller gängigen Kommunikationskanäle, direkt am Ursprung der Marken-Entstehung und sämtlicher unternehmensstrategischer Entscheidungen. Der Raum kann demnach Ausdruck der gelebten Unternehmenskultur und Identifikation mit der Marke sein. Eine Marke kann sich auch im Raum darstellen und verhalten, Space Branding ist Kommunikation der Marke und Markenverhalten. Hier kann Einfluss genommen werden auf viele Faktoren, z.B. beim Employer Branding, um qualifizierte Mitarbeiter zu binden und auch um für potentielle Mitarbeiter ein attraktives Erscheinungsbild zu bieten, Differenzierung zum Mitbewerber, soziale und globale Verantwortung.

 

Den Markencharakter in den Raum übersetzen

Jedes Teil der Wertschöpfungskette kann gestaltet und kontrolliert werden, warum nicht auch den Raum als eines anerkennen? Durch eine sinnvolle Nutzung dieses verwaisten Kanals können Botschaften für sich sprechen, die den Kern der Marken-Identität treffen und unmittelbar beim Menschen bestimmte Assoziationen auslösen. Um professionell den Charakter einer Marke in den Raum zu übersetzen und zu transportieren, erfordert es einen Kosmos an Spürvermögen, Empathie, Neugier, Kreativität, Mut und Transferleistung.

Raum als Theater für die Marke!

 

 

 

Foto: „Trepp auf Trepp ab“ | robertmichael | photocase.de

comments powered by Disqus