Das (neue) handlungsleitende Element im Agenturgeschäft: Strategie

Von Sandra Gutmann, Account-Managerin, gkk DialogGroup GmbH, und Studentin an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management in Frankfurt am Main

 

Welche Herausforderungen bringt der digitale Wandel für Unternehmen und Werbeagenturen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Agenturen in Zukunft? Und welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf das Geschäftsmodell „Werbeagentur“ und die Generierung von Agentur-Neugeschäft? Im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management hat sich Sandra Gutmann mit diesen Fragen beschäftigt.

 

Durch die digitale Transformation werden traditionelle Wertschöpfungsketten aufgebrochen, etablierte Produkte werden durch neue ersetzt und langjährige Geschäftsmodelle werden nicht mehr funktionieren. Im Gegensatz zu einzelnen Produkten werden ganze Branchen zwar nicht verschwinden, jedoch an Bedeutung verlieren. Die neue Markt- und Wettbewerbsdynamik fordert Unternehmen sowie Werbeagenturen dazu auf, sich umfassend an die veränderten Bedingungen anzupassen. Belege hierfür gibt es zahlreiche.

 

Transformations-Strategien entwickeln

Die CMOs internationaler Unternehmen kennen zwar die Herausforderungen, die mit der zunehmenden Digitalisierung auf sie zukommen, sie fühlen sich diesen jedoch nicht gewachsen. Insbesondere für die Hauptfaktoren der Digitalisierung fühlen sie sich nicht ausreichend vorbereitet. Als Dienstleistungsunternehmen können gerade Werbeagenturen die Unternehmen im Zuge dieses Wandels unterstützen. So können sie beispielsweise die umfangreiche Analyse der gesammelten Kundendaten oder die Betreuung der Social-Media-Plattformen übernehmen. Die Marketingmanager der Unternehmen benötigen einen Partner, mit dem sie auf Augenhöhe eine Transformations-Strategie entwickeln und umsetzen können. Aus früheren Aufgabenstellungen und Projekten sind Werbeagenturen in diesem Zusammenhang Unternehmen häufig einen Schritt voraus und können dank ihrer Netzwerke die eigenen Kompetenzbereiche erweitern. Mit der Agenturleistung „Strategie“ und der analytischen Fähigkeit eines strategischen Planers sorgen Agenturen als beratender Partner für entscheidende Wettbewerbsvorteile.

 

Trotz scheinbarer Kontrolle stärkere Abhängigkeit

Potenziale für die Gewinnung von Agentur-Neugeschäft sind demnach tendenziell gegeben, allerdings erschweren andere Faktoren der digitalen Transformation den Werbeagenturen den Weg zum Erfolg. Die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Agenturen, die deren Beziehung zugrunde gelegt wird, hat sich weiter ausgeprägt (vgl. Jensen und Meckling (1967): Prinzipal-Agent-Theorie). Die Agenturen verfügen zwar über eine deutlich höher ausgebildete Kompetenz in Themen der Digitalisierung, allerdings machen neue technologische Möglichkeiten die Agenturleistung messbarer und führen somit zu einer strengeren Kontrolle durch das beauftragende Unternehmen. Statt die Agentur zur bestmöglichen Leistungserbringung zu motivieren, nutzen Unternehmen ihre gewonnene Kontrollfunktion, um weiteren Zeit-, Kosten- und Qualitätsdruck auszuüben. Das ursprüngliche Agency-Problem in der Unternehmen-Agentur-Beziehung scheint somit gelöst. In Wahrheit sind die Unternehmen aufgrund ihrer Kompetenz- und Vorbereitungsdefizite im Bereich der Digitalisierung jedoch noch abhängiger von der Unterstützung durch Werbeagenturen.

 

Steigender Zeit-, Kosten- und Konkurrenzdruck

Sowohl der Konkurrenzdruck durch andere Agenturen und Dienstleister als auch der Zeit- und Kostendruck durch den Kunden wird zunehmend stärker. Um die Chance auf Wachstum und Entwicklung nicht zu verpassen, müssen Werbeagenturen neben Kundenprojekten auch ihre eigenen Geschäftsmodelle, Organisationsstrukturen und Arbeitsweisen optimieren. So müssen sie zum Beispiel ihre eigene Organisationsstruktur hinterfragen, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden sowie darüber hinaus in Netzwerken effizient zusammenarbeiten zu können. Auch gehören das Ausprobieren von neuen Arbeitsweisen und -methoden sowie das Herausarbeiten einer Kernkompetenz als Leitfaden für den gesamten Agenturprozess zu den Digitalisierungs-Hausaufgaben einer Werbeagentur. Die Agenturen müssen sich intensiv damit auseinandersetzen, wie sie in Zukunft von den Unternehmen für ihre Leistungen bezahlt werden und mit welchen Leistungen sie sich am Markt positionieren möchten.

 

Gute Strategie als Grundlage

Die ursprüngliche Kernkompetenz vieler Werbeagenturen war Kreativität. Doch diese Kernkompetenz rückt zunehmend in den Hintergrund, da der Markt voll von Anbietern kreativer Ideen ist. Die große Herausforderung für die Kreation ist es, bei der Unmenge an Kanälen und Möglichkeiten, von der Zielgruppe überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Und das kann nur eine relevante und außergewöhnliche Idee auf Grundlage einer guten Strategie leisten. Es besteht demnach eine zwingende Interdependenz zwischen beiden Bereichen. Kreation sollte immer strategisch relevant sein und eine Strategie immer auch kreativ.

Auch die Komponente Effizienz wird kein Alleinstellungsmerkmal mehr darstellen können, denn durch technologische Fortschritte wird die Wirkung von Kommunikation messbar, und je weiter die Digitalisierung fortschreitet, desto messbarer wird die Agenturleistung. Transparenz und betriebswirtschaftliche Überprüfbarkeit werden zum Bemessungsstab für die Qualität und erhöhen den Druck auf die Agenturen. Das gewonnene Wissen veraltet schnell und erfordert regelmäßige Überprüfungen und Optimierungen. Agenturen müssen diese Analysen in ihren Arbeitsweisen berücksichtigen und sich über Vorab-Tests dem optimalen Angebot, Gestaltung oder Ansprache-Konzept strategisch annähern.

 

Der Planner als wichtiges Bindeglied

Die Digitalisierung verändert die Agenturbranche. Um diesen neuen Herausforderungen zu begegnen, könnte Strategie das neue handlungsleitende Element sein, das in den Vordergrund der Agenturprozesse rückt. Denn strategische Planer können aufgrund ihres breiten Blickwinkels und ihrer Fähigkeit, sich in Zielgruppen und andere Branchen hineinzuversetzen, sowohl die erforderlichen Strategien mit den Marketingmanagern der Unternehmen entwickeln. Sie können aber auch agenturintern zwischen Account-Managern und Kreativen vermitteln und stellen so ein wertvolles Bindeglied dar. Strategie bildet in diesem Sinne die Brücke zwischen Kreativität (Ästhetik) und Effizienz (betriebswirtschaftliche Betrachtung).

Die potenziellen Gewinner im branchenübergreifenden Wettbewerb der digitalen, vernetzten Welt werden die Unternehmen sein, die auf die neuen Herausforderungen mit intelligenten und innovativen Konzepten reagieren. Um diese Konzepte entwickeln zu können, benötigen sie einen zuverlässigen Partner, der sie auf ihrer Reise der Digitalisierung begleitet.

 

new business

Erschienen in: new business 14 / 04.04.2016

Foto: hxdyl / shutterstock.com

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