Sei diplomatischer – Die Anwendung von Diplomatie bei der Entwicklung von internationalen Kampagnen

von Michael Bahles, International Brand Strategist und Assistant Professor an der Wirtschaftsuniversität Prag, Fakultät für Internationale Beziehungen

 

Das funktioniert nicht in unserem Markt“ – das ist die Standardreaktion bei der Vorstellung von internationalen Kommunikationskonzepten bei internationalen Stakeholdern. Ähnlich wie in der Diplomatie muss man sehr aufmerksam sein und geschickt agieren, um die internationalen Kollegen bei der Entwicklung einer internationalen Kommunikationsstrategie zu gewinnen. Weil sie ihr Budget in die international entwickelten Kampagnen investieren, ist die Überzeugung der lokalen Kollegen von zentraler Bedeutung. „Manchmal fühle ich mich wie ein Diplomat“, sagt deswegen auch ein Leiter für Internationales Marketing bezüglich seiner Aufgabe bei internationalen Entwicklungs- und Abstimmungsprozessen. Aber wie kann man die gemeinsame Entwicklung optimieren und eine höhere Zufriedenheit der Beteiligten schaffen? Dazu kann man sich der Konzepte und Vorgehensweisen der Diplomatie bedienen. Durch eine Literaturbetrachtung und in qualitativen Interviews wurde identifiziert, wie Diplomaten in internationalen Verhandlungen agieren und wie man zu gemeinsamen Lösungen im Sinne eines „Konsensus“ kommt. Es sollen „Goldene Regeln“ gefunden werden für die internationale Diplomatie und für internationale Abstimmungsprozesse im Marketing.

 

Lehren aus der Welt der Diplomatie

Roberts definiert in dem Standardwerk „Satow’s Diplomatic Practice“ (Roberts, 2009) Diplomatie als „die Anwendung von Intelligenz und Takt, um die Beziehungen zwischen Staaten mit friedlichen Mitteln zu führen“. Das heißt, dass Diplomatie nicht nur die Verwendung von Intelligenz ist, sondern auch von Fingerspitzengefühl bei der internationalen Zusammenarbeit. In diesem grundlegenden Buch gibt es auch einige allgemeine Ratschläge für Diplomaten bezugnehmend auf den berühmten Diplomaten Callières in seinem Werk „De la manière de négocier avec les souverains“: „Ein guter Verhandlungsführer sollte genügend Selbstkontrolle besitzen, nicht zu sprechen, ohne sich zu fragen, was er zu sagen hat. Jemand, der Selbstbeherrschung und Gelassenheit unter Druck zeigt, hat einen großen Vorteil in Verhandlungen gegenüber jemanden, der lebhaft und feurig ist. Um in diesem Beruf erfolgreich zu sein, muss man viel weniger sagen als zuhören. Ein weiser und fähiger Diplomat muss sich über die Sitten und Gebräuche des Landes informieren, in dem er lebt, und keine Abscheu oder Verachtung für sie hegen. Er muss die Geschichte des Landes, in dem er ansässig ist, wissen oder lernen. Es ist eher ein Vorteil für einen Verhandler, sein Geschäft mündlich durchzuführen. Auf diese Weise hat er mehr Gelegenheit, die Gefühle und Ziele seiner Gesprächspartner zu verstehen, um seinen eigenen Argumenten mehr Nachdruck zu verleihen. Eines der größten Geheimnisse der Verhandlung ist zu wissen, wie man sich in den Geist des Gesprächspartners hineinversetzt, um Tropfen für Tropfen herauszudestillieren, worum es dem Konterpart wirklich geht.“

Mit anderen Worten: Ein Diplomat ist erfolgreich, wenn er oder sie sehr einfühlsam auf den Kontext und die Bedürfnisse der anderen Seite eingeht. Diplomaten sollten die lokalen Gegebenheiten und sogar die geschichtlichen Hintergründe verstehen und sich sehr gut vorbereiten. Persönliche Kommunikation ist immer besser, um ein ganzheitliches Verständnis der Situation zu erhalten und um Missverständnisse zu vermeiden.

Das ist auch, was die internationalen Diplomaten in Interviews angegeben haben: In der Diplomatie ist es wichtig, immer professionell und höflich zu sein, aber mit einem starken Willen und einer klaren Absicht. „Diplomaten sind immer sehr freundlich und höflich.“ – „Seien Sie höflich, aber stark.“ Man muss flexibel sein und sich den neuen Entwicklungen anpassen. „Diplomatie ist die Fähigkeit, sich an unterschiedliche Situationen anzupassen.“ Aber dazu muss man sich im Vorfeld gut vorbereitet haben. Je mehr man über das Thema und das Gegenüber weiß, desto besser. „Kennen Sie das Problem. Seien Sie vorbereitet.“ – „Sie müssen die verschiedenen Beteiligten kennen.“ Darüber hinaus sind nicht nur die offiziellen Treffen wichtig. Manchmal sogar noch wichtiger sind die Diskussionen und der Austausch vorher oder nachher. „Parallel zu den offiziellen Gesprächen gibt es informelle Allianzen und informelle Gruppen.“ Dann ist es wichtig, dass die gemeinsamen Ergebnisse genau definiert und dokumentiert werden. „Das Protokoll ist sehr wichtig. Alles wird dokumentiert und schriftlich festgehalten.“ In der internationalen Diplomatie kann eine gemeinsame Lösung eine längere Zeitspanne beanspruchen. Denn: „Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist.“ Auch in der internationalen Diplomatie ist es oft der Fall, dass nicht jeder am Ende zufrieden sein kann. „Eine allgemeine Regel: Niemand ist zufrieden, aber jeder kann damit leben. Es geht darum, einen Konsens zu erzielen.“ In den Diskussionen und Debatten muss man sehr bewusst kommunizieren. Man muss seine Worte und Argumente mit Bedacht auswählen. „Denken Sie zweimal, bevor Sie etwas sagen. Es ist wichtig, zu verstehen, was die Vision hinter den Handlungen der anderen ist.“ Dazu muss man ein sehr guter Kommunikator sein. „Haben Sie eine überlegene Rhetorik.“ In diesem Zusammenhang muss man auch über die unterschiedlichen kulturellen Kommunikationsstile der internationalen Kollegen Bescheid wissen. „Kennen Sie kulturelle Unterschiede und die lokale Mentalität der Menschen.“ Insgesamt muss man flexibel und kreativ in der Lösungsfindung sein, aber im Rahmen der festgelegten Ziele. „Seien Sie offen und flexibel, aber wissen Sie die roten Linien Ihres Landes.“ Das heißt, für das Internationale Marketing muss man empathisch, eloquent, kreativ und offen für neue gemeinsame Lösungen sein, im Sinne der übergeordneten zentralen Marketingziele.

 

Die „12 goldenen diplomatischen Regeln“ für das internationale Marketing

Zusammenfassend lassen sich folgende „Goldene Regeln“ für die internationale Zusammenarbeit in der Diplomatie und Marketingpraxis festhalten. Diese Grundsätze können als allgemeine Richtlinien bei der Arbeit an internationalen Projekten mit Kollegen aus verschiedenen Ländern helfen.

  1. Nimm die internationalen Kollegen ernst und habe Respekt.
  2. Involviere die internationalen Kollegen früh, damit sie sich als Teil der Entwicklung fühlen und mit ihrem lokalen Wissen über den Markt zur Lösung beitragen.
  3. Schaffe Vertrauen und eine persönliche Bindung mit den internationalen Kollegen; auch: sei stets professionell und höflich, aber mit einem starken Willen.
  4. Berücksichtige kulturelle Unterschiede in der Kommunikation und in der Zusammenarbeit.
  5. Achte auf „informelle Allianzen“ und berücksichtige sie im Abstimmungsprozess.
  6. Sei transparent über die gemeinsamen Ergebnisse und dokumentiere sie immer in schriftlicher Form.
  7. Sei führungsstark, aber mit einer hohen Empathie, um den Kontext und die Interessen der internationalen Kollegen zu verstehen.
  8. Antizipiere, was den lokalen Akteuren wichtig ist – verstehe, was hinter ihrer Argumentation steckt.
  9. Habe Geduld und höre gut zu, bevor du sprichst.
  10. Sei flexibel und offen, aber klar über das Ziel.
  11. Sei auf die möglichen Ergebnisse und Diskussionen vorbereitet (denke mögliche Entwicklungen als Szenarien voraus).
  12. Finde neue gemeinsame Lösungen und schaffe dadurch eine Win-win-Situation als gemeinsamen zufriedenstellenden „Konsens“.

 

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Erschienen in: new business 16 / 18.04.2016

Foto: AllzweckJack / www.photocase.de

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