Think Big Business

Warum Planner mehr wie Unternehmer denken müssen.

Von Anja Schüling, Leitung Strategische Planung, Freunde des Hauses (Hirschen Group), Hamburg.

 

Das Szenario ist uns bekannt: Alles ist digital. Alles ist vernetzt. Alles ist komplex. Aber ist uns klar, was das für die Strategische Markenplanung bedeutet?

Durch die Digitalisierung hat sich die Art und Weise, wie Menschen Marken wahrnehmen, grundlegend geändert: Menschen erwarten von der Marke eine 24/7-Verfügbarkeit – die Marke soll genau im richtigen Moment zur Stelle sein, sich flexibel in jede Situation einfügen und echten Mehrwert liefern.

Folglich muss eine Marke, die Erfolg haben will, immer mehr als selbstständige Business-Unit agieren. Sie muss sich bei unterschiedlichen Themen, an verschiedenen Orten und in all ihren Facetten authentisch bewegen können – wie ein selbst lernendes System, das sich situativ und gemeinsam mit den Menschen weiterentwickelt. Die Marke muss dabei in der Lage sein, anlassbezogene, individuelle Angebote zu machen und Lösungen anzubieten, die perfekt passen.

 

Komplexer und unberechenbarer

All das macht die Marke und unsere Arbeit als Strategische Planer in Marken-, Kommunikations- und Contentagenturen komplexer und weniger berechenbar. Längst sind die Zeiten vorbei, wo es eine in sich geschlossene kommunikative Aufgabe gab, die mit einem spitzen Consumer Insight, einer Single Minded Message und einer aufmerksamkeitsstarken Kampagne zu lösen war. Heute braucht es eine vielschichtigere und dabei ganzheitlichere Herangehensweise, um all die Parameter zu erfassen, die für den Markenerfolg wichtig sind. Es gilt, die Marke in ihrem gesamten Ökosystem zu erfassen und in Business-Opportunities und entsprechenden Lösungen zu denken und zu handeln. Wir sollten dabei wie Unternehmer vorgehen – wie Entrepreneurial Planner, um unsere Kunden bei der Lösung ihrer komplexen Business-Herausforderungen nachhaltig zu unterstützen. Letztendlich geht es darum, unsere strategisch-kreativen Potenziale viel weiter zu spielen als in Account- und Kommunikations-Disziplinen. Folglich stellt sich die Frage: Was zeichnet einen Entrepreneurial Planner aus? Dazu braucht es in meinen Augen drei Kernkompetenzen.

 

Kernkompetenzen eines Entrepreneurial Planners

1. Der Entrepreneurial Planner kennt das Business-Modell des Kunden – und nicht nur sein Markenmodell:

Die Marke ist mehr als ihr Markenmodell. Um die Marke unternehmerisch zu erfassen, müssen alle am Markenbildungsprozess Beteiligten in die strategischen Überlegungen mit einbezogen werden: Forschung und Entwicklung, Marketing, Vertrieb, Lieferanten und natürlich die Mitarbeiter. Wir müssen verstehen, wie die Marke überhaupt Geld verdient. Mit welchen Kunden und über welche Absatzwege macht sie den meisten Umsatz? Was ist ihr Business-Modell: Ist sie Preisführer wie beispielsweise Aldi? Oder Qualitätsführer wie Edeka? Oder ist sie Innovator eines neuen Einkaufskonzepts wie das Kochhaus, was sich als begehbares Rezeptbuch positioniert? Es ist wichtig, nicht nur ein „Gespür“ für all diese Aspekte zu haben. Wir müssen vielmehr den Masterplan kennen – nur so haben wir einen elementaren Einfluss auf das Verhalten und die Leistung der Marke am Markt.

2. Der Entrepreneurial Planner denkt unternehmerisch kreativ:

Kreativität ist die Kernkompetenz von Agenturen und sollte auch Dreh- und Angelpunkt bei der Identifizierung von Business-Opportunities sein. So bietet sich dem Entrepreneurial Planner die große Chance, unternehmerische Denke, Mafo-Erkenntnisse und Kreativität miteinander zu verbinden und im Gesamtteam zu einer Art „Opportunity Planner“ zu werden.

Kreativität ist dabei „nur“ Mittel zum Zweck: Eine kreative Idee ist erst dann wirklich gut, wenn sie ihr Ziel erreicht – nämlich messbare Erfolge zu liefern. Hier kann der Entrepreneurial Planner einen entscheidenden Beitrag leisten. Er kann beispielsweise seine unternehmerische Denke für Überlegungen einsetzen wie

  • welche Trends die Marke selbst setzen kann,
  • welche Produktinnovationen sie voranbringen,
  • welche neuen Verwendungsanlässe geschaffen werden können,
  • inwieweit die Verpackung selbsterklärender gestaltet werden kann,
  • wo Potenziale für neue Vertriebswege liegen.

Der Entrepreneurial Planner ist daher mehr als der „Anwalt des Verbrauchers“, wie es früher oft definiert wurde. Seine Aufgabe liegt darin, „Unternehmer der Marke“ zu sein, ihr wahrer (An-)Treiber.

3. Der Entrepreneurial Planner vertraut Taten mehr als Worten:

Vertrauen entsteht dadurch, dass der Mensch sich auf das Versprechen der Marke verlassen kann. In der Realität klafft jedoch häufig eine große Lücke zwischen dem, was die Marke ausmacht, dem, was sie sagt, und dem, was sie schließlich tut. Das ist gerade im heutigen Echtzeit-Informationszeitalter fatal. Die Marke wird sofort als unglaubwürdig und nicht authentisch entlarvt.

Der Entrepreneurial Planner beschränkt sich daher in seiner täglichen Arbeit nicht auf die eine große Botschaft, die dann in einer häufig modellhaften, idealisierten Customer Journey durchdekliniert wird. Vielmehr wird er selbst aktiv und probiert aus, ob die Marke hält, was sie verspricht: als Mystery Shopper, Produkttester und Kundenmeinungs-Barometer. All diese Erfahrungen teilt der Entrepreneurial Planner mit seinem Auftraggeber – das erfordert Offenheit und Mut, insbesondere wenn vielleicht nur eine Werbekampagne gebrieft wurde und der Kunde gar nicht in einen kritischen Dialog einsteigen möchte. So beweist der Entrepreneurial Planner unternehmerische Denke und baut auf lange Sicht Vertrauen beim Auftraggeber auf. Denn eines ist klar: Wenn Marke und Produkt nicht das leisten, was sie versprechen, so kann das keine Werbekampagne dieser Welt ausmerzen!

 

Überall Möglichkeiten

Abschließend sei gesagt: Für uns Planner – und natürlich für die ganze Agenturlandschaft – ist eine unternehmerischere Haltung essenziell. Wir müssen gleichzeitig Ideengeber, Controller, Vertriebler und Endnutzer der von uns betreuten Marken sein. Oder wie es die US-amerikanische Journalistin Soledad O’Brien formuliert:

„Being an entrepreneur is a mindset. You have to see things as opportunities all the time.“

 

new business

Erschienen in: new business 36 / 05.09.2016

Quelle Titelbild:Jaggat Rashidi/shutterstock.com

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