Creative Brief Reloaded – eine Tool-Übersicht

Eine zentrale Herausforderung für Kommunikations-Strategen besteht darin, den identifizierten Strategie-Ansatz in eine strukturierte Form zu bringen. Während die Grundstruktur des Creative Brief dafür immer noch eine solide Basis darstellt, stehen heute viele, teilweise hochkomplexe Tools bereit, um diese inhaltlich zu füllen.

Von Knut Riedel, freier Strategy Director, Hamburg, und Vorstand der APG Deutschland.

 

Nachdem die ersten Planner noch ohne formalisierte Briefing-Dokumente auskamen, wurde in den 1970er-Jahren mit dem Creative Brief das Standard-Tool zum Kampagnen-Briefing entwickelt und nahezu jede Agentur versuchte sich seitdem daran, ein ideales Formular zu entwickeln. In den 1990ern wurde das Schema sogar von großen FMCG-Unternehmen zur dauerhaften Definition ihrer Marken adaptiert (siehe der Unilever Brand Key) und zog so auch in die akademische Marketing-Lehre ein (siehe Eschs Marken-Steuerrad).

Mit den 2000ern kam der klassische Creative Brief allerdings zunehmend an seine Grenzen, denn in einer deutlich komplexeren Kommunikations-Landschaft folgten Marken-Auftritte immer weniger der linearen Argumentations-Logik klassischer Werbung, wie sie der klassische Creative Brief abbildet (Insight, Promise, Reason-Why, Tonality). Für Websites etwa muss prinzipiell unendlicher Content zielgerichtet fokussiert und die Interaktion mit dem User vorweg genommen werden. Content-Marketing, z. B. in PR, Corporate Publishing und Social Media, verlangt weniger exakte Botschaften als ein grobes Umreißen geeigneter Themenfelder und die Definition einer Haltung gegenüber der Welt. Und in mehrstufigen Marketing-Kampagnen mit Dutzenden Touchpoints geht es nicht mehr um das stumpfe Penetrieren genau einer zentralen Aussage, sondern um eine differenzierte Planung, wann wo wem wie viel mit welchen Anschluss-Möglichkeiten dargeboten werden soll.

Die folgende Sammlung gibt einen Überblick darüber, welche Tools man verwenden kann, um Antworten auf die nach wie vor gültigen Grundfragen des Creative Brief nach dem „Wen“, „Was“, „Wie“ und „Wo“ zu geben. (Wobei die Kategorien Hintergrund, Aufgabe, Ziel und Beschränkungen hier bewusst ausgespart werden.)

 

Die Tools

Das Spektrum reicht von Tools mit eher simplen Formaten, die inhaltliche Aspekte einfach listenartig nebeneinanderstellen, zu integrierenden Formaten, die diese verknüpfen und damit mehr als die Summe der Teile darstellen.

Die simpelste Form der Beschreibung der Zielgruppe ist die Aufzählung von Merkmalen in Form eines Steckbriefs. Ihre psychologische Disposition kann einem spezifischen problembezogenen Insight verdichtet werden. Integrierter sind die Darstellung als Lebenswelt-Typen (Sinus, Sigma etc.) oder die Konstruktion komplexer Personas mit konsistenten Persönlichkeits-, Ziel- und Handlungsrahmen.

Die Strukturierung der zu kommunizierenden Inhalte ist das komplexeste Feld im Briefing. Eine Marke kann etwa mit einem Werte-Set grob beschrieben werden, zum Beispiel in Design-Briefings, wo es „nur“ um eine formale Ausgestaltung geht. Themen-Sets bieten sich bei Content-Strategien an, wo es um die kontinuierliche Bearbeitung spezifischer Kompetenz-Felder geht. Positioning-Statement, Kernsatz und Kreativ-Sprungbrett eint, dass sie den strategischen Ansatz in einen einzelnen Satz kondensieren; die beiden ersten eher nüchtern-deskriptiv, der letzte bereits richtungsweisend für die Umsetzung. Das Klassische Konzept stellt eine (psycho-)logische Argumentations-Kette dar: Gegenüber einer Befindlichkeit der Zielgruppe (Insight) wird ein Lösungsversprechen formuliert (Promise), dessen Einhaltung durch nachvollziehbare Fakten untermauert wird (Reasons-to-Believe); mitunter wird auch vom Effekt her gedacht und der Fokus auf die Definition der gewünschten Zielgruppen-Reaktion (Expected Response) gelegt. Content-Architekturen sind zum Beispiel die Sitemaps von Websites, die eine Priorisierung und hierarchische Ordnung komplexer Inhalte „navigierbar“ machen. Eine Kampagnen-Architektur (oft verbunden mit einer Touchpoint-Dramaturgie) definiert schematisch, wann wem welche Informationen dargeboten werden sollen (Phasenplan) bzw. in welcher Tiefe und mit welchen Verweisen auf andere Kampagnen-Elemente (Message-Kaskade).

Bei der Definition der Anmutung eines Marken-Auftritts ist eine simple Form, den gewünschten Stil bzw. die Tonalität verbal mit einer Adjektiv-Liste zu umreißen. Metaphern (z. B. „wie eine Achterbahnfahrt“) vermitteln dies mit Beispielen aus einer anderen Erlebnissphäre. Mood-Collagen geben durch Auswahl und Montage nonverbaler Beispiele einen sinnlichen Eindruck des Angestrebten. Eine (Marken-)Persönlichkeit als Spezialfall der Metapher kann helfen, den gewünschten Interaktionsstil vorwegzunehmen, und ist daher speziell für Dialog-Kommunikation interessant.

Die Planung der eingesetzten Kommunikationskanäle (Channel Planning) ist ein weiteres Arbeitsfeld für Kommunikations-Strategen – im Übergangsfeld zur Media-Planung arbeiten Planner hier eher qualitativ und weniger detailliert. Eine simple Form der Darstellung ist eine pure Aufzählung des Medien-Mix, eventuell ergänzt um die Funktionen der einzelnen Medien und ihre Gewichtung. Komplexer und integrierender ist die Touchpoint-Dramaturgie, die die gewollte Struktur der Customer Journey bzw. (kombiniert mit einer Kampagnen-Architektur) den dynamischen Aufbau der Customer Experience definiert.

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Der klassische Creative Brief war gestern. Knut Riedel ordnet moderne Tools der Strategischen Kommunikations-Planung

 

„A fool with a tool is still just a fool.“

Die Herausforderung im Umgang mit den dargestellten Tools liegt nicht nur in ihrer richtigen „Bedienung“, sondern auch in der Entscheidung, welche Kombination jeweils am besten passt. Entscheidend ist, was dem Projektkontext angemessen ist (Aufgabe, Umfang, Strategie-Budget), welche „Flughöhe“ die richtige für die Diskussion mit dem Kunden ist, und welche Form für die Umsetzer am inspirierendsten wirkt.

 

 

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Erschienen in: new business 40 / 04.10.2016

Quelle Titelbild:MagMac83shutterstock.com


 

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