Hören ist das neue Sehen

Der Begriff „Audio“ geht aufgrund vielfältiger digitaler Angebote über Radio und Hörfunk hinaus. Das ist auch für Werbetreibende interessant, zumal die Audio-Werbung immer stärker datengetrieben funktioniert und Podcasts eine Blüte erleben.

Von Frank Bachér, Geschäftsleiter Digitale Medien bei RMS, Hamburg

 

Wenn sich eine Branche wandelt, kann man das häufig nicht zuletzt an den Begriffen ablesen, die kursieren. Bei uns ist es ganz ähnlich: Wir sind heute ausdrücklich in der AUDIO-Werbung zu Hause. Der Begriff „Audio“ geht bewusst über Radio und Hörfunk hinaus – ohne diese Medien ins Abseits zu stellen. Es geht darum zu zeigen, dass der klassische Hörfunk heute längst ergänzt wird durch vielfältige digitale Angebote, die von den Nutzern immer stärker angenommen werden – und somit auch für Werbetreibende hochrelevant sind.

Insofern erlebt die Audiobranche gerade äußerst spannende Zeiten: Vieles ist im Umbruch, anderes bleibt genauso gültig wie zuvor. In drei Bereichen werden die Auswirkungen der rapide voranschreitenden Digitalisierung im Bereich Audio besonders deutlich:

  1. Vielfalt und Nutzung digitaler Audio-Angebote nehmen rasant zu.
  2. Podcasts erleben eine Renaissance bzw. ihre erste echte Blüte.
  3. Die Audio-Werbung wird datengetrieben und sieht faszinierenden technologischen Innovationen entgegen.

 

Der digitale Nutzer in seiner Audiosphäre

Die Nutzung von mobilen Endgeräten (allen voran Smartphones) in Verbindung mit schnellen Datenverbindungen hat die Audio-Nutzung der Menschen in den vergangenen Jahren revolutioniert. Den „Walkman“ in allen Ehren, aber heute ist es dank iPhone und Co. so einfach wie noch nie zuvor, jederzeit und überall Audio-Inhalte abzurufen und sich so eine individuelle Audiosphäre zu schaffen. So können Nutzer im einen Moment ihre individuelle Lieblingsmusik und im nächsten den Livestream ihres lokalen Radiosenders hören – oder sie rufen die aktuelle Folge ihres Lieblingspodcasts ab. Eine US-amerikanische Studie von Edison Research aus diesem Jahr zeigt den Zusammenhang zwischen Geräten und Nutzung sehr deutlich: Je größer der Anteil der Smartphone-Besitzer in der Bevölkerung in den vergangenen acht Jahren wurde, desto größer wurde auch die Zahl derjenigen, die Online-Audio-Angebote nutzen. Heute besitzen ca. 81 Prozent der US-Amerikaner ein Smartphone und 61 Prozent nutzen mindestens einmal monatlich Online-Audio.

Quelle: Studie „The Infinite Dial 2017“, Edison Research

 

Und die Publisher bzw. die Anbieter von Audio-Anwendungen reagieren darauf. Online-Audio umfasst heute eine große Bandbreite unterschiedlichster Arten, wie Inhalte abgerufen werden können: Dazu zählen sowohl die Livestreams klassischer Radiosender, Online-Only-Sender, Audio- und Music-on-Demand-Angebote oder auch Aggregatoren, die verschiedensten Audio-Content in einer Anwendung bündeln.

Der „Webradiomonitor 2017“ hat kürzlich erneut das rasante Wachstum der Online-Audio-Nutzung in Deutschland aufgezeigt. 57 Prozent der Anbieter von Online-Audio-Angeboten verzeichneten im Jahresvergleich steigende Abrufzahlen. Besonders die jüngeren Nutzer tragen hierzu bei: 62 Prozent der 14- bis 17-Jährigen gaben in der Befragung an, dass sich ihre Nutzung im vergangenen Jahr erhöht habe.

 

The Return of the Podcast

Das Radio gilt seit langer Zeit als ein Begleitmedium. Umso spannender ist, dass im Bereich Online-Audio laut „Webradiomonitor“ diejenigen Inhalte das stärkste Wachstum verzeichnen, die aktives Zuhören verlangen – zum Beispiel Unterhaltung und Comedy (+ 47 Prozent) sowie Hörspiele und -bücher (+ 32 Prozent). Hieran dürfte vor allem eine Form von Inhalten einen großen Anteil haben, die vor einigen Jahren bereits als abgeschrieben galt: der Podcast.

In den USA hören laut „The Infinite Dial 2017“ in diesem Jahr 40 Prozent der Menschen über 12 Jahren Podcasts. Das sind 112 Millionen, von denen 42 Millionen sogar wöchentlich hören. Auch in Deutschland ist der Trend deutlich spürbar. Laut Facit Research und der Kollegen von AS&S hören 78 Prozent der 18- bis 35-Jährigen hierzulande Podcasts – mehr als die Hälfte davon tut dies wöchentlich.

Entsprechend stark wächst die Vielfalt der Angebote. Podcasts besetzen manchmal thematische Nischen – wie zum Beispiel rechtsbelehrung.com, ein Podcast zu juristischen Themen, der 10.000 Abonnenten aufweist. Gleichzeitig gibt es viele große und etablierte Publisher, die neue Angebote auf den Markt bringen. Insbesondere klassische Zeitungen und Zeitschriften sind in den vergangenen Monaten mit eigenen Podcast-Angeboten gestartet, so zum Beispiel Bild, Der Spiegel, Die Zeit und die Rheinische Post.

Mit der steigenden Reichweite sind Podcasts längst auch für Werbetreibende interessant geworden. Eine Möglichkeit der Monetarisierung stellen „native“ Werbeformen dar, die sich direkt in die Sendung einfügen, indem beispielsweise der Moderator die entsprechenden Inhalte vorträgt. Die Einbindung von Werbung in Podcasts kann darüber hinaus durch eine technische Lösung erfolgen: Über einen Ad-Server ist die Einbindung sehr einfach sowie ohne Mehrkosten für den Publisher möglich. Dennoch funktioniert sie sowohl beim Streaming als auch wenn der Podcast heruntergeladen wird. Die Monetarisierung von Podcast-Inhalten wird damit künftig für die Publisher erheblich vereinfacht und die Angebotsvielfalt dürfte noch weiter wachsen. Und gleichzeitig erhalten Werbetreibende Zugang zu Premium-Zielgruppen, die sich meist durch eine hohe Bildung, ein hohes Einkommen und eine hohe Mediennutzung auszeichnen.

 

Audiowerbung unterwegs in Richtung Zukunft

Apropos Werbetreibende: Von so viel Bewegung im Audiomarkt profitieren sie entscheidend. Mit der richtigen Vermarktungsstrategie können sie mit sehr individuellen Botschaften in die persönliche Audiosphäre der Nutzer eindringen. Auch Online-Audio funktioniert längst datengetrieben und ermöglicht so eine sehr feine Zielgruppenansprache. Tatsächlich hat Online-Audio inzwischen mit den „etablierten“ digitalen Kanälen im Hinblick auf Interaktivität, Messbarkeit und Targeting-Möglichkeiten gleichgezogen. Dazu hat es im Gegensatz zu Display-Formaten klare Vorteile: Online-Audio-Ads sind nicht von Ad Fraud oder Bot Traffic betroffen und genießen eine hundertprozentige Sichtbarkeit – oder besser gesagt „Hearability“. Und weiterhin ist eines der stärksten Argumente für Audio im Smartphone-Zeitalter sicherlich, dass es als einziges Werbeformat auch bei der passiven Nutzung von Geräten, zum Beispiel unterwegs beim Musikhören, die Werbebotschaft an die Zielperson heranträgt.

Zu guter Letzt: Auch aus einem weiteren Grund kann 2017 als ein Meilenstein für Audiowerbung gelten: Gemeinsam mit dem britischen Anbieter A Million Ads haben wir die technischen Voraussetzungen geschaffen, um in Deutschland Dynamic-Creative-Audioformate auszuspielen. Auf Basis von Nutzerdaten können Werbetreibende somit innerhalb einer Kampagne dynamisch erzeugte Elemente mischen und personalisierte Audiospots in einer Vielzahl von Kombinationen kreieren – bestmöglich zugeschnitten auf den Empfänger. Verbunden mit sprachgesteuerten Assistenten wie Alexa und Co. wird Audio erstmals zu einem eigenständigen Interaktionskanal. Statt eines Klicks auf ein Banner braucht es nur noch ein Wort ins Mikrofon, um einen Call to Action auszuführen. Suchanfragen werden inzwischen nicht eingetippt, sondern angesagt. Die Antwort erfolgt ebenfalls durch Sprachausgabe. Somit ist Hören schon heute das neue Sehen. In Zukunft sollten Werbetreibende und Publisher diesen Trend unbedingt für sich nutzen und ihre Marke hörbar machen.

 

new business

Erschienen in: new business   Nr. 45/06.11.2017

Quelle Titelbild: NejronPhoto@shutterstuck.com

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