Karriere in Zeiten von New Work – „Go big or go home“?

Karriere machen als Strategin oder Stratege – nicht ohne die richtigen Arbeitgeber im Lebenslauf? Das geht auch anders. Antje Kroon erläutert, weshalb sie regelmäßig lukrative Angebote ausschlägt und warum New Work dabei eine große Rolle spielt.

Von Antje Kroon, Strategic Planner bei zwhy GmbH, Member of the Ministry Group, Hamburg.

 

Die Agenturwelt im Wandel

Hohe Fluktuation, Kostendruck, Projektgeschäft – immer schneller, weiter, höher: Die Agenturbranche hat sich in den letzten Jahren gewandelt, und das leider nicht immer zum Positiven. Der Fachkräftemangel ist auch in dieser Welt angekommen, die schon längst nicht mehr so schillernd und extravagant ist wie in der US-amerikanischen Fernsehserie „Mad Men“. Insbesondere bei den Strategen fehlt der Nachwuchs, was auch daran liegt, dass es hierfür keine explizite Ausbildung gibt und potenzieller Nachwuchs überhaupt erst einmal von diesem Berufsbild erfahren muss. Und selbst wenn sich junge Leute dafür entscheiden, den Weg eines Strategic Planners einzuschlagen, fehlt es oft daran, dass jemand diese Fachkräfte von morgen ausbildet. Und so „wurschteln“ sie sich durch, bis sie frustriert sind und die Agentur wechseln (new business 12/2018).

„Go big or go home“ als einziges Qualitätssiegel für Strategen?

„It’s better to hang out with people who are better than you“ sagte bereits Warren Buffett. Und so entsteht der Eindruck, dass man vor allem in der Agenturbranche nur dann etwas wird, wenn man die großen Agenturnamen in seinem Lebenslauf stehen hat oder die Zusammenarbeit mit bekannten „Strategy Directors“ vorweisen kann. Auf der einen Seite gibt es immer noch den Begriff „Karriere“, der so definiert wird, dass Arbeitnehmer möglichst anerkannte Namen im Lebenslauf vorweisen müssen, um interessant zu sein. Auf der anderen Seite wissen die Arbeitgeber, dass sie in Zeiten von Fachkräftemangel mehr für ihre Mitarbeiterbindung tun müssen.

Der Karrierebegriff in Zeiten von New Work

Aber was passiert mit dem Begriff „Karriere“, wenn die Mitarbeiterbindung tatsächlich fruchtet oder New Work Wirklichkeit ist? Wenn der Nachwuchs keine Lust mehr hat, ständig den Arbeitgeber zu wechseln, weil er in dem einen Unternehmen glücklich ist? Wenn die einzige Antwort auf die vielen Headhunter-Nachrichten ein „Danke für das Angebot, aber nein“ ist?

Ein Erfahrungsbericht

Seit fast drei Jahren bin ich als Strategic Planner bei der Werbeagentur zwhy, Teil der ersten New Work Agency Group Deutschlands, der Ministry Group. Es ist mein erster Job als Strategin, vorher war ich Projektmanagerin. Als ich den Job antrat, bestand das Strategie-Team nur aus einem Kollegen und mir. Und auch ich habe mich oft „durchgewurschtelt“ – aber nicht, weil ich als Zuarbeiterin fungierte, sondern weil ich mir meinen Job so gestalten konnte und kann, wie ich es möchte. Das ist natürlich das maximale Maß an Freiheit – und vor allem am Anfang sehr überfordernd. Irgendwann wurde mir aber klar: Wie soll ich wissen, was ich tue, wenn ich keinen Senior Planner an der Seite habe, der mir hilft? Wie kann ich besser werden?

Ist ein Arbeitgeberwechsel der einzig richtige Weg?

Genau hier kommt New Work ins Spiel: Am selben Abend habe ich genau dieses Gefühl einem unserer Geschäftsführer gegenüber geäußert. Bei uns gibt es kein Hierarchiegefälle und all die damit verbundenen Ängste. Genauso ehrlich, wie ich ihm sagen konnte, dass ich mehr Orientierung brauche, antwortete er mir: „Sag mir, was wir tun können, wir wollen dich nämlich nicht verlieren.“ So eine Wertschätzung in diesem Moment, da war für mich klar: Ein Wechsel in eine andere Agentur kommt für mich nicht infrage. Ich bin glücklich bei meinem Unternehmen, hier möchte ich bleiben. Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die darin bestand, dass ich einen externen, erfahrenen Mentor an die Seite gestellt bekommen habe. Mit ihm konnte ich mich wöchentlich austauschen. Inzwischen fühle ich mich so sicher, dass ich ihn nur noch bei tiefer gehenden Fragen um Rat frage.

Inzwischen bin ich natürlich auf dem Arbeitsmarkt als erfahrene Strategin gefragt und erhalte regelmäßig Anfragen von Headhuntern und anderen Agenturen. Und jedes Mal lautet meine Antwort: „Danke für das Angebot, aber hier warten immer noch genug Herausforderungen auf mich.“ Denn das ist meine Definition von „Karriere“: Es muss nicht immer nur nach oben gehen. Karriere geht auch nach links und rechts. Das bedeutet für mich: Ich kann meinen Job so machen, wie ich es möchte. Ich übernehme selber Verantwortung und trage aktiv dazu bei, dass sich dieses Unternehmen weiterentwickelt. Nach drei Jahren steckt bereits viel Herzblut von mir in dieser Firma und ich sehe jeden Tag, welchen Teil ich dazu beitrage.

Die Kehrseite meines Karrierebegriffs

Es ist natürlich toll, dass ich mit Ende zwanzig einen tollen Arbeitgeber gefunden habe. Nur leider kollidiert mein Karrierebegriff oft mit dem dort draußen. Ich bin häufig auf Werber-Veranstaltungen – dass dort auch „hochkarätige Strategen“ sind, steht außer Frage. Immer wieder erlebe ich, dass ich nicht interessant genug bin, um sich mit mir zu unterhalten. Stehe ich in einer Runde mit Strategen aus bekannten Agenturen, wenden sich die Gesprächsführer oft eher diesen Teilnehmern zu. Wenn ich dann doch mal beachtet werde, von meinem Werdegang erzähle und dann auch noch betone, dass ich nicht vorhabe, in der nächsten Zeit zu wechseln, gibt es gern mal abschätzige Blicke. Ich fühle mich oft wie der Paradiesvogel in einer Welt, in der viel über New Work geredet wird und dann doch alles wieder beim Alten bleibt.

Den Wandel einleiten

Es ist an der Zeit, dass wir über alternative Karrierewege (auch) in der Strategie sprechen. Dass wir nach anderen Möglichkeiten suchen, den Nachwuchs zu fördern, ohne dass damit ein Agenturwechsel einhergehen muss. Dass Weiterbildungsmaßnahmen für Strateginnen und Strategen kollaborativ entwickelt und Erfahrungen geteilt werden – sowohl von bekannten als auch unbekannten Agenturen – und dass stärker zusammengearbeitet wird. Dass wir dem Nachwuchs überhaupt ermöglichen, in seiner Ausbildung mehrere Sichtweisen verschiedener Strateginnen und Strategen zu bekommen, um sich weiterzuentwickeln. Und dass wir aufhören, nur denjenigen zuzuhören, die es selbst durch große Namen im Lebenslauf zu einem Ruf gebracht haben.

Wenn ich in der Strategie eines gelernt habe, ist es: Den einen Weg gibt es nicht. Jede Strategin und jeder Stratege hat eine eigene Interpretation seiner Aufgaben. Genauso wie New Work kein Ziel, sondern ein Weg ist, sollte die Strategie auch ein Weg der ständigen Weiterentwicklung sein.

Und wenn wir das schaffen, können wir uns hoffentlich irgendwann alle wieder wie die Paradiesvögel in einer schillernden Werbewelt fühlen.

Erschienen in: new business Nr. 27/ 02.07.2018

Quelle Titelbild: 

AfricaStudio@shutterstuck.com

 

 

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