Für mehr Weiblichkeit in der Kommunikation

Die Welt wird weiblich. Die Kommunikation auch?

Von Stephanie Kuhnhen, Leiterin Planning bei Grabarz & Partner

 

Faith Popcorn nennt es die „Eve-Olution“. Die Zeit spricht von „der Methode Frau“. Und der Spiegel titulierte schon vor wenigen Jahren „Die Alpha-Mädchen“. Was sie alle im Kern ausdrücken wollen: Die Welt wird weiblich. Und: feminine Eigenschaften sind daher in einer dauervernetzten Welt immer gefragter. Denn letztere fordert beziehungsorientiertes Leben und Arbeiten statt der bisher gelebten Hierarchie- Orientierung. Emotionale Intelligenz, vernetztes Denken, Kommunikation, Empathie und Multioptionalität sind neue Schlüsseleigenschaften, die die Welt einfordert und die uns Menschen, und zwar beider Geschlechter, prägen werden.

Somit ist es an der Zeit, dass wir Kommunikationsspezialisten eines verinnerlichen: wenn die Welt weiblich wird, sollten sich auch die Konsum- und Kommunikationswelten dieser Prinzipien dringend bedienen, um nicht an Relevanz zu verlieren. Denn die bisherige „Männerkommunikation“ wird nicht mehr lange funktionieren! Ach ja, und es gibt einen weiteren guten Grund für Kommunikation, die sich intelligenter, femininer Prinzipien bedient: sie schlägt bei Frauen und Männern gleichermaßen ein – was im umgekehrten Fall übrigens nicht funktioniert. Bedienen wir uns also in Konsum und Kommunikation dieser weiblichen Eigenschaften, die gerade in Zeiten, in denen das Marketing zu Konversation wird und der Aufbau loyaler Kunden zum wichtigsten Ziel der Zeit avanciert, höchst wertvoll sind!

 

Wie kommuniziert man nach femininen Prinzipien?

Dass sich Frauen neurowissenschaftlich von Männern unterscheiden (und wir daher auch von femininen Prinzipien sprechen), ist eine inzwischen allgemeingültige Erkenntnis unter Experten. Meinungsverschiedenheiten bestehen lediglich noch darin, wie entscheidend dieser physische Unterschied für die Gesamtprägung eines Menschen ist. Denn die soziokulturelle Erziehung und Prägung haben ebenfalls einen entscheidenden Einfluss darauf, wie ein Mensch „tickt“. Welche Gehirnstrukturen, Hormonflüsse und kulturellen Prägungen auch immer die Ursache sind, meines Erachtens hat Anne Schüller auf einem ihrer Seminare die zur männlichen sinngemäß hervorragend auf den Punkt gebracht: Frauen würden auf Kosten von Macht die Welt retten. Und genau das unterscheidet sie.

Frauen sind also beziehungsorientiert, sie fördern das „Ganzheitliche“ und das „Runde“. Dazu bedienen sie sich der Gefühle, der Intuition und der Sprache. Kommunikation, die sich auf diese Prinzipien stützt, sollte ganzheitlich sein, Verfassungen aufgreifen und zeitgemäß bleiben – und nicht ins Simple und Rationale verfallen. Denn das Weibliche wird nicht beworben, sondern umworben.

 

Werben Sie also auch für Männer weiblich. Und das, bitte sehr, richtig.

Kommunikation auf Basis femininer Prinzipien heißt aufgrund dieser Dinge vor allem eines: Bemühen Sie sich um Ihre Kunden. Bedienen Sie die emotionale Intelligenz. Und übertreffen Sie die Erwartungen.

 

Sechs Grundsätze dafür:

1. Weibliche Kommunikation sollte mehr sein, als nur Produktvorteile zu nennen. Sie sollte immer eine weiterführende Logik haben – etwas, das wirklich berührt. Fakten, Produkte oder Marken sollten daher in emotionale Geschichten eingebunden sein, denn sonst wird man immer das Gefühl haben, dass Sie sich nicht ernsthaft um Ihre Kunden bemühen. Das heißt: Weibliche Kommunikation ist ganzheitlich. Sie schafft Situationen, Zusammenhänge, Themen. Keine reinen Fakten.

2. Diese Ganzheitlichkeit wird vor allem durch Verfassungen aufgegriffen. Berühren Sie Ihre Kunden mit packenden und für sie echten, nachvollziehbaren emotionalen Verfassungen. Es geht also darum, in der Kommunikation ein Gefühl zu schaffen, mit dem sich Ihre Kunden identifizieren können. Das kann auch über Themen der Zeit entstehen. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise sind dies im Moment vor allem echte Werte, das Leben und die Liebe.

3. Seien Sie zeitgemäß. Und werden Sie den Veränderungen in der Gesellschaft gerecht. Nichts stört mehr, als mit veralteten Klischees konfrontiert zu werden. Bei Frauen wären das z.B.: Das ewig junge Model, die Übermutter, die klassische Hausfrau. Bei Männern der einseitige Business-Junkie oder der minderbemittelte Macho – sie alle werden der Vielschichtigkeit und dem Selbstbild der Frauen und Männer von heute nicht mehr gerecht.

4. Geben Sie Orientierung, denn Menschen suchen diese als Resultat ihrer eigenen Unsicherheiten und Selbstzweifel. Markenkommunikation sollte daher im Kern konstant sein und feste Haltepunkte bieten, auch wenn der Markenkern wie ein Molekül immer wieder anders inszeniert werden oder zeitgemäß daherkommen kann.

5. Menschen, heute mehr denn je, suchen Vereinfachung und Entlastung. Und die finden sie nicht in überhöhten Kommunikationswelten, sondern im echten, sinnlichen Erleben, Markenkommunikation sollte daher einfach, umkompliziert, aber auch unperfekt und unprätentiös sein. Gerade kleine Fehler und echte Wahrheiten erlauben Ihren Kunden sich dem oft vorgehaltenen, aber auch ihrem eigenen Perfektionismus zu entziehen. Weibliche Markenkommunikation braucht also einen echten Markenrealismus.

6. Frauen lieben es zu reden und darüber Beziehungen zu pflegen. Und Männer lernen es in einer immer vernetzteren Welt zusehends. Alles, was Ihre Markenkommunikation tun kann, um Beziehungen und Kommunikation zu unterstützen, werden Ihre Kunden bereitwillig aufnehmen und weiterflüstern.

 

Weibliche Kommunikation verlangt mehr.

Aber es lohnt sich. Kommunikation nach femininen Prinzipien ist komplexer, weil sie vielschichtiger, treffsicherer, emotionaler, detailgenauer, sozialer und authentischer ist. Doch genau dadurch stellt sie die Lösung für die Kernherausforderung dar, der wir Marketer uns heute alle gegenüber gestellt sehen: dass die Menschen den Konsum- und Kommunikationswelten immer weniger trauen. Es geht um nicht mehr oder weniger, als in einer immer weiblicheren Welt auch die Konsum- und Kommunikationswelten zu verweiblichen, um für die Menschen wieder und weiter relevant zu sein. Um sie dort abzuholen, wo sie sich befinden. Und um in einer immer feminineren Welt nach den Regeln zu kommunizieren, die uns alle zusehends prägen und verändern werden.

 

 

Foto: „Window“ | truetype | photocase.de

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