Jack Bauer Branding – Markenführung in Echtzeit

Anregungen und Impulse für erfolgreiches Marketing in 2011

Von Dr. Percy Smend, Managing Director,  Scholz & Friends Strategy Group

 

Hurra! Es ist Aufschwung. Die Wirtschaft zieht an, Arbeitsämter bleiben verwaist und Produktionsbänder stehen nicht mehr still. Firmen haben die Krise genutzt, überflüssige Pfunde und Liebgewonnenes loszuwerden. Kühne Prognosen und Parolen im Wirtschaftsteil bestätigen: Die Zeichen stehen auf Angriff, der Kampf um Talente ist im vollen Gange und wir peilen wieder den Exportweltmeisterpokal an. Alle sind glücklich. Alle?

 

Marken werden flügge

Wäre da nicht eine Branche, die traditionell gern schwarz und nun scheinbar geschlossen Trauer trägt. Früher Inbegriff von Glamour, Vorbild in Fragen gesellschaftlicher Relevanz, Herrscher über den internationalen Konsum: Die Werbung. Tatenlos haben Agenturen und Werbetreibende zusehen müssen, wie ihr liebstes Kind, die Marke, sich aus ihrer Obhut löste. Facebook & Co haben von Grund auf verändert, was Lehrbuch und Praxis über Jahrzehnte kultiviert hatten. Markenverantwortliche müssen sich daran gewöhnen, keineswegs mehr alleinig die Verantwortung für ihre Marke zu tragen. Vielmehr sind es die Kunden selbst, die Markenbilder in ihren Netzwerken oder der Öffentlichkeit maßgeblich beeinflussen. Sollte sorgsam geplante und stringent orchestrierte Markenführung künftig zu Don Drapers Signature Drink verkommen: Old Fashioned?

 

Cry for Help

Mitnichten. Der Bedarf an identitätsorientierter Führung von Marken als Leuchtturm, Gütesiegel und Orientierungsfunktion hat in der Informationsflut eher zugenommen. Gravierend ändert sich jedoch, wie Marken mit ihren Zielgruppen interagieren. Sie müssen imstande sein, in Echtzeit zu handeln Und zu kommunizieren. Ein ungekanntes Maß an Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit über den gesamten Marketing-Mix wird verlangt. Alles ist digitaler, direkter und demokratischer. Die Kunde von Fehlern und lrreführung verbreitet sich in Sekunden.

Gleichzeitig sehen wir wachsende Skepsis gegenüber ideologischen und bevormundenden Argumenten. Unsicherheit über die Folgen von Globalisierung, Technologisierung und Ökonomisierung der Gesellschaft. Gerade Werbetreibende werden allzu oft als Steigbügelhalter von Werteverfall, Patronisierung und Überkonsum verunglimpft. Wie sollen in diesem Klima die gebeutelten Marketeers ihre Botschaften wirkungsvoll und mit gutem Gewissen platzieren? Ist die schöne Zunft noch zu retten?

 

Jack Bauer als Retter der Marketeers

Es bedarf schon eines Jack Bauers, um dieser Situation Herr zu werden: Marketeers tun gut daran, sich den nimmermüden Terroristenschreck aus ’24‘ zum Vorbild zu nehmen, Wo der CTU-Agent Recht und Ordnung durchsetzt, müssen Unternehmen versuchen, ihrer Marke Platz und Relevanz zu verschaffen. Wie kein zweiter verkörpert er die beiden notwendigen Tugenden. Zum einen: Jack ist selbstbewusst, prinzipientreu und stringent in Haltung und Linie. Konstant wie ein Fels in tosender Brandung. Eindeutig in Ziel und Werten. Zum anderen: Jack ist bereit, gewillt und fähig, in Echtzeit zu entscheiden, zu agieren und wirkungsvolle Ergebnisse zu erzielen.

In der Umsetzung ist er perpetually in beta. Seine Methoden, gerade Folter und Beretta, mögen aus gutem Grund im Marketing nur in geringem Maße Einsatz finden: Einer üblicherweise hohen Aufmerksamkeit steht eine fragwürdige Wirkung auf Reputation und Kundenzufriedenheit entgegen. Vorbildlich und für uns handlungsleitend allein das Grundprinzip: Das Nebeneinander von Verlässlichkeit im Leistungsversprechen und Flexibilität in der Umsetzung.

 

Jack’s Law

Was heißt das für uns Marketeers? Wie können auch wir unverwüstlich und erfolgreich in der Echtzeit bleiben? Wir haben Jack gebeten, die wichtigsten Thesen als Briefing 2011 für Marketing-Entscheider zusammenzustellen.

 

Branding: Always be in line

#1 „No value without vaIues.“

In Zeiten von Transparenz und wachsender Orientierungslosigkeit, auf der Suche nach neuen Haltepunkten dominieren scheinbar alte Werte wie Qualität, Verlässlichkeit und Belastbarkeit. Es gilt: Definiere und halte Deine langfristig verlässliche Linie. Markenführung ist von Dauer und eben kein kurzatmiges Nachrennen von Trends und Umsatzpotentialen. Eine klare Haltung, ein unverwechselbares Gesicht und eine starke Stimme sind die harte Währung.

#2 „Be different, but never not authentic.“

Viele Marken haben sich – in der Krise nachvollziehbar – zunehmend der Mitte, den Bedürfnissen der Masse angepasst. Profillosigkeit und Gleichmacherei sind oft die Folge. Es wird Zeit, wieder Stellung zu beziehen und den Markenkern profiliert herauszukehren! Das muss nicht edgy, exzentrisch oder eklektisch sein, es muss authentisch sein. Mach Deine Marken zu einzigartigen Ankerpunkten, an denen sich Kunden orientieren.

#3 „Don’t just talk the talk, but walk the walk.“

Kundenbeziehungen verändern sich stark bis radikal. Ändere auch Du Dich: Es geht im Marketing nicht mehr um Messaging, sondern selbst in Transaktionsmärkten um Beziehungsgestaltung zum Kunden – wo, wie und wann er es möchte. Und zwar bitteschön ausschließlich nutzwertig. Awareness und Positioning verkommen zu willkommenen Mitnahmeeffekten. Kommuniziere mit Kunden auf Augenhöhe. Hör ihnen zu. Und freue Dich, dass sie sich mit Deiner Marke auseinandersetzen. Gib Ihnen relevanten Content, langfristige Orientierung und starke Schulter. Und handle getreu Deiner Worte. Belasse es auf keinen Fall bei Lippenbekenntnissen.

#4 „Acting for the long run helps in the short run.“

Nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln gewinnt auf breiter Basis an Relevanz im Kaufentscheidungsverhalten. Nicht allein i.S.e. Mitnahme-Geschäfts wie im Krombacher Regenwald oder als Ablasshandel zur Gewissensberuhigung nach Flugbuchung. Sondern als echtes Kundenbedürfnis, als Anforderung gegenüber Anbietern und als geldwerter Wettbewerbsvorteil. Umweltschutz, Energieeffizienz und soziales Engagement seitens Unternehmen werden zu Hygienekriterien. Jeder Business Case muss sich an Eco-Kriterien messen lassen. Auf der Überholspur sind Leistungen, die ein nachhaltiges Handeln des Einzelnen ermöglichen.

 

Action: Always be in beta

#5 „Embrace the Unknown!“

Natürlich bleibt Social Media. Für Unternehmen effizienter Zugang zu Kunden und wunderbare Informationsquelle über Märkte und Trends. In 2011 wird es in Kundennutzung, vor allem aber als Werbeplattform weiter wachsen. Mobile Anwendungen werden einen weiteren Schub geben – eine Beschäftigung mit Facebook Places und Foursquare mag sich lohnen. Überhaupt gilt: Zu viele Unternehmen verschließen sich aus Scheu oder Unwissen der Realität. Lasst Euch drauf ein, meldet Euch an, macht mit! Nutzt, dass und was über Euch kommuniziert wird – es passiert ohnehin. Statt Opfer lieber Nutznießer von Transparenz und Sofort-Broadcast.

#6 „Think first, then act. Unless you have to act first.“

Hinsichtlich Budget-Split gibt es eine Spreizung zwischen konservativer Vorsicht auf bekanntem Terrain, sowie attack & explore in neuen oder vernachlässigten Nischen. Klassik- Spendings stehen weiter unter Druck. Hinsichtlich des meteoritenartigen Aufstiegs neuer Kanäle kehrt Realismus ein. Nüchtern gilt es, neue Potentiale und Zugänge zu bewerten. In wortstarken Blogs, ermahnenden Keynotes und im Konsumentenverhalten sind Kanäle bereits fast vollständig verschwommen. Diese Verschmelzung ist in Wissenschaft und Praxis nicht annähernd nachvollzogen. Umso mehr bedarf es Experimentierfreude, Neues zu versuchen und eigene Erfahrungen zu machen. Und zuweilen eben Schnelligkeit, Schlagfertigkeit und Mut, Chancen beim Schopfe zu packen.

#7 „Gel Real. The digital, the more.“

Natürlich geht der Trend weiter Richtung Digital. Gerade darum erwarten wir eine Renaissance des Haptischen. Je mehr Dinge in die digitale Welt wandern, desto mehr steigt der Anspruch nach erlebbaren und persönlichen Markenkontakt. Im Zuge von Smartphones erleben immer mehr Kunden online und offline zeitgleich und nahtlos. Für jeden Moment das Passende der verfügbaren Welten. Mache sie nicht um die Option des Realen ärmer, sondern nutze den entstehenden Platz! Unterbreche ihre Routine, schenke Ihnen Erlebnisse, wie sie nur offline funktionieren. Live Marketing, Flagshipstores und Pop-Up-Präsenzen als Ankerpunkte.

#8 „Every action is traceable.“

Verwöhnt aus New Media, verschreckt aus Old Media, gezwungen aus Budgetknappheit: Wir müssen beweisbar sein. Und strategischen Untemehmenszielen genügen. Gerade nach der Krise ist die Umsatz/Absatz-Orientierung massiv. Ein doppeltes Zulernen ist erforderlich: Der CFO muss Marketing-Spendings als umsatzrelevante Investitionen verstehen. Der CMO muss mehr denn je diese Investitionen begründen und ihren Erfolg beweisen können. Nie waren die Mittel dazu besser.

 

Von Jack Bauer lernen. heißt Siegen lernen.

Jack hat bislang noch jedes Mal Präsident, Staat und Welt retten können. Nutzen wir seine Erfahrungen also, um 2011 zu einem Erfolgsjahr zu machen: Kontinuität in Echtzeit beweisen: Marken in Schnelllebigkeit und Kakophonie tieferen Sinn und anhaltende Relevanz zu geben, bleibt die Königsdisziplin. Die Fähigkeit, flexibel, in Echtzeit und auf Augenhöhe eine Beziehung mit dem Kunden einzugehen und zu gestalten, wird zum Hygienekriterium.

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