Digitale Innovationen im Shopper Marketing

20110207_StrategyCorner_Reinhardt_Digitale Innovationen im Shopper Marketing_01Was fällt Ihnen spontan zu ‚Shopper Marketing‘ ein? Beschränken sich ihre Gedanken auf Deckenhänger und Regaldips, vielleicht noch auf einen Online Store und Demo-Videos?

Von Dirk Reinhardt, Strategy Director Arc Worldwide, Chicago

 

Vor nicht allzu langer Zeit war Shopper Marketing tatsächlich auf die Rolle der Verkaufsförderung am Point of Purchase (POP) beschränkt. Heute hat diese Disziplin mehr zu bieten. Insbesondere durch digitale Innovationen ist Bewegung in das Shopper Marketing gekommen. Hieß es noch vor Jahren, 70% aller Kaufentscheidungen bei CPG (Consumer Packaged Goods) werden im Handel gefällt, sprechen Studien heute davon, dass mehr als 80% außerhalb des stationären POP getätigt werden. (Quelle: IRI, ‚State of the Industry‘, 2009)

 

Digitale Medien haben das Einkaufsverhalten der Menschen verändert

Mit der digitalen Durchdringung aller Lebensbereiche hat das klassische Modell des Purchase Funnels ausgedient. Der Shopping Prozess (Shopper Journey) ist heute die dynamische Aneinanderreihung einer Vielzahl von Touchpoints, die der Shopper in nicht-linearer Reihenfolge und manchmal sogar mehrmals durchläuft. So sucht er Produktinformationen mittels Google, liest Online-Reviews in Foren, fragt Freunde auf Twitter um Meinung, lädt sich Coupons auf das Smartphone, sucht den nächsten Laden mit Hilfe einer Augmented Reality Applikation, ‚checkt‘ via Facebook Places ein, erhält dafür Rewards vom Händler und schaut sich ein Demo-Video am interaktiven Kioskterminal an. Oder er scannt den QR Code von der Packung, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen, bevor er dann doch den Kauf aufschiebt, um noch einmal online zu recherchieren.

Der Shopper geht also immer autonomer auf Shoppingtour. Und zwar wie, wo und wann er will. Dabei kann er quasi mit nur einem Tastendruck die Grenzen zwischen den Touchpoints und Kanälen seiner Shopper Journey auflösen.

Das Shopper Marketing muss auf diesen Verhaltenswandel reagieren. Ein Blick auf die Shopper Marketing-Credos von Procter & Gamble der letzten Jahre belegt, wie sich die Disziplin gewandelt hat: Als es um den ‚First Moment of Truth‘ (FMOT) ging, fokussierten sich die Aktivitäten auf den POP um dem Shopper den ‚letzten Kick‘ zum Kaufakt zu geben. Anschließend hieß es „From the Store Back“, wonach vom POP ausgehend geplant wurde, der Shopper über alle Kanäle zum POP geführt und dort zum Kauf bewegt werden sollte. Heute heißt das Credo „Shopper Back“ und stellt das Verhalten des Shoppers ins Zentrum der Strategie. Denn sowohl Einkaufsort aIs auch Shopper-Verhalten lösen sich im digitalen Zeitalter zeitlich, räumlich und inhaltlich immer mehr auf.

 

Shopper Marketing ist noch auf dem Stand, wo Digital Marketing vor ein paar Jahren war

Auch wenn das Marketingbudget für Shopper Marketing in den USA dieses Jahr stärker als das jeder anderen Marketingdisziplin wächst (selbst Social Media kann da nicht mithalten), wird die strategische Bedeutung noch von einigen Agenturen unterschätzt. (Quelle: ‚How Agencies Are Structuring for Shopper Marketing‘, AdAge, 2011) Häufig liegt der Grund dafür bei den Kunden selbst, die Shopper Marketing bislang nicht ausreichend in die Kommunikationsstrategie einbinden.

Das war mit Digital Marketing vor Jahren nicht anders. Alle waren damals ganz heiß auf das Internet als zusätzlichen Marketing- und Kommunikationskanal. Nur wussten die wenigsten, wie sie ‚Digital‘ integrieren sollten. Zu mehr als Banner Ads und Websites hat es anfangs nicht gereicht. Dazu brachte es erst drei weitere Impulse:

Technologische Applikationen, die das Web 2.0 hervorbrachten.

Die Einsicht, dass Technologie kein Selbstzweck sein darf, sondern menschliches Verhalten unterstützen muss.

Die Erkenntnis, dass das Intemet keine Werbefläche ist, die man mit Markenbotschaften zupflastert, sondern ein soziales Netzwerk, in dem Marken Beziehungen auf- und ausbauen.

Beim Shopper Marketing sehen wir heute eine ähnliche Situation: Agenturen und Unternehmen wissen zwar um die Bedeutung des POP. Aber dann wird noch von vielen das Kampagnen-Visual auf den Regal-Wobbler geklebt – und das war es dann schon mit den Shopper Marketing Aktivitäten. Oft hat das die gleichen Gründe wie damals beim Digital Marketing: Es wird nicht über den Tellerand des stationären POP hinaus gedacht und vergessen, dass durch die Digitalisierung das Shopping an sich allgegenwärtig geworden ist. Manche Touchpoints, die der Shopper früher benutzte, sind heute bereits ‚digital migriert‘.

Um Shopper Marketing erfolgreich zu betreiben, muss es auf Shopper-Verhalten basieren und dem Shopper entlang seiner Shopper Journey einen relevanten Nutzen schaffen mit maximalem Impact für die Marke. Daher ist das Bereitstellen von digitalen Shopper Tools, wie z.B. Applikationen, QR Codes oder In-store-Kiosks, die dem Shopper helfen seine Kaufentscheidung zu fällen, zur wichtigen Aufgabe des Shopper Marketings geworden.

Oft wird vernachlässigt, dass Shopper Marketing auch etwas mit Markenführung zu tun hat. Denn die Shopping Experience vor dem Regal ist genauso wie die Nutzung einer Coupon-Applikation auf dem Smartphone oder Preis- Promotion auf Facebook nun einmal Teil der ganzheitlichen Marken Experience.

 

Shopper Marketing liefert strategische Impulse für die integrierte Kommunikationsplanung

Der Blick durch die Brille des Shopper Marketings liefert wertvolle Impulse für die Planung integrierter Kommunikation:

Erst einmal lenkt Shopper Marketing den Fokus auf das, was bisweilen aus den Augen verloren wird: Wir betreiben Kommunikation in der Regel mit dem finalen Ziel, dass Menschen eine bestimmte Marke kaufen. Und nicht, um einen Award zu gewinnen oder möglichst viele Twitter-Follower und Facebook-Likes zu generieren. Insofern eignet sich die Shopper Marketing Perspektive als Filter für integrierte Kommunikationsideen. Außerdem wirft sie die Frage auf, ob eine Kommunikationsidee ausreichend Potenzial hat, im jeweiligen Kontext der Shopper Journey für den Shopper relevant zu sein und einen Beitrag zum Kauf der Marke zu leisten.

Weiter fordert diese Perspektive kontext-relevante Markenführung und Kommunikation ein: Die einzelnen Touchpoints sollten konsistent aufeinander aufbauen und Shopping Experiences effizient zusammenspielen lassen. Auf Basis des jeweiligen Shopper-Verhaltens muss abgewogen werden, welche Touchpoints die Shopper Journey beinhaltet, wo die Barrieren des Shoppers und die Chancen für die Marke sind und welche davon ein Maximum an Impact und Effizienz im Kaufentscheidungsprazess versprechen.

Das ist je nach Produktkategorie unterschiedlich. Aber auch hier verschieben sich die Grenzen: US-Händler wie Ahold’s Peapod oder FreshDirect berichten, dass immer mehr Kunden CPG’s wie Joghurt oder Zahncreme bei ihnen online kaufen, um sie anschließend nach Hause liefern zu lassen oder später im Laden abzuholen. Bleibt festzuhalten, dass sich nicht so sehr die Bedürfnisse des Shoppers verändert haben, sondern die Art und Weise, wie er sie befriedigt. Man darf also gespannt sein, wie sich Shopper Marketing im Fahrtwind digitaler Medien weiter entwickelt.

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Foto: “lecka lappen” | dirty pretty thing | photocase.de

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