Der Sinn der Marke

Markenführung ist Bedeutungsmanagement. Marken sind erfolgreich, wenn sie den Alltag bereichern. Dazu müssen sie mehr sein als nur Etikettierung von Produktvorteilen oder gefühlsbetonte Dekoration.

von Ingo Grosch, Kemper Kommunikation, Frankfurt

 

Erfolgreiche Marken orientieren sich nicht an den Denkweisen des Marketing, sondern am Menschen. Gelingt es, ihn dort zu erreichen, wo er mit seinen Gedanken und Gefühlen eh schon ist wird Absatzerfolg zum Begleiteffekt.

 

It’s not what you seil, it’s what you stand for

Es geht um mehr. Um mehr als nur emotionale Mehrwerte. Philip Kotler spricht von „Human Spirit Marketing“. Es geht darum, nicht länger Konsumenten wie eine besondere Spezies durch Zielfernrohre zu betrachten. Sondern den Alltag der Menschen zum unmittelbaren Anlass der Marke zu machen. What keeps people up at night and gets them out of bed in the morning? Erfolgreiche Marken haben einen Auftrag. Ihnen gelingt es, die Missing Links unseres Alltags auszufüllen.

 

Bedeutungszuschreibungen

Menschen suchen Marken und Produkte, die für sie Sinn machen. Entscheidend ist, was eine Marke inhaltlich zu sagen hat. Wofür sie steht. Welche Fragen sie aufwirft. Und vor allem: welche Antworten sie gibt. Markenverantwortliche suchen nach dem Content, der die Beziehung zwischen Mensch und Marke erschafft und erhält. Eben jene Inhalte, die die inhaltliche Bedeutung einer Marke widerspiegeln. Marketingabteilungen und Agenturen fügen Produkten und Marken bestimmte Bedeutungen hinzu. Jede Markenkommunikation und jeder Markenauftritt ist ein Carrier of Meaning. Aber wie bei jeder Kommunikation entscheidet auch bei einer Marke nicht nur der Absender, sondern letztlich der Adressat über ihre Bedeutung.

 

„Weil’s besser schmeckt.“

Hinzu kommt: Durch die Interaktionsmöglichkeiten der digitalen Medien sind aus Adressaten Akteure geworden. Und Markenkommunikation zu einer Gemeinschaftsproduktion. Schon deshalb lässt sich die tatsächliche Bedeutung einer Marke nur im Wechselspiel zwischen Menschen und Marke ergründen. Die Frage ist: Welche Bedeutung schreiben die Menschen einer Marke zu? Wohlgemerkt: Menschen, nicht Marketing. Grundsätzlich gilt: Menschen denken in Produkten, nicht in Marken. Sie entscheiden sich im Alltag für Produkte und Dienstleistungen mit bestimmten Eigenschaften. Nicht für frei schwebende Markenidentitäten. Deshalb werden auf Nachfragen all die vermeintlich objektiven Eigenschaften genannt, die das Produkt der Wahl auszeichnen: „Weil’s besser schmeckt.“

Doch schon der Pepsi-Test hatte gezeigt, dass derartige Begründungen zu oberflächlich sind, um Entscheidungen zu verstehen. Die wirklichen Verhaltenstreiber sind meistens beiläufig aktiv. Und nicht im Blickfeld des Bewusstseins. Was den subjektiven Entscheidungsprozess zwar erleichtert. Aber auch verschleiert.

 

Marken-Konnotationen

Produkt und Marke verschmelzen in der Wahrnehmung zu einer Einheit. Deshalb sollten sie stimmig sein. Die Marke aktiviert ein unverkennbares Empfindungs- und Deutungsmuster. Beiläufig im Alltag. Ohne bewusstes Zutun.

Die Bedeutung einer Marke lässt sich unterscheiden in Bedeutungskern und Konnotationen (s. Grafik). Marken-Konnotationen sind – ähnlich dem Image einer Marke – abhängig von individuellen Sichtweisen. Sie sind kontextabhängig und stehen in Relation zu Milieu, Kultur, Gesellschaft und Zeitgeist. Deshalb kann ein und dieselbe Marke sehr unterschiedliche Konnotationen aufweisen. In einem Milieu kann sie positiv konnotiert sein und in einem anderen als unangebracht oder gar verpönt gelten. Bei Corvette beispielsweise mag für manche die Bedeutung ‚Dream Car‘, für andere eher ‚No-go‘ mitschwingen. Methoden und Modelle, die soziale Milieus oder kulturelle Profile betrachten, ermöglichen Verortung und Vergleich verschiedener Marken-Konnotationen.

 

Des Pudels Kern

Der Bedeutungskern einer Marke ist unabhängig von individuellen Sichtweisen. Er ist das Urbild einer Marke. Und wird eigens durch ihre Gestalt hervorgerufen. Der Bedeutungskern ist vergleichbar mit einem typischen Muster, das die Grundbedeutung transportiert. Er nötigt zu Konnotationen. Hat auffordernden Charakter. Wirkt motivierend. Und beschreibt das Ziel, das die Verwender einer Marke implizit anstreben. Der Bedeutungskern ist Ursprung aller Empfindungen, die Marken in Menschen auslösen. Und somit entscheidend für Sympathie oder Ablehnung.

 

A brand’s deeper meaning

Im Alltag werden zur Denotation automatisch Konnotationen addiert. Dadurch wird der Bedeutungskern einer Marke verdeckt. Er gerät außer Sichtweite. Und lässt sich nur ausfindig machen mit Methoden, die metaphorische, morphologische oder archetypische Perspektiven eröffnen  – oder die drei grundlegenden menschlichen Motivationssysteme als Blickwinkel wählen. Letzteres geschieht häufig unter der Überschrift Neuromarketing.

Entscheidend ist: Der Bedeutungskem sollte nicht verwechselt werden mit dem, was gemeinhin unter einer Markenidentität verstanden wird. Denn der Bedeutungskern kann nicht einfach durch Markenverantwortliche definiert werden. Oft genug zeigt erst die tiefer gehende Analyse, welche Bedeutung eine Marke im Kern tatsächlich transportiert. Und dadurch Menschen zum Handeln bewegt.

Bei Coca-Cola beispielsweise geht es nicht nur um vordergründigen Spaß und Aktivierung. Sondern – dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen – mindestens ebenso sehr um eine beruhigende, entspannende Auszeit von den Sorgen des Alltags, in der man sich einfach wohl fühlen darf und neue Zuversicht gewinnen kann.

 

Markenführung ist Bedeutungsmanagement

Marken führen heißt Bedeutungen managen. Warum eine Marke gemocht oder ablehnt wird, erklärt der Blick auf Denotation und Konnotation. Er zeigt, welche Bedeutungen einer Marke anhaften. Und ermöglicht Punktlandungen, wenn es darum geht, den Auftrag einer Marke strategisch zu justieren sowie ihren Auftritt zu gestalten. Getreu dem Motto: form follows function. Denn nur wenn sie den Alltag der Menschen bereichert, ist eine Marke erfolgreich.

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Foto: „®oyalty®ight“ | Dot.ti | photocase.de

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