Digitalog – Neuestes Fashion-Must-Have?

Immer kürzere Modezyklen, stetig neue Wettbewerber und dazu ein Relevant-Set-Markt wie kaum ein anderer – sich nachhaltig zu differenzieren und relevant zu bleiben, ist für Modemarken eine riesige Herausforderung. Und so umwerben sie ihre Kunden auf allen nur denkbaren Kanälen.

von Aylin Dobberstein, Senior Brand Consultant, und Anita Lotterschmid, Brand Consultant, bei Musiol Munzinger Sasserath

 

Kein Wunder also, dass die Modebranche inzwischen aus dem „Dornröschenschlaf“(1) erwacht ist und digitale Kanäle, speziell Soziale Netzwerke, immer stärker in den Fokus rücken.(2) Neben die Paid-Media-Strategie der Modeunternehmen tritt damit zudem die Möglichkeit, eigene Medien zu bespielen und sich im besten Fall durch guten Content sogar Earned Media zu verdienen.

Zum Hygiene-Content zählen mittlerweile Modelcontests, Foto-Communities und exklusive Previews.

 

Digital – die neue Masche?

Dass jedoch selbst solche Maßnahmen durchaus erfolgreich sein können, weil sie zum Markenkern passen, zeigt Burberry mit ‚The art of the trench‘. Die äußerst populäre Plattform verknüpft user-generierten Content mit Kunst und inszeniert dabei den Trenchcoat auf ganz neue Art. Damit gelang Burberry die Rückbesinnung auf den eigentlichen Ursprung der Marke und der Zugang zu einer deutlich jüngeren Klientel.

Mitmachen auf andere Art können die Anhänger von Mango. Das Label startete im März dieses Jahres eine Online-Doku-Soap (3), deren Verlauf die Zuschauer via Social Network beeinflussen können. Gezeigte Outfits können just nach jeder Sendung bestellt werden. Genug Stoff für einen Erfolg? Bleibt abzuwarten.

Innovative Ansätze kommen neben dem Highfashion-Segment vorwiegend von kleineren Labels: ModCloth macht beispielsweise seine Kunden unter dem Motto ‚Be the buyer‘ mit großem Erfolg zu Einkäufern, die selbst bestimmen, was ins Sortiment kommt, und reduziert zugleich das Risiko, auf Ware sitzen zu bleiben.

 

Analog – so last Season?

Solange die traditionellen Fashionweeks die tonangebende Institution in der Branche bleiben, und sich dort aus der digitalen Welt bekannten ‚Style-Blogger‘ nebst renommierter Chefredakteurinnen in den ersten Reihen tummeln, steht die Bedeutung des Analogen in der Modewelt außer Frage. Auch abseits dieser schillernden Events investieren Marken weiterhin in Flagshipstores der Superlative. Und selbst wenn es die realen Vorzeigetempel der Marken eher nicht auf 2,5 Mio. Besucher pro Monat bringen wie beispielsweise der kürzlich eröffnete digitale Gucci-Flagshipstore (4), bieten sie den Besuchern doch eines: ein Erlebnis für alle Sinne.

Wie wichtig das ist, sehen wir daran, dass auch ursprünglich reine Online-Unternehmen ‚offline gehen‘, um ihre Marke zumindest temporär ‚real‘ erlebbar zu machen. Und das mit Erfolg – wie das Beispiel Frontline zeigt: Rund um den Pop-Up-Store wuchsen die Umsätze stärker als in anderen Gebieten. (5)

Kaum verwunderlich, denn der POS ist mit einem Anteil von über 50% am Erlebnis einer Marke der wichtigste Kontaktpunkt in der Modebranche überhaupt. (6) Das haben inzwischen selbst Mode-Discounter erkannt und investieren zunehmend in Licht, Ladenbau und Warenpräsentation.

 

Mix’n’Match

Modemarken haben begonnen, nicht mehr separat in den Kategorien zu denken, sondern Online und Offline Nutzen stiftend zu verknüpfen. Dabei rückt insbesondere der POS in den Fokus.

Diesel holte im Mai vergangen Jahres mit dem Launch der ‚Diesel Cam‘ die Umkleide ins Soziale Netzwerk: Besucher spezieller Filialen können sich in der Kabine ablichten und die Bilder samt integriertem Diesel-Logo über einen Touchscreen auf Facebook mit Freunden teilen. Ob diese Idee ein Dauerbrenner wird oder ein paar Jahre zu spät kommt, bleibt allerdings fraglich, denn dank Smartphones funktioniert das Ganze bekanntlich auch ohne Diesel und vor allem ohne Logo.

 

In Outfits denken

Die zunehmende Smartphone-Penetration machen sich inzwischen viele Modelabels zunutze, indem sie sich Plattformen und Applikationen wie Foursquare oder Shopkick für Location-based CRM-Aktionen bedienen und Kunden genau dort mit Gutscheinen, und Spezial- Angeboten locken und belohnen, wo sie tatsächlich nützlich sind – am POS.

Aus dem digitalen Brückenschlag der Modebrilllche können sich für Menschen wie für Marken neue, und im besten Fall für beide Seiten interessante lllld nützliche Möglichkeiten ergeben, miteinander in Beziehung zu treten – zuhörend, entertainend, interagierend und lernend.

Dennoch: Die Beziehung der Menschen zu Marken wird maßgeblich davon geprägt, wie sie diese insgesamt erleben. Eben jenes Markenerlebnis resultiert aus dem Zusammenspiel aller Kontaktpunkte mit der Marke. Digital sollten Modemarken daher nicht um des Digitalsein Willens werden, sondern dann, wenn digitale Maßnahmen dazu beitragen können, das gesamte Markenerlebnis zu bereichern.

Damit bleibt der Leitstern über allem: die gute Idee. Wir sind gespannt, was die nächste Saison bringt.

 

(1) Michael Schipper, Proximity Germany, „Gute Nacht. Modeunternehmen verschlafen digitalen Trend‘, URL: http://www.marketing-blog.debiz/archives/202-Gute-Nacht.html
(2) Horizont.net, 17.3.2011, Social Media Marketing: Medien und Mode liegen vorne, URL: http://www.horizont.net/aktuell/marketing/pages/proctected/Social-Media-Marketing-Medien-und-Mode-liegen-vorne-Agenturen-sehen-Nachholbedarf_98857.html
(3) „Was ziehe ich heute an by Mango“, URL: http://schop.mago.com/flash.faces?state=she_004_AL
(4) fashionmagazin, „Nicht Berlin, Paris oder Mailand, sondern Online – Der Gucci Flagship-Store!“ URL: http://www.fashio-magazin.de/gucci-flagship-store-online
(5) Stefan Puriss „Online bekommt Füße“, Vortrag beim Kongress 2. Inernationaler Flagshipstore-Kongress Läden 2010 in Wiesbaden.
(6) Musiol Munzinger Sasseroth Repräsentative Studie zum Modemarkt 2010.

 

 

Foto: „dollies in town“ | Hamsta | photocase.de

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