Im Dschungel helfen Kanäle

Wie kann es Unternehmen im Marketing und im E-Commerce gelingen die stetig wachsende Zahl digitaler „Kanäle“ (Plattformen, Formate, Geräteklassen) sinnvoll aufeinander abzustimmen?

Von Arne Kittler, Fork Unstable Media, Hamburg

 

Vor dieser Frage stehen in diesem Jahr viele Unternehmen, die realisieren, dass sie sich zunehmend im Dschungel aus eigener Webpräsenz, Social Media Profilen, eigenem Shop, Abverkauf über Shopping Clubs, Paid Traffic und Earned Traffic verstricken und angesichts der wachsenden Vielfalt an Nutzungsgeräten und -kontexten zusätzlicher Komplexität ausgesetzt sind.

Klar ist, dass die gängige Praxis, innovative Wachstumsthemen an juniore Mitarbeiter und Spezialagenturen zu delegieren längerfristig nur erfolgreich sein kann, wenn es Konzepte, Tools und Entscheidungen gibt, die eine sinnvolle Klammer schaffen und allen Beteiligten Orientierung geben. Ansonsten driften viele (gute) Einzelmaßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit auseinander und es entsteht beim Konsumenten ein inkoherentes Gesamtbild.

Und das in einer Zeit, in der immer mehr Konsumenten völlig selbstverständlich erwarten, bei einem Kontakt mit einem Unternehmen schlüssig an vorangegangene Kontakte anzuknüpfen, auch wenn der Kontakt mal über die Website, mal über eine mobile Anwendung oder auch mal auf einer Social Media Plattform zustande kommt.

Bitte nicht missverstehen: Koherent und schlüssig bedeutet nicht, dass sich die Präsenzen gleichen müssen. Im Gegenteil: Statt bloßer Adaption geht es darum, für den jeweiligen Kontext eine adäquate Lösung zu finden, die auf ein übergreifend schlüssiges Gesamtbild einzahlt.

Die Entwicklung einer Strategie, die eben dieses Gesamtbild auf unterschiedlichen Ebenen vom Markenerlebnis bis zur User Experience absteckt, wird für Unternehmen deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor sein. Da dies aber den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, sind die folgenden Überlegungen als Anstoß zu entsprechenden Strategiefindungen zu verstehen:

 

Abschied von Kanälen

Grundsätzlich macht es Sinn, sich gedanklich und begrifflich von isolierten „Kanälen“ zu verabschieden und eher in Kontaktpunkten zu denken. Dadurch wird man besser der Tatsache gerecht, dass sich der Gesamteindruck einer Marke aus kombinierten Erfahrungen mehrerer Kontakte ergibt.

Idealerweise geht damit auch eine durchlässigere Zusammenarbeit innerhalb der Organisation einher, die die heute noch häufig praktizierte Silo-Arbeitsweise ablöst.

Einen interessanten Rahmen für das Zusammenspiel unterschiedlicher Kontaktpunkte liefert Brian Walker (Forrester Research) mit dem abgebildeten Modell aus seinem Report Welcome to the Era of Agile Commerce. Hilfreich an Walkers Ansatz ist, dass er zunächst den Blick auf die Phasen der Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen legt und erst im zweiten Schritt geeignete Kontaktpunkte für die Phasen identifiziert.

Das Zusammenspiel unterschiedlicher Kontaktpunkte (nach Brian Walker, Forrester Research)
20110621_StrategyCorner_Kittler_Im Dschungel helfen Kanäle_01 Quelle: Forrester Research, Inc. 2011

 

Erst Beziehungen, dann Kontaktpunkte

Walkers Modell kann als Ausgangspunkt für das Entwickeln schlüssiger Geschichten über mehrere Stationen, Kontaktpunkte und damit auch Mediengattungen hinweg dienen: Man beginnt mit der Frage, welche Botschaft und Geschichte man beispielsweise vermitteln möchte, um nach dem Kauf zunächst Vertrauen aufzubauen und den Kunden danach zu einem Fürsprecher des Produkts zu machen. Erst wenn man diese Geschichte als Ergebnis einer nutzerzentrierten Kreativleistung hat, wird geprüft, welchen Beitrag zur Geschichte einzelne Kontaktpunkte übernehmen können. Auch die konkrete Ausgestaltung, die Tonalität oder auch das Interaktionsverhalten lassen sich aus den grundsätzlichen Überlegungen zur jeweiligen Beziehungsphase ableiten.

Vorteilhaft an diesem Vorgehen ist die längerfristig angelegte Kundenperspektive, die neben Aktivierungs- und Konversionsphasen auch die weitere Kundenbeziehung bewusst macht. Zudem sind die Überlegungen zur Kundenbeziehung und den übergeordneten Geschichten relativ stabil und können auch für kurzfristig sinnvolle bzw. erforderliche Maßnahmen einen Rahmen geben.

Apropos kurzfristiges Agieren: Dashboards, die alle relevanten Aktivitätsinformationen (Nutzungszahlen, Feedback, Transaktionsdaten) zu handhabbaren Entscheidungsgrundlagen aggregieren, werden zunehmend gefragt sein. Einen wirklichen Unterschied werden aber diejenigen Unternehmen machen, die ein klares Verständnis davon haben, was sie vermitteln wollen und welche Rolle die einzelnen Kontaktpunkte dabei innerhalb der Kundenbeziehung einnehmen.

 

 

Foto: “Blätterwerk” | inphinie | photocase.com

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