Bitte mehr Durchblick bei Plannern!

Oberste Aufgabe der Marken- und Kommunikationsstrategen ist es, den vollen Durchblick zu bekommen und gute Ideen zu ermöglichen. Zum Thema Durchblick ein kritischer Blick auf uns selbst.

Von Melanie Peschel, bilekjaeger, Stuttgart

 

Nach der diesjährigen Umfrage unter den APG-Mitgliedem hat der Vorstand nicht schlecht gestaunt, als sich bei den Auswertungen gezeigt hat, dass die Planner in Deutschland mehr als 50 verschiedene Berufsbezeichnungen für sich beanspruchen. Kreativ und ideenreich sind wir Strategen, Brand-Consultants, Coaches & Co. allemal in Sachen Namensfindung! Aber ist diese Vielfalt wirklich nützlich, wenn es darum geht zu vermitteln, welche Leistungen unser Berufsbild en detail anbietet? Welche weiteren Begriffs-Verwirrungen oder terminologischen Unklarheiten begleiten uns durch den Alltag? Und: Können wir uns das eigentlich erlauben?

An dieser Stelle sei Mark Pollard zitiert, Director of Planning Innovation bei Saatchi & Saatchi, New York: „For an industry selling knowledge and thinking, I’m often amazed at how undeveloped our own understanding of what we do is – what a strategy is, what an insight is, what an idea is.“ Autsch, das tut weh. Aber sind wir mal ehrlich: Fragen wir drei Planner, ihr Tätigkeitsfeld zu beschreiben, erhalten wir drei verschiedene Antworten. Das liegt in der Natur der Sache und am 21. Jahrhundert: Die Welt ist komplex und gerade die Medienwelt hat sich den vergangenen Jahren so schnell und häufig verändert, dass sich die Aufgaben in jedem Einzelfall unterschiedlich darstellen. Dass das Berufsbild der Planner so abwechslungsreich ist, macht ja gerade für viele von uns den Reiz aus. Aber noch mal zurück zu Mark Pollard: Muss es wirklich sein, dass trotz aller Vielfalt und Komplexität grundlegende Begriffe undefiniert bleiben bzw. unterschiedlich interpretiert werden? Und wem hilft es am Ende, dass Creative Planner neben Creative Strategists und Digital Plannern ihre Dienste anbieten? Ist der Digital Planner nicht kreativ und der Creative Planner digital unbedarft? Werfen wir mal einen Blick auf Begrifflichkeiten, die zum Standard-Repertoire unseres Berufsstands gehören:

 

Strategie folgt Konzept folgt Strategie

Gern synonym gebraucht und selten hinterfragt sind die Begriffe Strategie und Konzept. Wo ist der Unterschied, was ist übergeordnet, was untergeordnet? Die Meinungen darüber scheinen auseinanderzugehen, da es Ausführungen gibt, die sich komplett widersprechen. Argumentiert der eine, dass Strategie die Art und Weise ist, wie man Ziele erreicht, die einem übergeordneten Konzept entsprechen, so bringt der andere die Beweisführung, dass das Konzept der Strategie untergeordnet ist, da letztere das Ziel definiert. Eigentlich ist es ja müssig, solch theoretische Diskurse zu führen, andererseits geht es hier um echte Werte: Wenn Auftraggeber Rechnungen erhalten mit den Posten Strategie und/oder Konzept, sollten alle Beteiligten verstehen, was sich dahinter verbirgt. Entwickelt ein Planner eine Strategie oder ein Konzept oder beides? Beim Blick zurück in die sechziger Jahre sehen wir: Damals hießen Planner noch ausnahmslos Account Planner, die Disziplin Account Planning. Es ging ums Planen und das Entdecken von Insights und Formulieren von Zielen sowie das entsprechende Planen von Werbeideen. Damals war aber die Medienwelt noch einfacher strukturiert als heute. Mit TV, Print und Outdoor als prägenden Werbeträgern waren die Säulen der Kommunikation überschaubar. Heute kommen zig weitere Kanäle hinzu, die nicht nur nebeneinander existieren, sondern vernetzt agieren, und je intelligenter die Verknüpfung, umso komplexer der Planungsprozess. Das führte sicherlich auch dazu, dass mit der wachsenden Komplexität der Medienwelt die Zahl der Berufsbezeichnungen gewachsen ist:

 

Wie können wir es simpel machen?

Der Account Plalmer findet sich in dieser Bezeichnung mit seiner komplexen Aufgabenstellung nicht wieder und nennt sich Strategic Planner, ein anderer empfindet seine Tätigkeit als kreativ und macht sich zum Creative Planner. Ein weiterer konzentriert sich auf alles, was online ist, und nennt sich Digital Planner, Aber kann der Strategie Planner auch die Aufgaben des Digital Planner übernehmen, und ist der Creative Planner möglicherweise zu wenig strukturiert, sondern vor allem intuitiv unterwegs

Blicken wir auf eine der Kernkompetenzen von Plannern: Aus einer Menge an Informationen gilt es, das Wichtigste herauszufiltern, die Essenz zu finden und auf den Punkt zu bringen. Die Leistung ist es – egal was auf der Visitenkarte steht – für Klarheit und Transparenz in den Marketingmaßnahmen zu sorgen und sicherzustellen, dass mit den richtigen Mitteln das Ziel im Sinne des Auftraggebers erreicht wird. Richtig hängt dabei von Parametern wie Zielgruppen und zur Verfügung stehende Mittel ab. Der Planner erfasst und analysiert Situationen, bewertet diese, und kreist wie ein Hubschrauber über dem großen Ganzen, um alle Einzelteile zu erkennen, die miteinander in Beziehung stehen. In der Folge entwickelt er aus dieser Analyse eine Vorstellung davon, welches Ziel wie erreicht werden kann. In dieser Tätigkeit stecken nun sowohl strategische als auch konzeptionelle Aufgaben. Nach seiner altgriechischen Herkunft heißt Strategie „Art und Weise, das Heer ins Feld zu führen“. Und der lateinische Wortstamm des Konzepts lautet ‚concipere‘ und steht für das Erfassen einer Grundvorstellung bzw. Idee, die wie ein Plan ist. Die Ausführung des Plans ist dann die Aufgabe der Kreation. Nach diesen Definitionen entsteht zuerst die Strategie, daraus resultiert ein Konzept. Nach dem Konzept folgt die Idee, was aber nicht heißt, dass das Konzept ideenlos ist. Auch hier soll Mark Pollard zu Wort kommen: „…if you’re a planner and you‘re not putting ideas into strategies, I really don’t understand what your role as a planner in an agency is.“

Sehen wir uns die Begriffsdifferenzierung an einem Beispiel an: Die Strategie könnte beispielsweise darin bestehen, bis in fünf Jahren in Deutschland nur noch zehn unterschiedliche Berufsbezeichnungen für Planning-Tätigkeiten zu führen. Das Konzept, dies zu erreichen, bestünde beispielsweise im Aufsetzen eines Zertifizierungs-Prozesses. Die Idee schließlich soll es schaffen, dass auf begeisternde Art und Weise die APG-Mitglieder von dem Konzept überzeugt werden und es nicht als sinnbefreiter Gedanke eingeordnet wird.

 

Was ist mehr Wert – Strategie oder Konzept?

Das Fallbeispiel ist bisher reine Fiktion, aber hilfreich für die Ausführung einer Differenzierung der Begriffe Strategie und Konzept sowie Idee. Übrigens: Wer wissen will, was genau und was nicht hinter dem Begriff Idee steckt in Verbindung mit unserer Branche: Es lohnt sich, darüber nachzudenken und nachzulesen.

Solange die Begriffe und die Tätigkeiten, die dahinter stecken, ineinander verschwimmen, solange lässt sich die Frage nach dem Wert nicht beantworten. Gehen wir aber von der oben beschriebenen Begriffs-Differenzierung aus und lassen die Strategie am Anfang aller Planning-Aufgaben stehen, liegt die größte Verantwortung in der Ausarbeitung der richtigen Strategie: Denn auch die cleversten miteinander vernetzten Maßnahmen können nichts bewirken, wenn sie ein falsch gestecktes Ziel anpeilen. Übertragen wir diese Überlegung auf die Gehälter vom Sachbearbeiter bis zum General Manager, ist die Frage nach dem Wert der Strategie schnell geklärt: Der Posten, mit der größten Verantwortung, sollte auch am meisten Wert sein und wertgeschätzt werden.

Egal, was auf der Visitenkarte steht, wer als Planner arbeitet, hat definitiv einen traumhaften Beruf: Wir entwickeln Strategien, indem wir als Anwälte der Zielgruppen Menschen beobachten. Bei welchem Job sonst kann man gemütlich im Cafe sitzen und die Passanten und anderen Gäste belauschen, und damit sein Geld verdienen? Und in welchem Beruf sonst kann man im Websurfen und sich durch diverse Fundstücke inspirieren lassen, um wie ein Chirurg durch das Zusammenflicken von wichtigen Informationen zukunftsfähige und hoffentlich wertschöpfende Konzepte mit Ideen entstehen zu lassen? Lassen wir mal Fünfe gerade sein: Die Planning-Disziplin ist in Deutschland erst seit den neunziger Jahren am Heranreifen, zeitgleich hat sich die Medienwelt mit dem Web neu erfunden. So ist es auch durchaus akzeptabel, dass in einer ersten Phase einer neuen Berufsdisziplin Identifikations-Fragen auftauchen und diskutiert werden. Keiner sagt, die Welt sei nicht komplex. Aber wir Planner sollten uns auf unsere Kernkompetenzen besinnen – dem Vereinfachen von komplexen Zusammenhängen – und uns öffnen für eine Reduktion von Jobtiteln zugunsten von mehr Durchblick in unserer Branche.

 

 

Foto: “ich finds geil!” | kallejipp | photocase.de

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