Zeit für Neue Originale

Ganz unten im Regal zu finden. Extrem reduziert in Preis und Design. Allein die Qualität stimmt, und mit ein bisschen Verspätung gibt’s für wenig Geld auch die eine oder andere Innovation des Marktführers – Handelsmarken sind echte Umsatzbringer.

Von Daniel Walloch, Heimat Berlin

 

Laut Nielsen machen in Deutschland Handelsmarken 32 Prozent des Gesamtmarktes aus. Smartness war ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei: Das gute Gefühl, für einen guten Preis quasi Marktführerqualität erworben zu haben. Zahlreiche Artikel, Onlineforen und Bücher haben die Diskussion, welche Marke sich hinter welcher Handelsmarke verbirgt, zum Volkssport werden lassen.

 

Rundum gute Ware und No Frills – das überzeugt

Doch das reicht langsam nicht mehr aus: Neue Ansprüche von Konsumenten in einer immer ausdifferenzierten Warenwelt wollen befriedigt werden. Und dabei ist eine reine Steigerung der Produktleistung nicht das alleinige Maß der Dinge. Delm irgendwann ist jedem klar, welcher Markenjoghurt für einen geringeren Preis unter anderem Namen zu haben ist. Wenn die Kraft der Kopie nachlässt und in gesättigten Märkten der Raum für Wachstum kleiner wird, ist es Zeit für Neue Originale. Originale, die für mehr stehen als den einen oder anderen gesparten Euro.

 

Eigenständigkeit und Emotion gewinnt Herzen

Handelsmarken haben sich von etablierten Marken mehr als nur Qualität und Produktperformance abgeguckt. Heute nutzen sie in zunehmendem Maße auch ihre emotionale Kraft. Mit allen Vorteilen, die eine solche Bindung verspricht: Loyalität und Konsumtreue. Damit verbunden bleibt das Preisargument, wenn gleich deutlich subtiler. Gezielt platzierte Imagespitzen sorgen für das notwendige Maß an Begehrlichkeit. Und lassen die Grenzen zwischen den Markenkonzepten in zunehmendem Maße verschwinden.

Vier Erfolgsfaktoren nutzen die Neuen Originale für ihre ganz eigene Form der Schubkraft durch Marke: Neue Originale befriedigen alle Bedürfnisse. Angefangen bei Gattungsmarken (No Names oder Weiße Ware), die dem alten Klischee entsprechen: Die Ausrichtung auf einen klaren Geldvorteil ist Prinzip der Markenführung. Ein echter Klassiker: Ja! von REWE. Reduktion auf das Wesentliche kennzeichnet sowohl die Packungsgestaltung als auch die aggressive Preisstrategie. Kommunikation im klassischen Sinne ist hingegen kaum Bestandteil des Konzepts.

Einen Schritt weiter gehen klassische Handelsmarken. Die Imitation bestimmter Produktvorteile von hochpreisigen Markenprodukten ist die Grundlage für die Markenführung. Ergänzend sichern kommunikative Maßnahmen Differenzierung. Bekanntes Beispiel: Balea von dm. Mit der eigenen Gestaltung von Etiketten für Duschbäder wird das Streben nach Markenvorbildern deutlich. Dennoch bleibt die Markenführung dem Follower-Prinzip auch in der Kommunikation treu.

Jüngstes Beispiel in der Entwicklung der Markenführung: Handelsmarken emanzipieren sich. McNeal von Peek & Cloppenburg (Düsseldorf) ist hier einer der Vorreiter. Mittlerweile mit eigenständigem Shop-Konzept und auch in anderen Geschäften erhältlich, hat die Marke den Grundstein gelegt für einen durch und durch eigenständigen Auftritt.

 

Neue Originale spielen Rolle in der Lebenswelt

„Roter Teppich, Blitzlichtgewitter, Modeshootings am anderen Ende der Welt. Mit gutem Gespür für die neuesten Modetrends wird der REVIEW Fashion Reporter u.a, von den Fashion Weeks berichten. Designer und Models backstage begleiten oder die Making-of-Videos von Kampagnen-Shootings moderieren. Eine perfekte Chance, um in der Modewelt Fuß zu fassen.“

Was klingt wie der PR-Text für eine neue Castingshow, ist ein Kommunikationskonzept für REVIEW. Ebenfalls  eine ehemalige Handelsmarke von Peek & Cloppenburg (Düsseldorf). Seit Kurzem wird sie eigenständig geführt. Und erobert mit einem stimmigen Image zu kleinem Preis die Herzen von jungen Konsumenten im hart umkämpften Young-Fashion-Markt.

Die Kommunikation emanzipiert die Marke und trägt entscheidend zu ihrem Aufbau bei. Dabei zeigt sich, große Spendings sind kaum nötig. Je nach Marke, Produkt und Zielgruppe werden die Kanäle intelligent kombiniert, die in der jeweiligen Lebenswelt den Ton angeben.

 

Neue Originale profilieren

Die Zeiten des „Balea kopiert Nivea“ sind endgültig vorbei. Der Follower-Ansatz ist immer noch praktikabel, aber jenseits davon ergeben sich für Handelsmarken viel größere Potenziale. Das Ziel: Nachhaltige Profilierung auf allen Ebenen der Konsumentenwahrnehmung.

Hornbach ist positioniert als Baumarkt mit einem hohen Anspruch an große Projekt und ihre leidenschaftliche Umsetzung. Die Auswahl und das Angebot der Eigenmarken sind Garant für diesen Anspruch – sowohl in der Qualität als auch der Tiefpreisgarantie.

Die exklusive Kooperation mit MacAllister Elektrowerkzeugen erdet den Projektgedanken der marke Hornbach. Denn auch MacAllister steht für die großen Aufgaben („Professionelle Unterstützung für den Heimwerker“). Die Profilierung erfolgt über die Platzierung in den Märkten, insbesondere am PoS. Und in der klassischen Kommunikation: Im Kurzfilm ‚Das grenzenlose Haus‘ sind MacAllister-Maschinen das Tool für den Helden, seine Träume zu verwirklichen.

 

Neue Originale besetzen Nischenn

Es ist bemerkenswert, zum Teil sind die Premium-Produkte der Neuen Orginale das einzige Angebot im jeweiligen Marktsegemnt. Schwer kopierbare Eigenmarken-Konzepte sollen diesen Vorsprung auf Dauer sichern. Beispiel: REWE Feine Welt. Ein Feinschmecker-Konzept, das REWE neues Potenzial im Bereich der Premium-Lebensmittel erschließt. Und den Trend von Nachhaltigkeit und Genuss bedient. REWE als Absendermarke profiliert von einer neuen Feinschmecker-Kompetenz. Und erweitert zum anderen die Zielgruppe.

 

Die Folge: Mit dem Image der eigenen Handelsmarke wird die Kompetenz des Herstellers dauerhaft gestärkt – nachhaltiger und glaubwürdiger, als es mit einer Kampagne möglich wäre.

Klassische Markenartikler bleiben außen vor. Mehr noch: Sie finden sich nun – zum Teil –  in der Rolle der Follower wieder. Damit haben sich die Rollen endgültig umgekehrt: Handelsmarken besetzen Nischen mit eigenständigen Konzepten und die vormaligen Innovationsführer stehen vor der Wahl zu kopieren oder ihrerseits neue Nischen für neue Produkt- und Markenkonzepte zu suchen. Fazit: Die Umsatzbringer von gestern sind die Imagebringer von morgen.

Die Emanzipation von Handelsmarken schreitet voran. Statt sich mit der Rolle der Follower zufrieden zugeben, übernehmen eigenständige Handelsmarken-Konzepte die Leadership-Funktion und setzen klassische Marken unter Druck. Die Bandbreite ist dabei groß wie nie: Lebensmittel, Drogerie oder Fashion – Neue Originale profilieren Herstellermarken in beinahe jedem Markt und diversen Segmenten. Dank einer fragmentierten Medienlandschaft wird Aufbau und gezielte emotionale Verankerung deutlich effizienter möglich.

Die Konsequenz: Neue Segmente im Markt mit eigenen Markenkonzepten zu erschließen, wird zum anspruchsvollen, aber lohnenden Ziel für den Handel. Denn neben der Wertschöpung ist die Profilierung der Herstellermarke ein glaubwürdiger und langfristiger Nebeneffekt.

Damit setzt der neue Anspruch an Emotion und Image klassische Marken unter Zugzwang. Denn die Grenzen zwischen den Markenkonzepten sind de facto aufgehoben. Die Kopien von einst sind Neue Originale geworden; und damit aus den Umsatzbringern von gestern die Imagebringer von morgen.

 

 

Foto: „Original“ | fult | photocase.de

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