In der Markenführung ist weniger mehr

Fokussierung und Differenzierung sind markenstrategische Grundpfeiler. Allzu häufig werden diese aber vernachlässigt. Oft mit schwer wiegenden Folgen, die das Marken-Management unfreiwillig zur Rückbesinnung bringen.

Von Dr. Annette Bruce, Creative Advantage, Hamburg

 

Gerade noch rechtzeitig zum 100-jährigen Bestehen hat die Marke Nivea mit der Strategie ‚Focus on Skin Care. Closer to Markets‘ eine bedeutsame strategische Rückkehr zum Markenkern ‚Skin Care‘ vollzogen. Mit viel Aufwand war Nivea 1998 ausgezogen, um neben der klassischen Hautpflege das Feld der dekorativen Kosmetik zu erobern. 35 Millionen Mark kostete die Einführung von ‚Nivea Beauté‘. Doch trotz der großen Beliebtheit der Marke musste Nivea sich schließlich gegenüber der etablierten spezialisierten Konkurrenz geschlagen geben. ‚Pflege‘ ist in dekorativer Markenkosmetik kein relevanter Wert.

Neben dem geschäftlichen Misserfolg hatte ebenso die Marke durch den Fokusverlust gelitten und verlor auch auf angestammtem Personal-Care-Terrain an Attraktivität und Wachstumsdynamik im Vergleich zu Konkurrenten wie zum Beispiel Dove.

 

Fokussierung – altmodisch oder zeitlos?

Zum Fokusverlust durch undisziplinierte Markendehnungen gesellt sich in letzter Zeit zudem das Phänomen der undisziplinierten Markenkommunikation. Die neuen Medien und die Möglichkeiten des lnternets sind allzu verführerisch, so dass sich im Marketing in den vergangenen Jahren eine nicht gekannte ‚Trial-and-Error-Kultur‘ entwickelt hat: ein Freibrief zum Ausprobieren, Kreativität als Selbstzweck führt selten zum Erfolg. lm Marketing geht es darum, Kreativität zu nutzen, um ein Verbraucher- oder Kundenproblem neu, überraschend, ansprechend und erfolgreich zu lösen.

Eine Zeit lang mag der Fokus auf kreative Ideen ungeachtet des Markenkerns gut gehen. Zugegeben, unmittelbar zu messen ist der Schaden in der Regel nicht, der der Marke durch die Abweichung von ihrem Kern entsteht. Doch der Markenwert wird langfristig in jedem Fall geschwächt.

Wer aber die alte Marketing-Weisheit des Fokussierens predigt, steht in der Regel als Bremser da oder muss sich den Vorwurf gefallen lassen, „nicht ganz up to date“ zu sein, was die neuen Medien und die Optionen zur Markendehnung angeht. Das wiegt natürlich schwer in einer Kultur, in der nur der Weg nach vorne zählt und die Besinnung auf alte Tugenden bereits als Rückschritt tituliert wird.

Doch Expansionsentscheidungen in neue Angebote oder Kanäle, getrieben von der Angst vor verpassten Wachstumsmöglichkeiten, sind mit großen Herausforderungen verbunden: Zum einen müssen auf dem Weg zu profitablem Wachstum erst etablierte Marken verdrängt werden, und zum anderen muss sich die Marke an das neue Wettbewerbsumfeld anpassen und nach den Regeln des Marktes spielen. Aussichtsreicher ist oft das Ziel, mit einer Marke in ihrer spezifischen Kategorie und mit ihren Kern-Kompetenzen die führende bzw. dominierende Rolle zu erlangen oder auszubauen.

 

Stolz auf den Verzicht

Der strategische Weg zur Erreichung dieses Ziels ist es, Entscheidungen zum Produktportfolio und zur Kommunikation streng am Markenkern auszurichten. lm Sinne der Markenstrategie ist weniger mehr oder um es mit den Worten von Michael Porter zu sagen: „Der Kern einer Strategie besteht darin zu bestimmen, was man nicht macht.“

Doch in der Praxis gibt es immer wieder Marken, die die Differenzierung vernachlässigen und dafür bezahlen müssen. Beobachtet man zum Beispiel Blackberry in ihrem Bemühen, Apple oder Samsung auf dem Smartphone-Markt Paroli zu bieten, so wird schmerzhaft deutlich, was Fokusverlust für eine Marke bedeuten kann. Nach dem Aufstieg der Konkurrenten, die mit Lifestyle-Geräten große Erfolge feiern, versucht Blackberry sich ebenfalls in diesem Bereich zu positionieren und weicht so von seinem eigentlich starken Markenkern ‚Business‘ ab.

Angleichung ist aber sicher nicht der Weg aus der Krise für Blackberry. Dieser kann nur über Differenzierung und die Konzentration auf den Markenkern erfolgen. Das heißt, Blackberry müsste einen neuen Standard für Business-Smartphones setzen – nur das würde seine Position im Markt wirklich sichern.

Sich gegen etwas zu entscheiden, muss kein Verlust sein. So betonte auch Steve Jobs: „Wir sind genauso stolz auf das, was wir nicht gemacht haben, wie auf das, was wir gemacht haben.“ Was auf Produktebene gilt, gilt bei Apple auch kommunikativ, denn bis heute ist das Unternehmen zum Beispiel nicht in sozialen Medien aktiv.

In der Welt der unbegrenzten Möglichkeiten braucht es Mut, sich zu begrenzen und zu fokussieren. Denn Bauchläden – sei es mit einer Vielzahl von nicht am Markenkern orientierten Produkten oder in Form eines undisziplinierten kommunikativen Overflows – haben keine Chance am Markt. Sie verwässern die Marke und machen sich nach und nach obsolet, denn es wird immer einen fokussierten Anbieter geben, der mit seiner Strategie die Kundenpräferenzen besser bedient.

 

 

Foto: „R“ | eyelab | photocase.de

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