Planning nach dem 2.0-Hype

Der verpatzte Börsengang von Facebook und die Zunahme kritischer Nachfragen zum Nutzen von Social Media sind deutliche Zeichen dafür, dass die 2.0-Hype seinen Zenit überschritten hat und die Phase der pragmatischen Einbindung ins Tagesgeschäft kommt. Eine Zwischenbilanz aus Planning-Sicht.

Von Knut Riedel, freier Planning Director, Hamburg

 

1. Vom ’neuen‘ Kommunikations-Paradigma zum integrierten Alltag.

Ein Déjà-Vu stellte sich ein, wenn man schon bei Hype 1.0 dabei war: Märkte sind (immer noch) Gespräche, das Internet (jetzt auch mobil) sorgt für totale Transparenz, die Konkurrenz ist nur einen Klick entfernt, Unternehmen müssen dringend zuhören statt senden, Kommunikation erfolgt zukünftig im Dialog und 24/7, und die zunehmend kritischeren Konsumenten übernehmen gerade die Kommunikations-Hoheit und die Marken-Definition.

Überließ man vor 15 Jahren das Kommunikations-ideologische Feld fast ausschließlich den Lichtgestalten der New Economy, so beteiligten sich dieses Mal auch auffällig viele Planner an der Verkündung der Thesen. Leider wiederholten sich aber auch dieses Mal überwiegend einige wenige spektakuläre Cases, die leider kaum Bezug zum deutschen Markt und zum Planning-Tagesgeschäft hatten.

Ebenso wie „Internet“ ist nun auch „Social Media“ zum Standard-Unterpunkt des typischen Kunden-Briefings geworden: Es muss mit bedacht werden; wird umgesetzt, wenn Ressourcen bereit stehen; und wird von Spezialisten realisiert, die strategisch anzuleiten sind. Wieder hat die Welt sich verändert, aber lange nicht so grell wie prophezeit.

 

2. Der Kern bleibt: Planning ist eine Gestaltungs-Aufgabe.

Märkte mögen Gespräche sein, für das Marketing sind sie aber vor allem Transaktions-Plattformen, auf denen Angebote attraktiv platziert und verkauft werden sollen. „Zuhören“ ist ein wichtiger Zwischenschritt, aber die zentrale Frage des Marketing-Managers bleibt „Wie kann ich möglichst wirkungsvoll tätig werden?“

Planning bricht diese Frage auf die Kommunikations-strategische Sicht herunter: Was bieten wir überhaupt an? Welche Punkte machen unser Angebot attraktiv und für wen? Was kommunizieren wir wo und wie?

Der entscheidende Unterschied von Planning zu Marktforschung: Die Auseinandersetzung mit der Weltsicht der Zielgruppe ist immer nur Vorstufe zum eigentlichen schöpferischen Akt – der Definition einer Stoßrichtung, wie das Angebot des Auftraggebers „marktgängig“ inszeniert werden soll.  

 

3. Die neue digitale Unübersichtlichkeit bei der Insight-Findung.

Kern aller Strategiefindung ist der „Insight“: Ein strategisch bedeutsamer Fakt, der wegweisend für eine erfolgsträchtige Zukunft wirkt.

Um ihn zu finden, wühlte man sich im vor-digitalen Zeitalter durch zentimeterdicke Kopienstapel und bewegte sich dann zügig auf die Straße oder ins Teststudio, um O-Töne einzusammeln und sich ein eigenes Bild von der Zielgruppe zu machen. Heute dagegen bietet jedes Smartphone Zugriff auf das Archiv der Welt und man steht sofort vor einem Berg von Texten, Zahlen, Bildern, Videos und Meinungen. Früher gelang die Extraktion des Insights meistens durch einen besonders tiefen Einstieg in die Psyche der Zielgruppe. Heute besteht die wesentliche Aufgabe eher darin, eine Schneise durch den Daten-Dschungel zu schlagen und sich einen Reim auf die hyperkomplexe Informations-Flut zu machen. Deutlich besser informiert sind wir heute, schlauer nicht unbedingt.

Das Ziel einer belastbaren Strategie erreicht man heute nur, indem man den Lärm der Gegenwart ruhen und die Intuition einen Weg in die Zukunft erarbeiten lässt – der dann vom Verstand gegen alle Eventualitäten abgesichert wird. Und dies auch dann, wenn man permanent mit neuester Kunden-Marktforschung, Zahlen-Kolonnen der Media-Agentur und aktuellem Social Media Monitoring überschüttet wird.  

 

4. Das Arbeitsfeld verbreitert sich.

„Planning ist die Summe all dessen, was Planner tun, wenn sie sich als Planner verstehen (und nicht als Unternehmensberater, Konzept-Texter, Trainer etc.)“ könnte man leicht ironisch soziologisch definieren. Weder arbeiten Planner heutzutage nur in Werbeagenturen noch sind sie überwiegend mit Werbung im engeren Sinne befasst. Im Zusammenhang mit Social Medin fallen vor allem zwei Erweiterungen des Job-Profils auf:

Erstens reicht es in Zeiten von Multimedia Experience Marketing und Transmedia Storytelling nicht mehr, eine einzige prägnante Kernbotschaft zu definieren – sondern die Marke braucht eine definierte Wolke von Themen und Plattformen, die sie konzertiert und dramaturgisch fein geplant bespielt. Hier ist eine Erweiterung des klassischen Plannings in Richtung Public Relations zu beobachten.

Zweitens hat sich mit „Channel Planning“ eine neue Funktion im Übergangsfeld zwischen klassischen, digitalen und Media-Agenturen herausgebildet. Mit Funnel-Modellen und „Customer ]ourneys“ geht es um die eher qualitativen Aspekte der Mediaplanung: Welches Medium leistet was? Welche Rollen-Aufteilung haben die Medien? Was und wie viel sagen wir wann und wo? Die Aufgabe ist weniger Insight-Findung, sondern mehr der Kanal-Komplexität Herr zu werden. Der Planner wird hier zum Ordner und Organisator der Medien-Landkarte.

 

Die klassischen Strategie-Tools werden angepasst

„Planning ist die Summe all dessen, was Planner tun, wenn sie sich als Planner verstehen (und nicht als Unternehmensberater, Konzept-Texter, Trainer etc.)“ könnte man leicht ironisch soziologisch definieren. Weder arbeiten Planner heutzutage nur in Werbeagenturen, noch sind sie überwiegend mit Werbung im engeren Sinne befasst. Im Zusammenhang mit Social Media fallen vor allem zwei Erweiterungen des Job-Profils auf:

Erstens reicht es in Zeiten von Multimedia Experience Marketing und Transmedia-Storytelling nicht mehr, eine einzige prägnante Kernbotschaft zu definieren – sondern die Marke braucht eine definierte Wolke von Themen und Plattformen, die sie konzertiert und dramaturgisch fein geplant bespielt. Hier ist eine Erweiterung des klassischen Planning in Richtung PR zu beobachten.

Zweitens hat sich mit „Channel Planning“ eine neue Funktion im Übergangsfeld zwischen klassischen, digitalen und Media-Agenturen herausgebildet. Mit Funnel-Modellen und „Customer Journeys“ geht es um die eher qualitativen Aspekte der Mediaplanung: Welches Medium leistet was? Welche Rollen-Aufteilung haben die Medien? Was und wie viel sagen wir wann und wo? Die Aufgabe ist weniger Insight-Findung, sondern mehr, der Kanal-Komplexität Herr zu werden. Der Planner wird hier zum Ordner und Organisator der Medien-Landkarte.

 

5. Die klassischen Strategie-Tools werden angepasst.

In den späten 1990er Jahren war es eine Art sportlich-intellektuelle Übung unter den Planning-Abteilungen der großen Agenturen, sein „ganz eigenes“ Marken-Modell und das „ultimative“ Creative Brief-Format zu entwickeln. Spitzfindig diskutierte man, ob eine Kernbotschaft, ein Promise oder ein Benefit ins Kästchen einzutragen sei, und ob man eher einen oder lieber möglichst viele Reason-Whys nennen sollte.

Die grundlegende Frage stellt sich heute mit neuer Ernsthaftigkeit: In welcher Form und in welchem Format stellt man die relevanten Punkte seiner Strategie dar – so dass erstens alle relevanten Fakten mitgeteilt sind, zweitens die Stoßrichtung für alle Beteiligten klar und verständlich ist, drittens die Kreativen und sonstigen Umsetzer inspiriert werden, und viertens auch der Kunden die Strategie gerne intern weiter trägt?

Die Antwort ist noch nicht gefunden, die Diskussion noch in vollem Gange. Und (ein wichtiger Unterschied zu den 90ern) sie wird zunehmend offen geführt, weil allen Beteiligten inzwischen klar geworden ist, dass Genialität nicht durch ein Tool entsteht, sondern aus der Inspiration seines Bedieners.  

 

Fazit: Die Welt ändert sich weiter. Das Planning auch.

Ebenso wie Hype (und Krise) 1.0 führt auch Hype 2.0 eher zu Evolution statt Revolution. Aufgaben und Tools des Planning verändern und erweitern sich. In einer noch komplexeren und noch unübersichtlicheren Kommunikations-Welt ist die Kern-Funktion des Planning dabei umso wichtiger: Für Ordnung und Überblick sorgen, um für Produkte und Marken langfristig angelegte Erfolgswege zu definieren, die Kunden überzeugen und Kreative inspirieren.

 

 

Foto: „2020?“ | *tigerente* | photocase.de

comments powered by Disqus