Gold für die erfolgreichste Frittenbuden-Kampagne geht an …

Es gibt eine große Diskussion um die Kreativ-Awards. Das freut mich. Ich mag Goldideen nicht. Sie untergraben die Wertschätzung unserer Industrie und lassen uns vergessen, dass gute, große, echte Kampagnen möglich sind.

Von Dr. Gordon Euchler, Senior Planner DDB Tribal Berlin

 

Als Planner betreffen mich die Kreativ-Awards aber nur am Rande (ähnlich wie die Champions League als 1. FC Köln-Fan mich nur am Rande betrifft). Ich frage mich allerdings, warum es dieselbe Debatte um Fake- und Award-Ideen nicht bei den Effektivitäts-Awards gibt?

Mich treibt das jährliche Effektivitäts-Awards-Geschreibe in den Wahnsinn. Nicht weil ich nicht glaube, dass wir mehr Beispiele brauchen, wie großartige Kampagnen zu wirtschaftlichem Erfolg führen. Sondern weil ich nicht glaube dass die Effektivitäts-Awards sich genug anstrengen und genug Raum lassen, dies wirklich zu zeigen. Weil sie es sich bei der Preisverleihung zu einfach machen und man immer wieder reine Award-Ideen als Gewinner sieht (Unicef etc ). Oder noch viel schlimmer, Cases wo zwar die Verkaufszahlen explodieren, aber jeder normaler Betrachter sieht, dass dies wohl nur sehr wenig auf die Kommunikation zurückzuführen ist.

Zum Beispiel die größten Wachstumsraten im Vergleich zum Vorjahr –  bei einer Neueinführung. Riesige Marktanteilsgewinne – und jeder weiß, wie die Marktanteile im letzten Jahr eingebrochen sind. Die besten Ergebnisse des internen Tracking Systems – hmmmm.  Eine unfassbar langweilige Kampagne die keinen Menschen mit IQ von mehr als 50 interessieren kann, soll zu unglaublichen Rekordverkaufen gefuhrt haben. Vier Millionen Clicks auf Youtube – und die Statistik ist öffentlich nicht einsehbar.(1)

Na gut, so sind die Effektivitäts-Awards halt. Aber wer zwingt uns denn zu solchen Awards. Sind sie nicht genau so gut, wie wir sie machen? Deshalb mein Plan für nächstes Jahr, wenn wieder die Case-Schreibe-Panik ansteht: Lasst uns von den Effektivitätspreisen dasselbe verlangen, was wir als Zuschauer seit Jahren von den Kreativwettbewerben verlangen. Planner, lasst uns nur noch Cases schreiben, die wir selber als Leser ernst nehmen würden. Award Jurys, werdet strenger! Effie- Veranstalter, schafft doch mehr Raum – nicht für markige Worte, sondern für echte Effizienznachweise (das wäre allerdings schade für einen befreundete Kreativen, der mir erzählte, es gäbe nächstes Jahr einen Kreativ-Award für die beste Effie-Headline).

 

Wie man die Effektivität von Kampagnen aufzeigt 

Das sind zwar schöne Vorsätze, aber dadurch alleine schreiben sich noch keine besseren Cases. Nun bin ich leider ein Null-Effektivitätsaward-geschweige-denn-Shortlist-Gewinner und von mir lässt sich also hier nichts lernen.

Aber Gott sei Dank gibt es im Planning einen in Deutschland kaum berücksichtigten Award. Einen Award, der den Effizienz- und Effektivitätsnachweis ein wenig genauer betreibt. Und da mein erster Boss – John Lowery – sich weigerte über irgendeinen anderen Award als die lPAs mit mir zu reden kann ich zumindest ein paar Ideen aus den alten Advertising-Works Buchern aufgreifen. Ideen, wie man elegant die Effektivität einer Kampagne aufzeigt. Ideen die unsere Awards ein wenig aus der Frittenbuden-Kategorie herausholen:

  • Mehr Raum für ökonometrische Modelle,  Erfolgsfaktoren von Sales aufzeigen und damit den Einfluss von Kommunikation von anderen Faktoren wie Produkt oder Wetter trennen.
  • Eine Kategorie für Cases, die zeigen wie Kommunikation über Jahrzehnte für Erfolg sorgen (also nicht für Abverkauf in einer Woche sorgt sondern langfristig die Baseline der Nachfrage verschiebt) – wie der immer wieder lesenswerte ‚IPA Golf Case‚.
  • Ein einfacher, eleganter und oft bei den IPAs angewandter Trick: den Erfolg eines neu gelaunchten Produktes mit dem eines anderen Landes vergleichen, in dem dasselbe Produkt mit anderer Kommunikation gelauncht wurde.
  • Aufzeigen, wie sich die Preiselastizität verändert, also dass Werbung nicht einfach nur zu mehr Verkäufen führt, sondern auch dazu, dass man höhere Preise verlangen kann.
  • Oder detailliert den Einfluss der Kommunikation auf den Aktien- oder Verkaufspreis eines Unternehmens zeigen (wie in dem sehr starken ‚O2 Case‘).
  • Oder mal den Return on Marketing nicht nur zeigen, sondern auch mal mit den möglichen Alternativinvestitionen vergleichen.
  • Mit ökonometrischen Modellen nicht nur den kurzfristigen Erfolg zeigen, sondern auch den Base-Level berechnen, also wie die neu gewonnenen Käufer auch in den Folgejahren zusätzlich Verkäufe generieren.
  • Und – dies ist wahrscheinlich tatsächlich eine Idee von mir – wie wäre es mit einem Sonderpreis für die besten neuen Methoden, Erfolg von Kommunikation nachzuweisen.

Lasst uns die Effies ernst nehmen

Also: Lasst uns die Effies alle zusammen ernst nehmen, und sie zu einem Instrument machen, das Kunden beeindruckt. Oder aber lasst uns noch viel mehr möglichst viele kleine Effectiveness-Awards einführen, Ranglisten machen, Award-Strategien entwickeln, Gold-Teams und Freelancer einstellen, die nur Effie Awards für den Strickshop um die Ecke schreiben, lasst uns das erfolgreichste Land in diesen Awards werden, lasst uns die gewonnenen Scheinawards zum Einstellungskriterium machen, lasst unsere Boni am Jahresende nach den gewonnenen Scheinawards berechnen.

Egal, wofür wir uns entscheiden, ich werde jedenfalls weiter jedes zweite Jahr mein völlig überteuertes IPA-Advertising-Works Exemplar kaufen, diese Bücher niemals staubig werden lassen und alle Leute damit nerven, wie toll und präzise, ja fast schon wissenschaftlich diese Cases sind (wer mit-geeken möchte, bitte einfach auf Facebook melden). Und träumen eines Tages, vielleicht auch mal, so einen zu gewinnen. Mit einer Kampagne, an der der Kunde und die Agentur verdient haben, und auf die wir stolz sind.

Oder ich versuche einen Strategy-Corner Artikel über Proll-Planning zu schreiben.

 

(1) Ich mache hier kein öffentliches Naming und Shaming, aber all dies sind Beispiele aus den Award-Büchern der letzten paar Jahre.

 

 

Foto: „Goldmarie“ | Hello_beautiful | photocase.de

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