Strategy Corner – Maya Jribi, Rebellin von Natur

Von Mathias Ulmann, freier Creative Digital Strategist

 

Ein Porträt der tunesischen Politikerin Maya Jribi, einer bemerkenswerten Frau, die am 13 Juni in Hamburg bei der diesjährigen ‚Open Source‘-Veranstaltung der APG als Rednerin auftritt.

Schwierig, ja sogar unmöglich, das Thema „Rebellion“ zur Sprache zu bringen, ohne die Revolutionen in Nordafrika und in der arabischen Welt zu erwähnen. Seit fast drei Jahren spielen sich dort dramatische und zugleich fantastische Ereignisse ab.

Das zeigt, dass das Wort Rebellion vor allem von politischer Natur ist. Rebellion ist eine Widerstandsaktion, eine Aktion gegen eine Herrschaft, die unerträglich, aber auch – und dies ist nicht bedeutungslos – zu stark und paradoxerweise verwundbar geworden ist. Man rebelliert gegen den Staat, der nur noch Synonym von Gewalt, Korruption und Ungerechtigkeit geworden ist. Das Volk kann einfach nicht mehr und will nicht mehr weiter leiden und weiter die repressive Herrschaft dulden. Das Volk muss sich erheben, um die Regierung zu stürzen.

 

Tunesien als Keimzelle der Rebellion

So passiert in Tunesien, dem Land, wo alles begann. Am 17. Dezember 2010, ungefähr 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Tunis, wo Ben Ali seit 23 Jahren ununterbrochen herrscht. An diesem Tag verbrennt sich der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi – der erste Märtyrer – vor seinem mobilen Marktstand. Das war der Auslöser, der die ganze arabische Welt in Aufruhr brachte und vor neue Herausforderungen stellte.

Eine Rebellion braucht nicht nur einen Zünder, sie benötigt Menschen, die sie in eine tief greifende und anhaltende Bewegung verwandelt. Eine Rebellion braucht Kämpfer. Und Kämpferinnen. Maya Jribi ist eine davon.

Geboren im Jahr 1960, Tochter einer algerischen Mutter und eines tunesischen Vaters. Medizin zu studieren war ihr Traum, allerdings wurde es an der Université de Sfax Biologie (1979-1983). Dort entdeckte sie ihre Leidenschaft für das politische Engagement, also am Rand der offiziellen und anerkannten Parteien.

Nach dem Studium ging es Richtung Tunis, wo sie Journalistin der Zeitschrift ‚Erraï‘ wurde und später eine neue Zeitung gründete: ‚AI-Mawkif‘. Parallel dazu war sie in Tunis Angestellte bei dem EI Amouri Institute – Marketing Studies.

 

Kampf um soziale Gerechtigkeit

Mit 23 Jahren war Jribi bei der Gründung der RSP-Partei (Rassemblement Socialiste Progressiste) dabei, einem Vorläufer der PDP (Parti Democrate Progressiste), die 2001 gegründet wurde. Hier verbrachte Maya Jribi die meiste Zeit ihrer Laufbahn. Die Partei – eine der größten Parteien der Opposition -, für die sie vier Wochen lang in den Hungerstreik ging. 2006 übernahm sie als erste Frau in Tunesien den Vorsitz.

Trotzdem war Maya Jribi ihre Karriere nie so wichtig wie der Kampf um soziale Gerechtigkeit. Kämpfen für andere, für diejenigen, die keine politische Stimme haben und unter sozialer Ungerechtigkeit leiden. Sie engagiert sich für die Lebensbedingungen der tunesischen Frauen und bei Unicef für die der Kinder.

 

In der ersten Reihe der Rebellion

Maya Jribis Werdegang zeigt, dass es für sie selbstverständlich war, Ende 2011 in der ersten Reihe der Rebellion gegen das unterdrückerische Regime von Ben Ali zu stehen. Mitte Januar 2012 musste Ben All nach Saudi-Arabien fliehen.

Internationale und religiöse Kräfte sind in Tunesien am Werk. Die Situation ist nicht weit entfernt von dem, was wir in Syrien tragischerweise beobachten müssen. Katar unterstützt die regierende Ennahda-Partei, die nah an der muslimischen Bruderschaft ist. Saudi-Arabien steht seinerseits für die Salafisten und ihre Organisation: Ansar Al-Scharia.

Diese Bewegung wurde von Abu lyadh, einem AI-Qaida- Veteranen aus Afghanistan, gegründet. Diese Gruppierung erkennt die Regierung und ihre Staatsgewalt – die selbst eine islamistische Ausridltung hat – nicht an (diese gehe nur von Gott aus). Ansar Al-Scharia wirft der tunesischen Regierung vor, die Islamisierung des Landes nicht schnell genug voranzutreiben.

Die innenpolitische Lage Tunesiens sparmt sich zunehmend weiter an; das hatte sogar Straßenschlachten in einem Vorort von Tunis im Mai 2013 zur Folge.

 

Zeit für die Verwurzelung der Freiheit

In Tunesien ist es Zeit für die Rebellion und Zeit für die Verwurzelung der Freiheit. Die Zeit der Verantwortungsübernahme ist gekommen. Es geht nun nicht mehr nur darum „dagegen“ zu sein, sondern programmatisch „für etwas“ zu sein.

Maya Jribi hat Verantwortung übernommen: Sie ist seit November 2012 Mitglied der verfassunggebenden Versammlung. Dort sitzen Politiker, die die Zukunft des Landes bestimmen und gestalten sollen inklusive der Rechte ihrer Bürger, Frauen inbegriffen.

Es ist Maya Jribis größter Kampf und ihre größte Hoffnung zugleich. Die Politikerin glaubt an die Macht der Frauen gegen die Kräfte des Obskurantismus: „Die Garanten der Revolution sind aber die Frauen: ihr Elan, ihre Energie und ihr Optimismus tragen uns weiter und weiter.“

Um die oppositionellen und progressiven Kräfte zu bündeln und zu stärken, hat Maya Jribi die Fusion ihrer Partei mit Afek Tounes und anderen Parteien der Opposition bekannt gegeben, woraus am 9. April 2012 Al Joumhouri (Die republikanische Partei) entstanden ist. Sie istGeneralsekretärin.

 

Frau, stolz, laizistisch und progressiv

Frau, stolz, laizistisch und progressiv – Maya Jribi ist das Symbol der „Arabellion“ und zugleich deren Herausforderung. Sie will um jeden Preis vermeiden, dass ihr Volk von einer Herrschaft zu einer anderen kommt. Der Kampf wird hart. Sie ist bereit. Ihre politischen Gegner sind stark. Sie ist stärker.

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