From Category to Culture

Von Dr. Peter Petermann ist Chief Strategy Officer, Carat Deutschland. 

 

Viele Werbungtreibende merken gerade, dass das alte Exposure-Modell an seine Grenzen stößt und dass es heute mehr um Engagement als um Awareness geht. Ein möglicher Weg für diese Unternehmen: „Move your brand from Category to Culture.“

 

Gerade im FMCG-Bereich, aber durchaus auch in anderen Branchen, bewegen sich die meisten Marken ausschließlich innerhalb ihrer Kategorie: ihre Botschaften handeln von der Qualität der Zutaten, vom tollen Herstellungsprozess, von innovativen neuen Formeln, von der Tradition des Unternehmens oder was sonst die Kategorie gerade treibt. Das Problem dabei: ihre Mitbewerber machen genau das Gleiche, von Differenzierung keine Spur.

 

Andererseits gibt es inzwischen durchaus eine Reihe von Kunden – zum Beispiel Procter & Gamble, Unilever und Mondelēz –, die es geschafft haben, aus ihrer Kategorie herauszutreten und kulturelle „White Spaces“ zu besetzen, die im Leben ihrer Verbraucher tatsächlich eine Rolle spielen. Die „Proud Sponsor of Moms“-Kampagne von Procter & Gamble, die „Initiative für wahre Schönheit“ von Dove oder Milkas „Dare to be tender“-Ansatz: Was diese Kampagnen eint, ist, dass sie über reines Messaging deutlich hinausgehen und stattdessen ein kulturelles Territorium bespielen, in dem sie eine klare Alleinstellung haben.

 

Diese Marken haben erkannt, dass das, was man tut, wichtiger ist als das, was man sagt – und dass für eine Marke heutzutage wichtiger ist, wie sie sich in den Medien verhält, als die Botschaft, die sie durch Medien verbreitet. Procter & Gamble beispielsweise würdigt das Engagement von Sportler-Müttern anlässlich von Olympia und bringt dadurch eine Haltung zum Ausdruck, die gerade in der aktuellen Diskussion um die Rolle von Müttern weltweit hoch relevant ist. Die Dove-Kampagne bezieht Stellung in einer Diskussion über Schönheitsideale, die man zynischerweise zwar als verlogen bezeichnen kann, die aber mehr zum Selbstbewusstsein einer Vierzehnjährigen beiträgt als jede Casting-Show. Und Milka hat mit Lila ohnehin schon ein Stück Kulturgut geschaffen und versucht nun, die Welt ein wenig zarter zu machen – was zumindest mal ein löblicher Ansatz ist.

 

Um diesen Schritt von der Kategorie in die Kultur aber tatsächlich erfolgreich zu beschreiten, benötigt eine Marke (beziehungsweise deren Agentur) zweierlei:

 

Erstens braucht man einen Planungsprozess, der sich rigoros an den Erfordernissen einer konvergenten Kommunikationslandschaft orientiert. Dieser Prozess muss in der Lage sein, eine Kampagne nahtlos über alle Bought-, Owned- und Earned-Kanäle zu exekutieren. Und er muss als Output ein ganzheitliches, integriertes Markenerlebnis liefern, am besten in Form eines Media-Ökosystems. Denn um eine Marke kulturell relevant zu machen, muss man zwangsläufig sehr viel stärker auf Owned- und Earned-Media zugreifen als bisher und diese mit Bought-Media verzahnen.

 

Und zweitens müssen die Konsumenten (und nicht die Botschaft) konsequent in den Mittelpunkt der Strategie gestellt werden. Und dazu muss man so viel wie möglich über sie in Erfahrung bringen: ihre Mediengewohnheiten, ihre Lebenseinstellungen, ihre „Passion Points“ und natürlich alles und alle, was und die sie beeinflussen. Dazu braucht man Daten. Und zwar sowohl „Big Data“ als auch „Not-so-big-Data“.

 

Agenturen sind daher gut beraten, wenn sie massiv und konsequent in Forschung investieren. Umfangreiche, am besten weltweit einheitliche Befragungen von Verbrauchern zu Mediennutzung und Lifestyle, möglichst mit sehr hoher Stichzahl, um alle unterschiedlichen Verbraucher-Typen abbilden zu können, sind notwendig, um genau jene kulturellen „White Spaces“ zu identifizieren, in denen die Marke sich mit relevantem Content anreichern – und so differenzieren – kann.

 

Markt-Media-Studien wie die „Typologie der Wünsche“ (TdW) können hier zwar helfen, sind aber in der Regel nicht in der Lage, die Vielfalt der unterschiedlichen Kontaktpunkte in Bought-, Owned- und Earned-Media abzubilden, zumal nicht im digitalen Raum. Und sie sind schon gar nicht in der Lage, die komplexen Wirkmechanismen zwischen soziokulturellem Engagement, klassischen Media- und Kampagnen-KPIs und schlussendlich den harten Business-Resultaten abzubilden.

 

Gerade Letzteres kann man heutzutage aber schon sehr gut modellieren, und hier kommt „Big Data“ ins Spiel. Es gibt schon heute eine Reihe von Möglichkeiten, „Big Data“-Regressionsanalysen mit ökonometrischen Ansätzen sowie Analysen im „Social Space“ zu kombinieren, beispielsweise um herauszuarbeiten, wie sich „Brand Love“ auf die Sales auswirkt und welche Kanäle und Aktivierungen sie treiben.

 

Wir sind schon heute in der Lage, mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit Absatzveränderungen vorauszusagen, die auch durch nicht-klassische Aktivitäten wie beispielsweise einer Facebook-Kampagne getriggert werden. Dazu braucht man nur genügend Datenpunkte, die aber ein kontinuierliches Monitoring durchaus liefern kann. Ein solches „Early Warning System“ führt bei einigen Kunden zum Beispiel bereits dazu, dass die eigentliche Waren-Produktion deutlich besser gesteuert werden kann.

 

Richtig aufgesetzte Social-Media-Analysen können aber noch mehr: Kombiniert man etwa „Social Listening“ mit semantischen Analyse-Tools, dann kann man fast in Echtzeit verstehen, wie genau eine Kampagne im kulturellen Raum arbeitet: Welche Aspekte der Kampagne werden wie verstanden? Welche Kampagnen sorgen für mehr Gesprächsstoff, welche für weniger? Wie müssen wir den Content der Kampagne justieren, damit die Marke noch intensiver diskutiert wird?

 

Ist man dann noch in der Lage, sehr schnell und flexibel neuen Content zu generieren und zielgenau zu distribuieren – beispielsweise über Content-Partnerschaften und Targeting-Tools –, dann kann man praktisch in Realtime mit seinen Verbrauchern kommunizieren (vergleiche „The Loop“). Spätestens jetzt wird auch klar, warum es Erfolg versprechend oder sogar notwendig sein kann, aus der Kategorie herauszutreten: Wenn eine Marke wirklich Teil der Gespräche ihrer Konsumenten werden möchte, dann muss sie relevanten Content liefern. Und das ist allemal leichter mit einem Thema, das die Menschen bewegt, sprich: einem kulturell relevanten Thema, als mit kategorieimmanenten Botschaften.

 

Procter & Gamble hat übrigens erkannt, dass man mit einer solchen „Category to Culture“-Strategie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Die „Proud Sponsor of Moms“-Kampagne für die Dach- beziehungsweise Unternehmens-Marke Procter & Gamble ist tatsächlich erst der Anfang: unter diesem Dachgedanken werden weitere Aktivierungen folgen, die dann auf die unterschiedlichen Marken-Ebenen heruntergebrochen werden.

 

Mit dem gleichen Ansatz lassen sich nämlich ganz unterschiedliche kulturelle „White Spaces“ identifizieren, die für Procter & Gambles Kernzielgruppe, die sogenannten „New Moms“, relevant sind. Und diese Territorien lassen sich dann wiederum den einzelnen Marken zuordnen, sodass jede Marke ein eigenes Thema zugewiesen bekommt, welches die Rolle der modernen Mutter aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. So lassen sich Synergien dort heben, wo es Sinn macht – beispielsweise Olympia –, und trotzdem markenspezifische Akzente setzen.

 

Der Schritt von der Kategorie in die Kultur kann sich also für viele Marken lohnen. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass man den Blick wendet: weg von der eigenen Marke hin zu den Verbrauchern. Es geht diesmal allerdings nicht so sehr darum, Insights zu generieren, sondern vielmehr Themen zu besetzen, die größer sind als die Marke selber. Und im zweiten Schritt geht es dann auch nicht mehr darum, mit einer „Haltungs-Kampagne“ große Reden zu schwingen. Die Marke muss demonstrieren, dass sie tatsächlich etwas tut. Nur wenn die Marke sich aktiv engagiert, werden sich auch die Verbraucher engagieren.

 

Was man tut, ist heutzutage wichtiger als das, was man sagt – und wer seine Marke von „Category to Culture“ bewegen möchte, muss sich genau daran messen lassen.

 

Loop

 

 

 

Foto: „Mutti, ich will nich in den Kindergarten!“ / Jo3-Hannes / photocase.com

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