Mit strategischer Planung durch den digitalen Dschungel

Von Ingo Waclawczyk, Leiter Strategie und Konzeption, anyMOTION, Agentur und Produktion für Neue Medien, Düsseldorf.

 

Seit der Erfindung des Buchdrucks hat keine andere Technologie die Art und Weise, wie wir kommunizieren, so grundlegend verändert wie das Internet. Statt dem gewohnten „one to many“ sind jetzt „one to one“ oder „many to many“ die Kommunikationsstandards. Für die Marketing-Kommunikation vieler Unternehmen bedeutet das eine grundlegende Veränderung. Strategische Planung, die auf Online-Kommunikation spezialisiert ist, kann helfen, in der unübersichtlichen digitalen Welt den „richtigen“ Weg zu finden.

 

Für zukünftige Generationen wird sich gar nicht mehr die Frage stellen, ob sie online sind oder nicht. Der permanente Zugriff auf Online-Inhalte wird wie selbstverständlich mit einer ungeheuren Vielfalt an unterschiedlichen Endgeräten stattfinden. Eine unüberschaubare Anzahl an nützlichen, unterhaltenden oder spannenden Anwendungen und Inhalten wird jederzeit zur Verfügung stehen.

 

Die Anzahl der Internet-Nutzer wird weltweit weiter ansteigen und die fortschreitende Digitalisierung wird zu völlig neuen Realitäten führen, wie Eric Schmidt und Jared Cohen in ihrem Buch „Die Vernetzung der Welt“ sehr eindrucksvoll beschreiben. Wenn man ihren Theorien Glauben schenkt, werden nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen zukünftig zwei Persönlichkeiten entwickeln: eine in der physischen und eine in der digitalen Welt.

 

Heute versuchen die meisten noch, ihre Online-Identität mit der „Wirklichkeit“ – sprich der physischen Welt – in Übereinstimmung zu bringen und so ihre digitale Wirkung zu kontrollieren. Doch das wird in Zukunft schwieriger werden – und auch gar nicht mehr notwendig sein. Denn es wird „normal“ sein, als Person oder Unternehmen unterschiedliche Identitäten für die beiden Welten zu besitzen.

 

Kommunikation in der digitalen Welt

In der digitalen Welt gelten andere Kommunikations-Spielregeln als in der physischen: Gleichberechtigung statt Monopole, Vielfalt statt Einheitlichkeit, Austausch statt Verkündigung. Und mit der zunehmenden Nutzung von mobilen Endgeräten findet all das jederzeit, in jeder Situation und überall statt.

 

Für Unternehmen aus der physischen Welt bedeutet das veränderte Kommunikationsverhalten eine enorme Herausforderung. Denn während sie noch in linearen Strukturen denken und arbeiten, stellt sich die Online-Welt als eine vernetzte, dezentrale und unkontrollierbare Struktur dar. Trotzdem versuchen viele Unternehmen, mit bewährter Einbahnstraßen-Kommunikation in der digitalen Welt erfolgreich zu sein – und scheitern, weil sie nicht richtig einschätzen, was die Online-Kunden von ihnen erwarten und was nicht.

 

Einige Unternehmen haben allerdings auf die Entwicklung reagiert und ihre Prozesse so umgestellt, dass die digitale Kommunikation in den Mittelpunkt ihrer Marketing-Strategien gerückt ist. Sie haben erkannt, dass „online“ für ihre Kunden – egal ob B2C oder B2B – der wichtigste Zugangspunkt zu ihrer Marke ist. Die Entwicklung einer nachhaltigen Online-Strategie wird so immer häufiger ein zentraler Punkt der Unternehmensstrategie – und landet damit ganz oben auf der Agenda des Top-Managements.

 

Der Mensch im Mittelpunkt

Strategische Online-Planung kann Unternehmen effektiv unterstützen und im digitalen Dschungel als Pfadfinder und Wegweiser dienen. Das Ergebnis eines Beratungsprozesses ist idealerweise eine Online-Strategie, die unmittelbar mit der Unternehmensstrategie verknüpft ist. Die Felder, mit denen sich das Planning im Rahmen der Strategieentwicklung beschäftigen sollte, sind:

  • Der einzelne Mensch als Nutzer – sprich Kunde (anstelle von anonymen Zielgruppen)
  • Das Umfeld, das ihn beeinflusst (sozial, gesellschaftlich)
  • Die von ihm aktuell (und zukünftig) genutzten Technologien

 

Auf Basis fundierter Erkenntnisse über die Erwartungen, Meinungen, Fähigkeiten und Bedürfnisse des Menschen können Ideen dafür entwickelt werden, mit welchen Leistungen oder Funktionen das Unternehmen einen Mehrwert bieten und somit von Nutzen sein kann.

 

Denn nur dann, wenn die Marke für den Menschen einen echten Nutzen bietet, der seine Erwartung erfüllt, wird sie online erfolgreich sein. Der Nutzen kann dabei sehr unterschiedlich sein, wie zum Beispiel eine zuverlässige Information, ein funktionierender Service, der den Alltag erleichtert, oder auch einfach nur Vergnügen und Unterhaltung.

 

Wenn eine Marke aber nicht (mehr) von Nutzen ist, wenden sich die User schnell von ihr ab. Und nicht nur das: Die Bereitschaft, über unbefriedigende oder negative Markenerlebnisse zu berichten, ist in der Online-Welt um ein Vielfaches größer, einfacher und wirksamer – wie die vielen legendären „Shitstorms“ zeigen.

 

Strategische Planung für Online-Kommunikation

Eine zentrale Aufgabe der strategischen Planung für Online-Kommunikation besteht darin, herauszufinden, was der einzelne Mensch von dem Unternehmen erwartet, welche Meinung er in Bezug auf das Angebot des Unternehmens hat, welche technischen Fähigkeiten er besitzt und welche sozialen Bedürfnisse befriedigt werden müssen.

 

Zur Bewältigung dieser komplexen Aufgabe stehen die unterschiedlichsten Werkzeuge zur Verfügung. Neben der Auswertung von Tracking-Software, Neuromarketing-Tools oder soziodemografischen Statistiken können zum Beispiel „Personas“ oder Studien genutzt werden.

 

Natürlich ist die Frage nach den heute genutzten Kommunikations-Technologien einfacher zu beantworten als die Frage, welche Technologien in Zukunft genutzt werden. Im Rahmen einer Online-Strategie spielen aber genau solche Fragestellungen eine entscheidende Rolle. Denn wenn ein Unternehmen versucht, mit einer „falschen“ Technologie seine Kunden zu erreichen, kann das sehr kostspielig werden.

Tools wie zum Beispiel der „Emerging Technologies Hype Cycle“ von Gartner sind hilfreich, um einen Überblick aufkommender Technologien zu erhalten und sie zu bewerten. Da Entscheidungen für oder gegen Kommunikations-Technologien immer auch gemeinsam mit IT-Spezialisten getroffen werden, ist es notwendig, dass sich strategisches Online-Planning auch mit dieser Thematik auseinandersetzt.

 

Die wirksamste aller Methoden, um herauszufinden, was Nutzer bzw. Kunden erwarten, geht auf Peter F. Drucker, den „Erfinder“ des modernen Managements, zurück: Er empfiehlt, nicht über die Erwartungen des potenziellen Kunden zu spekulieren, sondern ihn ganz einfach direkt zu fragen und genau zuzuhören.

 

Unterwegs im digitalen Dschungel

Die Online-Strategie basiert im Idealfall auf den zentralen Werten der Marke, setzt diese Werte aber den grundsätzlichen Erwartungen der Nutzer entsprechend um. So könnte zum Beispiel eine Automarke, die für guten Kundenservice steht, ihren Interessenten nicht nur die Informationen zu einem bestimmten Fahrzeug zur Verfügung stellen, sondern auch die Bewertungen von Kunden, die ihre Erfahrungen mit dem Fahrzeug in sozialen Netzwerken oder Foren mitgeteilt haben. Denn diese User-Meinungen sind für die Kaufentscheidung der Interessenten äußerst wichtig und werden deshalb gezielt gesucht. Warum nicht also einen Online-Service daraus machen und beides – Modell-Infos und Benutzer-Meinung – auf einer Unternehmenswebseite zusammenführen?

 

Bei der Umsetzung der Online-Strategie gibt es heute viele Möglichkeiten, die sich (scheinbar) etabliert haben – so viele, dass die Gefahr besteht, schnell den Überblick zu verlieren und sich zu verzetteln. Nicht jedes Unternehmen muss online überall mit dabei sein und jeden neuen Online-Trend mitmachen. Grundsätzlich empfiehlt sich bei der Umsetzung von Online-Strategien daher, ganz genau zu überlegen, welches Medium und welche Aktivität dem Nutzer – und damit letztendlich dem Unternehmen – einen Mehrwert bietet.

 

Online-Kommunikation in B2B-Märkten

Eine besondere Rolle spielt Online-Kommunikation bei Unternehmen, die in B2B-Märkten aktiv sind. In Deutschland – aber auch in Europa – gibt es viele kleine und mittelständische Unternehmen, die weltweit in spezialisierten Nischen aktiv sind. Für diese Unternehmen geht es bei der Online-Kommunikation oft weniger um Sichtbarkeit als um Erreichbarkeit, perfekten Online-Service und zuverlässige Informationen, die sie ihren B2B-Kunden zur Verfügung stellen. Ein messbarer Beitrag zur Wertschöpfungskette des Kunden ist hier oftmals wichtiger als eine Abverkaufs- oder Produktkampagne.

 

Ein Thema, das seit diesem Sommer eine ganz besondere Bedeutung hat, ist der Datenschutz. Spätestens seit der „NSA-Affäre“ ist allen Marktteilnehmern klar, dass der Schutz ihrer Daten – und der ihrer Kunden – einen echten Wert darstellt. Aus einem Thema für IT-Spezialisten ist ein zentrales Thema mit weitreichenden Folgen für das ganze Unternehmen geworden.

 

Die Zukunft: Unvorhersehbar?

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ soll bereits Mark Twain gesagt haben. Wenn die bisherigen Entwicklungen aber ihre Dynamik behalten, wird Online-Kommunikation für Unternehmen mit Sicherheit immer wichtiger werden. Für strategische Planung bedeutet das, verstärkt in Know-how und Kapazitäten zu investieren, um gut für die Zukunft vorbereitet zu sein.

 

Foto: „Blätterwerk“ / inphinie / photocase.com

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