„Investiert (auch) in Spielgeld!“

Achtung-Chef Mirko Kaminski hat gefordert, 10 % des Budgets in experimentelle, also innovative Kommunikation zu investieren. Ein richtiger Ansatz, nicht nur weil Innovation der stärkste Motor für Wachstum ist, sondern weil man nur durch Modulation zu besseren Ergebnissen kommen kann.

Von Dr. Peter Petermann, Managing Director Strategy bei Carat Germany

 

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun, aber andere Ergebnisse zu erwarten.“
(Albert Einstein)

Für noch sinnvoller als das Kaminski-Modell halte ich allerdings ein anderes, nämlich das 70/20/10-Modell: 70 % des Budgets für das, was funktioniert, 20 % für die Weiterentwicklung des Mixes und 10 % für echte Innovation.

Der Großteil des Budgets sollte in den Kanälen investiert werden, die nachweislich und zuverlässig die besten Ergebnisse liefern. In Deutschland ist das typischerweise TV. Marketingverantwortliche und Mediaagenturen wissen, dass TV-Kampagnen funktionieren. Es wäre daher sträflich, hier nicht signifikant zu investieren. Allerdings sollte man natürlich die Planung dieser „Basismedien“ ständig optimieren.
Durch die Analyse von Daten, beispielsweise aus dem Search-Bereich oder eine tägliche Effizienzoptimierung im TV, lassen sich durchaus bis zu 20 % an Optimierungsgewinnen realisieren. Die Spezialisten aus Mediaplanung und Einkauf haben genügend Instrumente, um kontinuierlich bessere Ergebnisse zu erzielen. Auch durch bessere Targeting-Modelle oder Programmatic Buying kann man die 70 % immer härter für sich arbeiten lassen.

Wir empfehlen unseren Kunden darüber hinaus, 20 % ihrer Budgets in gezielte ROI-Optimierung zu investieren. Basierend auf Erkenntnissen aus ROI-Modellen können wir Effizienz und Effektivität des Media-Mixes deutlich erhöhen – vorausgesetzt, wir verändern die bestehenden Parameter. Nur wenn wir testen, wie sich der Einsatz von unterschiedlichen Kanälen tatsächlich auswirkt, können wir den ROI über Zeit verbessern.

 

Modelle zur Verbesserung des Media-Mixes

Die Instrumente, die zum Einsatz kommen, sind ökonometrische Modelle, die nicht nur in der Lage sind, den vergangenen Einsatz der Kanäle auf verschiedene Wirkparameter zu untersuchen; mit modernen Tools wie etwa Polestar sind wir zusätzlich in der Lage, verschiedene Szenarien exante auf den ROI hin zu prognostizieren und so den Media-Mix optimal auszusteuern. Voraussetzung für solche Modelle ist, dass man bestimmte Parameter im Mix verändert, um so spezifische Wirkfaktoren erkennen und im Modell hinterlegen zu können.

Üblicherweise läuft es bei diesen 20 % des Budgets darauf hinaus, einen immer größeren Teil in digitale Kanäle zu investieren, da diese häufig einen signifikant höheren ROI versprechen. Wie schon erwähnt, ist der Einsatz von Targeting und Programmatic oft sehr effektiv.
Auch Online-Bewegtbild ist einer der digitalen Kanäle, die in diesen 20 % oft abgebildet werden. Mit Hilfe eines Cross-Screen-Planning-Tools sind wir bei Carat beispiels-weise schon heute in der Lage, die inkrementellen Reichweiten beim Einsatz von Online-Bewegtbild nicht nur zu schätzen, sondern exakt zu prognostizieren.

Es kann aber auch durchaus sein, dass andere Kanäle in diesen 20 % Berücksichtigung finden. So konnten wir beispielsweise für einen unserer regional aktiven Kunden Kino als deutlichen ROI-Treiber ausmachen und den Mix dementsprechend anpassen.

Grundsätzlich gilt bei diesem Teil des Budgets aber: keine Experimente! Wir verändern den Mix und den Einsatz der Kanäle hier nur relativ vorsichtig und beobachten immer sehr zeit-nah und genau, wie sich diese Veränderungen auswirken. Wir müssen uns verändern, um besser zu werden – aber nicht jede Veränderung funktioniert sofort.

 

10% für experimentelle Kommunikation

Ganz anders bei den letzten 10 % – hier geht es wirklich darum, Neues auszuprobieren. Bei wirklich innovativen Ideen gibt es nun mal keine Erfahrungswerte, auf die man zurückgreifen könnte. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, hat schon Erich Kästner gesagt – man muss Dinge tatsächlich ausprobieren, um zu verstehen, wie man sie besser machen kann.

Eines der wichtigsten Prinzipien von innovativen Unternehmen ist es, Neues zu testen – und zwar nicht im Labor, sondern unter realen Bedingungen. Weil es aber töricht wäre, alle Eier in einen Korb zu legen, tut man gut daran, den Rahmen für diesen Echt-Test genau zu definieren – so realistisch wie möglich, aber klar begrenzt, um im schlimmsten Fall nur einen kleinen Teil des Investments zu gefährden. Und genau das ist es, was mit experimenteller Kommunikation gemeint ist. Flapsig gesagt, sind diese 10 % des Budgets Spielgeld, das wir bewusst spielerisch einsetzen. Wir wissen, dass wir dieses Geld durchaus verlieren können, aber dieses Risiko nehmen wir (beziehungsweise unsere Kunden) bewusst in Kauf, weil der Erfolg, wenn er sich denn einstellt, in der Regel sehr viel mehr für das Unternehmen bedeuten kann, als wenn man diesen Teil des Budgets klassisch eingesetzt hätte.

Das Prinzip hinter experimenteller Kommunikation ist immer das gleiche: invent, scale, apply. Zunächst probiert man eine neue Idee im Kleinen aus und versucht so viele Erkenntnisse wie möglich daraus zu ziehen. Dann muss man einen Weg finden, wie man die einmalige Idee tatsächlich skalieren kann. Das ist der schwierigste Teil von Innovations-Management in der Kommunikationsbranche. Es ist viel leichter, eine gute Idee zu haben, die als One-Off funktioniert, als die Prinzipien zu definieren, wie man den Grundgedanken der Idee repliziert oder massentauglich macht. Denn erst wenn man diese Prinzipien hat, wird aus einer netten Idee eine echte Innovation, die sich mit Methode applizieren lässt.

Meines Wissens wurde der 70/20/10-Ansatz von Google erdacht, um die interne Innovationskultur zu fördern. Demnach sollen Google-Mitarbeiter 70 % ihrer Zeit dem Kerngeschäft widmen, 20 % in angrenzenden Bereichen arbeiten und 10 % ihrer Zeit mit Projekten verbringen, die nichts mit ihrem eigentlichen Job zu tun haben. Nur dadurch, so meinte Eric Schmidt, würde man Mitarbeiter dazu bringen, wirklich auf neue Gedanken zu kommen.

 

Revolution, Evolution, Mutation

Im Kern ganz ähnlich ist ein weiteres Grundprinzip von modernem Innovations-Management. Man kann drei Arten von Innovationen unterscheiden: Revolution, Evolution und Mutation. Kurz gesagt heißt das: Man kann ein Bedürfnis durch ein ganz neues Produkt befriedigen; man kann etwas Bestehendes kontinuierlich in kleinen Schritten verbessern; oder man kann etwas Bestehendes so modulieren, dass es anders und besser wird.

Dieser Ansatz beschreibt die oben erläuterte Systematik eigentlich sehr gut:

· Die kontinuierliche Optimierung im Planning und Buying, beispielsweise durch Platzierungs-Optimierung, ist eine evolutionäre Herangehensweise.
· Die behutsame Veränderung des Mixes mit gleichzeitiger ROI-Modelierung sorgt für eine positive Mutation des Planes.
· Der Einsatz von experimenteller Kommunikation hat das Ziel, revolutionäre Veränderungen hervorzurufen.

Man kann also verknappt sagen: Investiere 70 % Deines Budgets in Evolution, 20 % in Mutation und 10 % in Revolution.

Wirklich geniale Innovatoren benötigen natürlich kein solches Modell: Sie entwickeln spontan und unstrukturiert neue, erfolgreiche Ideen. Allerdings liegen Genie und Wahnsinn bekanntlich nahe beieinander. Und wer nicht wahnsinnig ist – oder werden will –, sollte lieber ein solches Modulations-Prinzip zur Entwicklung, Implementierung und Skalierung innovativer Business- und Kommunikationslösungen nutzen.

 

 

Foto:  Idea concept on black background | chones | photocase.de

comments powered by Disqus