Wo kommen wir denn hin, wenn jede(r) macht was sie/er will?

In der aktuellen Debatte um Container und Content bleibt oft unberücksichtigt, dass nicht Territorialansprüche, sondern gemeinsam entwickelte Ideen die Branche voranbringen.

Von Malte Delbrück und Bastian Mathes, Gruppenleiter Strategie bei der GFMO OMD

 

Während ihr diesen Artikel lest, tobt in der Fachpresse parallel eine hitzige Diskussion zwischen Vertretern von Kreativ- und Mediaagenturen. Es geht um Geschäftsmodelle, Führungsansprüche und strategische Kompetenzen. Ausgerechnet jetzt sollen wir etwas über Mediaplanung schreiben.

Vor diesem Hintergrund ist es uns nicht möglich, über die komplexen Veränderungen der Kommunikationslandschaft zu schreiben, ohne dabei Position zu beziehen. So wurde aus diesem Artikel ein Appell an die Kooperationsbereitschaft von Strategen. Denn die Herausforderungen und Veränderungen in unserer Branche sind eng mit der Frage verknüpft, wie wir zukünftig das Zusammenwirken aller Disziplinen gewährleisten. Als Generalisten kommt Strategen dabei eine wichtige, weil integrierende Rolle zu.

 

Beziehungen zwischen Container und Content

Ein zentraler Punkt der aktuellen Diskussion ist die Beziehung zwischen Content und Container. Bestimmt der Content den Container oder umgekehrt? Hier gehen die Meinungen oft auseinander. Beispiele – positive wie negative – existieren für beide Szenarien. Klar ist: beide Dimensionen müssen zusammenwirken, um Nutzungs- und Kaufentscheidungen durch kreative Lösungen und positive Erlebnisse zu unterstützen.

Die Planung in festen Werbeformaten und Kanälen ist dabei für viele Aufgabenstellungen werbungtreibender Unternehmen längst untauglich geworden. Denn die heutige Mediennutzung widerspricht jedweder Silodenke. Menschen navigieren mühelos, schnell und selbstbestimmt durch ein unendliches Universum an Inhalten und Kanälen. Dabei setzt sich durch, was im jeweiligen Augenblick relevant ist. Gerade in Zeiten von Maker, Snapchat oder Instagram ist es fraglich, ob eine Hoheitsdebatte über die Erstellung und Verbreitung von Content weiterhilft.

Trotzdem – oder gerade deshalb – halten viele an traditionellen Rollen fest und suchen Abhilfe in der Manifestierung bestehender Prozesse. Doch genau das schafft zusätzliche Distanz und vermindert den Kooperationswillen in der Branche.

Gleichzeitig entwickeln immer mehr Werbungtreibende Inhouse-Lösungen oder gehen direkte Partnerschaften mit Plattformen und Medienhäusern ein. Wenn zwei sich streiten, freut sich eben der Dritte. Oder wie Nabil Sakkab, Head of Research & Development bei P&G es ausdrückt: „My biggest competitor today is a person with an idea“.

 

Territorialansprüche verhindern spannende Vielfalt

Besonders auf strategischer Ebene sind diese Umstände ein Problem. Während viel Zeit dafür aufgewendet wird, bspw. Marketing-, Kreativ-, Media- und Digitalstrategie auf einen Nenner zu bringen, wird die spannende Vielfalt an Perspektiven Opfer von Territorialansprüchen. Was eine gemeinsame Strategie werden könnte, wird zum faulen Kompromiss unter dem selbst die besten Umsetzungen leiden.

Der Think Tank „Agenturen der Zukunft“, initiiert von Jörg Helden, sieht die Lösung in engerer Kooperation und vernetzten Systemen: „Die Netzwerkgesellschaft wird die Agenturwelt von morgen entscheidend prägen. Netzwerke, Beziehungen und Kooperationen sind der wichtigste Treiber. […] Denn Agenturen sind immer weniger in der Lage, ihre Aufträge allein umzusetzen.“ (Jörg Helden: Agenturen der Zukunft, S.5 Hamburg, 2012). Erfolgreich werden diejenigen Organisationen sein, die es schaffen, dynamische Netzwerkstrukturen zu etablieren. Strukturen, die verschiedensten Kompetenzen und Experten einen gemeinsamen Identifikations- und Handlungsrahmen geben.

Der Strategie kommt in diesen Netzwerken eine entscheidende Rolle zu. Ihre angestammte Aufgabe, verschiedenste Blickwinkel einzunehmen und mit den definierten Zielen der Kunden in Einklang zu bringen, ist heute wichtiger denn je.

 

Strategen werden zu Change Management-Beratern

Dabei werden Strategen zunehmend auch zu Change Management-Beratern. Sie müssen Rahmenbedingungen für eine Kultur schaffen, die auf effektive, kreative Lösungen hinarbeitet – ungeachtet von Disziplinen und Befindlichkeiten.

Mehr noch als heute müssen in Zukunft verschiedenste Instrumente im Dialog zwischen Marken und Menschen orchestriert werden. Um dieser Herausforderung zu begegnen, muss Strategie als ergebnisoffenes, iteratives Konzept gelebt werden. Mit gemeinsamen Zielen und Offenheit zur vorurteilsfreien Kooperation. Vor allem aber mit genügend Bewegungsspielraum in alle Richtungen. Denn Stillstand bedeutet heute nicht Rückschritt, sondern Irrelevanz. Das gilt für Unternehmen, Produkte und Agenturen gleichermaßen. Nur wenn wir es schaffen, immer neue Perspektiven, neue Inhalte, Kontaktpunkte und Technologien schnell und flexibel in Strategien zu integrieren, entsteht langfristig Mehrwert für uns und unsere Kunden. Das Denken in geschlossenen Kategorien gleich welcher Art bringt uns nicht weiter.

Also macht doch was ihr wollt! Und macht es gemeinsam. Solange es den Zielen dient, an denen wir uns alle messen müssen. Erst wenn wir Schritt für Schritt Grenzen überwinden, erschließen wir den Blick auf das Ganze und schaffen den Raum für effektive und begeisternde Umsetzungen. Nur Handeln schafft Veränderung.

 

 

Foto: „GTA Frankfurt“ | silkekoerber | photocase.de

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