
„Either you are with us, or you are with the terrorists!“
Markenpositionierungen ohne eine Position gegen etwas sind meist reines Blabla. Warum Markenführung mehr wie George W. Bush sein muss.
Von Matthias Eylers, +KNAUSS GmbH, Hamburg
Mut zur klaren Position
George W. Bush habe ich nie als Ideengeber erlebt, im Gegenteil. Aber sein Satz „Either you are with us, or you are with the terrorists!“ ist ein hervorragender Startpunkt, um über effektive Markenführung nachzudenken. Denn Mr. Bush bewegte mit diesem Satz die US-Bevölkerung und etliche Staatsregierungen dazu, sich seinem Wertesystem anzuschließen. Dieser Satz ist im wahrsten Sinne ein „Positionierungssatz“, weil er eine Position einforderte und Engagement produzierte. Nur leider für die falsche Sache.
Klare Position beziehen statt nur Positionierungen aufschreiben
Spannungen treiben Menschen an
Wichtig bei dem Bush-Satz war, dass er eine gesellschaftliche Spannung, ein Feindbild, als Grundlage hatte, die ihm eine Relevanz und Schlagkraft gab. Denn es sind Ungerechtigkeiten, die Menschen dazu bringen, persönlich eine Position und eine Gegenposition zu beziehen. Gesellschaftliche Spannungen sind die Ursuppe für Massenbewegungen, der Treibstoff gelebter Wertesysteme und der Turbolader für Diskussionen im digitalen Zeitalter.
Dabei ist nicht entscheidend, wie groß das Spannungsfeld ist: Es kann gegen die Zocker im Bankenviertel, die Abhörtechniken der NSA oder polarisierende Werbeaussagen zu Diätprodukten gehen. Die Motivation, sich gegen etwas zu wehren und mit seiner Meinung schnell eine breite Masse zu erreichen, ist hoch. Und Proteste können heute binnen Stunden durch Netzwerke und Smartphones eine kritische Masse erreichen.
Mehr wie Ex-Präsident Bush sein
Vergleichbar mit Mr. Bush bedient sich das Marketing oft einer populären Machart mit pathetischer Wortwahl und starken Inszenierungen. Nur leider besitzen Markenverantwortliche zu selten so viel Überzeugungskraft und Mut wie Mr. Bush.
Es gibt keine Marke, die keine Positionierung haben will, aber nur wenige, die bereit sind, mit Überzeugung eine wirkliche Position einzunehmen. Zu wenige Markenmacher nehmen eine klare Position im Kontext des Geschäftsfelds und in der Gesellschaft ein.
Das ist schade! Nicht nur für die Marke und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vor allem für den CFO. Denn Marken, die sich trauen, eine zu ihrem Leistungsspektrum passende Position und Gegenposition abzuleiten, sind klar im Vorteil. Sie bilden effektivere Wertesysteme, denen sich Menschen anschließen, und implementieren sie konsequent.
Spannungsfelder machen Marken erfolgreich
Es ist unumstritten, dass Marken neben Produkt- und Serviceleistungen vor allem die Anhäufung eines kollektiven Wertesystems sind. Der ehemalige P&G-CMO Jim Stengel belegte vor einigen Jahren, dass eine Markenposition, die eine Daseinsberechtigung einer Marke liefert und in allen Unternehmensbereichen aktiviert wird, durchschnittlich fast 400 % erfolgreicher als die „Standard & Poor’s 500“-Unternehmen macht.
Überproportional erfolgreiche Marken schaffen es, ein kollektives Wertesystem aufzubauen, was intern wie extern Orientierung gibt und deutlich zum Rest des Marktes abgrenzt. Sie schaffen es, eine markante Position und deshalb automatisch auch eine Gegenposition einzunehmen und diese mit Innovationen ständig weiter auszubauen. So bleiben sie dauerhaft relevant und prominent in den Köpfen von Menschen verankert.
Hier drei Beispiele von Marken, die das Konzept von Position und Gegenposition verstanden haben und eine sinnstiftende Gegenposition – ein „Against“ – einnehmen.
- iittala: design against throwawayism
- Method Soap: people against dirty
- patagonia: anti-fast fashion
iittala-Kampagne, Method-Soap-Logo und -Claim, patagonia-Kampagne
Zwei Punkte für die strategische Markenarbeit
Um diese Denke in der tagtäglichen Arbeit mit der eigenen Marke anzuwenden, gibt es zwei wichtige Punkte für den Prozess:
1. Analyse auf Spannungsfelder auslegen:
Bei der Aufsetzung und Analyse von Marktforschung müssen tatsächliche Spannungen um ein Thema, eine Kategorie oder Marke entdeckt werden. Wichtig ist, dass Spannungspunkte nicht nur im direkten Marktumfeld, sondern im erweiterten Rahmen gesucht werden. Je tiefgehender und bedeutender die freigelegte Spannung ist, desto involvierender und langfristiger wird die Position sein.
Drei prominente Beispiele: über übertriebene Schönheitsvorstellungen, nicht nur über Bodycreme-Probleme forschen (Dove), über die schmutzigen Seiten des Putzens, nicht nur über Power-Claims nachdenken (Method Soap), über den Stolz des Kochens im hektischen Leben, nicht nur über Butter-Qualität diskutieren (Lurpak).
2. Die Gegenposition ins Markenmodell integrieren:
Markenmodelle können ein Übel sein. Die Vermutung, dass Markenmodelle nur ausreichend Benefits, USPs, PODs und RTBs brauchen, um klare Handlungsanweisungen abzuleiten und Menschen zu motivieren, ist ein Irrtum.
Ein Markenmodell muss neben dem Markenzweck eine ergänzende Gegenposition formulieren. Diese hilft dabei, einer Position mehr Klarheit zu geben. Das „Against“ muss nicht zwangsläufig nach außen kommuniziert werden, kann aber gerade in digitalen Kanälen effektiv genutzt werden und hohe Involvierung bringen.
Um es am Ende mit dem patagonia-Gründer Yvon Chouinard zu sagen: „If you’re not pissing off 50% of the people, you’re not trying hard enough!“ Dieses Statement sollte allen Marketern Ansporn sein beim Positionieren von Marken. Viel Mut dabei!
Bildquellen:
Titelbild: johny schorle/ www.photocase.de
Bush-Porträt: http://www.thepeoplesportfolio.org/malaria-lightbox
Bush am „Ground Zero“: http://www.history.com/photos/george-w-bush/photo10 via Reuters
„Protein World Ad“ in U-Bahn: https://insidethelifeofmoi.wordpress.com/2015/05/19/body-shaming-too-skinny-too-fattoo-damn-judgmental/
Ittalla: https://www.iittala.com/home, Foto gemacht von Matthias Eylers, HH
Method Soap: http://methodhome.com/, Press Kit
patagonia: http://www.adweek.com/news/advertising-branding/ad-day-patagonia-136745
Lurpak: http://www.adweek.com/news/advertising-branding/ad-day-lurpak-147200
Erschienen in: new business 26 / 27.06.2016