Quo vadis Personas? – Wie die Digitalisierung Zielgruppen-Personas beeinflusst.

von Anna Fritz, Junior Strategy Consultant, Scholz & Friends Strategy Group

 

GENERATION WHAT?

 

The aim of marketing is to know and understand the customer so well the product or service fits him and sells itself.
(Peter F. Drucker)

 

Die Herausforderung von Kommunikation lag schon immer darin, den richtigen Konsumenten mit den richtigen Inhalten anzusprechen. Peter F. Drucker geht sogar so weit, dass ausreichendes Kundenwissen es schaffen kann, Produkte „von alleine“ zu verkaufen, folglich, dass Werbung überflüssig wird. Das kann meines Erachtens durchaus kritisch gesehen werden. Umfangreiches Zielgruppenverständnis hilft nicht nur in der maßgeschneiderten Produktentwicklung, sondern eben auch in einer maßgeschneiderten Kommunikation. Die Herausforderung bleibt also bestehen, wobei heute die Situation wesentlich komplexer ist. Diese Fragmentierung fordert Kommunikationsexperten heraus, alte Denkmuster aufzubrechen. Die Folge: Immer mehr Artikel und Studien, die sich mit neuen Zielgruppen oder Typologien beschäftigen: Generation X, Y, Z, R usw. oder die „Millennials“. Man verliert dabei den Überblick, was diese Zielgruppen eigentlich differenziert, und sie transformieren sich zu Buzzwords, ohne die ein Briefing nicht mehr komplett scheint.

Relativ klar ist noch die Abgrenzung der „Generation X“ (geboren 1960 bis 1980), der ersten Klassifizierung für eine gesamte Generation, die sich an dem Alphabet entlanghangelte. Der Begriff wurde erstmals von Douglas Coupland 1991 in seinem danach betitelten Roman verwendet, in Deutschland sprach man von der „Generation Golf“. So weit, so gut. Darauf folgte die „Generation Y“: geboren 1980 bis 1999, in vielen Publikationen auch als „Millennials“ tituliert, und die erste Generation, die als „Digital Native“ bezeichnet werden kann. Also eine Pioniergeneration, die krisengeplagt das Hinterfragen von Gegebenheiten verinnerlicht hat. Die bereits angedeutete „Generation Z“ soll zwischen 1995 und 2010 geboren sein und ist somit die erste Generation, die sich ein Leben ohne Smartphone und mobiles Internet nicht mehr vorstellen kann. Die aktuelle Shell-Jugendstudie mit Koautor Klaus Hurrelmann ruft die sogenannte „Generation R“ aus, die zwischen 2000 und 2015 geboren sein sollen. „R“ steht für „Relaxed“, so soll die Generation besonders entspannt sein und dabei trotzdem politisch engagierter als ihre Vorgängergenerationen. Ob diese „Entspanntheit“ trotz weltweiter Krisen sich wirklich bewahrheitet, wird sich zeigen.

Es stellt sich die Frage, ob diese pauschale Eingrenzung nach Geburtsjahrgang bei aller Individualisierung tatsächlich sinnführend und langfristig ist. Um es mit Andy Warhols Worten zu sagen: „Irgendwann ist jeder eine Generation – aber nur für 15 Minuten.“

Den Grundstein unseres Zielgruppen-Denkens hat ein stark soziodemografisch geprägtes Verständnis gelegt. Also zum Beispiel: 30 Jahre, männlich, in Hessen geboren, ausländischer Vater, fährt Mercedes. Dass diese Beschreibung ebenso auf Nico Rosberg als auch auf Aykut Anhan, besser bekannt als „Haftbefehl“, zutreffen kann, verdeutlicht die Grenzen dieses Ansatzes. Menschen mit gleichen Daten ticken noch lange nicht gleich. Mithilfe verschiedener soziokultureller Methoden (z. B. Sinus-Milieus) oder durch die Zuordnung motivationaler Entscheidungsmuster versuchte man, Profile anzureichern. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Personalisierung der Zielgruppen-Cluster in der Entwicklung von Persona-Profilen, die im Idealfall sämtliche Methoden in sich vereinen. Genau hier liegen meines Erachtens noch Entwicklungsmöglichkeiten, insbesondere die digitalen Potenziale einer Persona gilt es auszuschöpfen.

 

DIGITALIZE IT!

Die Digitalisierung verändert unser gesamtes Verhalten, unser Denken und was wir fühlen. Dieser digitale Wandel ist in der Kommunikation zumindest schon teilweise angekommen, denn die „neuen“ Medien ermöglichen durch eine Vielzahl an Analyse- und Targeting-Möglichkeiten eine individuelle Ansprache der Konsumenten. Doch unsere Art, eine Zielgruppe zu betrachten, hat sich teilweise noch nicht genug digitalisiert.

TNS Infratest und das Consumer Barometer von Google gehen bereits in diese Richtung: So sind die vier Zielgruppen, die das Marktforschungsinstitut und der Search-Riese als „wichtigste Zielgruppen im Jahr 2016“ beschreiben, mehr denn je durch Mediennutzung und digitales Konsumverhalten geprägt. Da gibt es die sogenannten „Digital Moms“ (1), die sich aktiv und passiv im digitalen Raum bewegen, und die „Millennials“ (2), die „always on“ und „always mobile“ sind. „How-to-Video-Benutzer“ (3) informieren sich vor dem Kauf oder aus reinem Produktinteresse exzessiv online. Die sogenannten „Markenbotschafter“ (4) sind die vielleicht aktivste der vier Zielgruppen, die stark mit Marken und anderen Inhalten interagiert. Diese vier Zielgruppen verdeutlichen, wie stark die Digitalisierung unser Zielgruppenverständnis beeinflusst.

 

DIE PERSONA VON MORGEN

Personas bleiben immer noch ein adäquates Mittel, um die Zielgruppe plakativ zu beschreiben und anfassbar zu machen. Die Digitalisierung fordert uns jedoch auf, nicht nur die „Offline-Identität“, sondern auch die „digitale Identität“ der Menschen zu betrachten. Denn besonders die sozialen Medien sind ein Ort der Selbstdarstellung, wo durch aktives „Impression-Management“ gezielt eine eigene digitale Identität konstruiert wird: Bestimmte Eigenschaften werden offensiv präsentiert, andere lieber ausgeblendet. Genau diese Selbstdarstellung kann Marken dabei helfen zu identifizieren, wie eine Zielgruppe angesprochen werden möchte und wie lieber nicht, oder mit welchen ihrer Eigenschaften sie sich identifiziert und welche sie lieber verbirgt.

So könnte eine neue Persona aussehen, die Offline- und Online-Identität zusammenfasst:

Soziodemografie

 

Was bedeutet das konkret für Personas von morgen?

  1. Die sozialen Medien bieten bekannterweise eine Vielzahl an Listening- und Monitoring-Möglichkeiten. Social-Media-Listening generiert zum Beispiel Daten und Meinungen der Zielgruppe über die eigene Marke. Diese Informationen gilt es zu analysieren, um daraus wiederum Rückschlüsse über das digitale Ich der Zielgruppe zu ziehen und diese Erkenntnisse in die Persona-Entwicklung mit einfließen lassen zu können.
  2. Personas sind „always in beta“: Personas können und dürfen nicht mehr in Stein gemeißelte Manifeste sein, die als Pappaufsteller in den Marketingabteilungen von Unternehmen stehen. Personas 2.0 sind „liquide Personas“ – wie echte Menschen, die in der heutigen Schnelllebigkeit der Dinge ständig im Wandel sind: Was heute noch cool ist, ist morgen schon „yesterday’s news“. Also gilt es für uns Strategen diese Herausforderung zu meistern und unser Credo sollte sein: Don’t stick to your persona no matter what – let it evolve!

 

Innovative Planning-Ansätze beziehen also digitale Touchpoints mit ein und ergänzen ihre demo-, psycho- und soziodemografischen Merkmale um die „digitale Identität“ der Zielgruppe. Personas ermöglichen damit ein realitätsnahes Bild der Zielgruppe und verbessern unser Zielgruppenverständnis.

 

new business

Erschienen in: new business 30 / 25.07.2016

Quelle Titelbild: prenz / photocase.com

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