Was bringt 2017?
Ein Ausblick des Vorstandes der Account Planning Group Deutschland (APG) – in eigener Sache und für die gesamte Kommunikationsbranche.
Die APG positioniert sich neu
Die Account Planning Group Deutschland feiert ihr zwanzigjähriges Bestehen. Weil Kommunikations-Strategie längst auch jenseits „klassischer Werbung“ und „klassischer Werbeagenturen“ stattfindet, hat sich die APG mit „New Strategy“ ein klares Programm gegeben, um die aktuellen Entwicklungen abzubilden und zu diskutieren:
- Mehr Reflektion: Welche Spielarten der Kommunikations-Strategie bilden heute das Spektrum dessen ab, was als „Account Planning“ im London der späten 1960er seinen Ausgang nahm – insbesondere in Deutschland?
Hierzu werden wir uns weiter auf Spurensuche zur Entwicklung der Kommunikations-Strategie in Deutschland begeben und systematisch aktuelle Berufsprofile definieren. - Mehr Feedback: Wie beschreiben Kommunikations-Strategen heute ihren professionellen Alltag? Und welche Perspektive haben Kreation, Agenturführung, HR und v.a. Kunden auf uns?
Hierzu werden wir 2017 eine neue Strategen-Umfrage starten, die in einem zweiten Schritt auch unsere Stakeholder einschließt. - Mehr Grundlagenarbeit: Welche Skills definieren heute einen erfolgreichen Kommunikations-Strategen?
Hierzu werden wir unsere Fort- und Weiterbildungs-Angebote noch weiter verstärken, um insbesondere dem Strategen-Nachwuchs die nötigen Grundlagen zu vermitteln. - Mehr Integration: Wo sind Verbindungen und spezifische Unterschiede zwischen „klassischer“ Kommunikations- und Digital, Social Media, Activation, Content, Media, Unternehmens- sowie weiteren Spielarten der Strategie?
Hierzu werden wir noch aktiver auf Vertreter dieser Ausrichtungen zugehen, um Austausch, gemeinsame Formate und weitere Möglichkeit zur Zusammenarbeit zu initiieren und zu vertiefen. - Mehr direkter Kontakt: Hamburg, Frankfurt und München sind schon sehr aktiv, doch auch Stuttgart, Berlin, Köln und Düsseldorf werden sich bei den APG Stammtischen nicht mehr lange zurückhalten können. Unsere Profession lebt vom Austausch, professionell wir privat. Wir rufen alle Mitglieder, Nicht-mehr- und Noch-nicht-Mitglieder auf, untereinander und mit uns als Vorstand in Kontakt zu treten und über alles zu diskutieren, was Euch und uns aktuell bewegt.
Eine großartige Gelegenheit zum Austausch werden auch der 3. Internationale Strategy Slam in Zürich am 30.3. und die „Grow 2017“ bieten – unser renoviertes jährliches Mitglieder-Treffen im Sommer.
Vier Trends für 2017
Welche Entwicklungen werden sich 2017 verstärkt auf unseren professionellen Alltag auswirken? Versuch einer Prognose.
- Re-Politisierung: Brexit-Abstimmung und US-Wahl, aber auch Gerald Hensels Aktion #KeinGeldFuerRechts und der darauf folgende Shitstorm gegen ihn und Scholz & Friends haben gezeigt, dass inzwischen insbesondere in sozialen Medien eine Parallelwelt existiert, die sich in weiten Teilen von faktengestützter Argumentation und zivilisierten Umgangsformen verabschiedet hat – und dabei zugleich hoch aggressiv Fakten schafft!
Wir glauben, dass Unternehmen, Marken, Agenturen und Strategen nicht weiter darum herum kommen, sich mit dieser Parallelwelt auseinander zu setzen. Erstens weil ein nicht zu verachtender Teil „unserer“ Endkunden ebenfalls an ihr teilhat. Und zweitens, weil sie möglicher Weise mit einem Teil „unserer“ Werbegelder aktiv finanziert wird. Die Verteilung von Werbegeldern an inhaltsblinde Algorithmen zu delegieren, wird zukünftig kaum mehr akzeptabel sein. Ob Marken, Unternehmens-Lenker und „Werber“ aber selbst noch viel expliziter politisch Stellung nehmen werden, darauf kann man gespannt sein. - Von Technikgläubigkeit zurück zu den Menschen: Programmatic Advertising, Big Data, die scheinbar unaufhaltsame Dominanz von GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple) und die anhaltende Digitalisierung aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche haben in den Hintergrund treten lassen, dass Endverbraucher wie Business-Entscheider immer noch Menschen sind. Die eben nur in Teilen durch die von ihnen erzeugten Daten verstehbar und durch mechanisches Retargeting zu begeistern sind.
Wir glauben an die Rückkehr der Menschen. Als Influencer, die mit persönlichem Charisma zielsicherer als jeder Algorithmus dafür sorgen, dass die eigene Botschaft auch bei der Zielgruppe ankommt. Als Zielgruppen-Personas, mit denen abstrakte Daten ein Gesicht, einen Namen und v.a. eine emotional verstehbare Persönlichkeit bekommen – gerade durch das gewisse Etwas an projektiver Spekulation, das Marketing-Entscheider und Strategen in sie legen. Und nicht zuletzt in Form von uns selbst, die wir unseren Kunden als vertrauenswürdige Partner und kompetente Begleiter zur Seite stehen in der überkomplexen Welt des modernen Marketing. - Zurück zu Marken als Leitsternen: Mit Content Marketing, Native Advertising und dem Ideal perfekt personalisierter One-to-One-Kommunikation haben Marken versucht, sich immer weiter in den Kontext einzupassen oder ihr Profil den vermeintlichen Erwartungen ihrer Zielgruppen anzupassen. Indes wird dabei eine zentrale psycho-soziale Funktion von Marken außer Acht gelassen: Für Ordnung und klare Verhältnisse zu sorgen. Nicht zu fragen, wonach Kunden just in diesem Augenblick gerade der Sinn stehen könnte, sondern selbstbewusst Werte und Angebote zu vermitteln, an denen diese sich ausrichten können – im Konsumalltag, aber auch darüber hinaus.
Wir glauben, die Zeit ist reif, um sich wieder Gedanken zu machen, für welche „großen“ Ideen die eigene Marke eigentlich steht. Welche tief liegenden Motive sie anspricht. Und welche archetypischen Narrative sie anklingen lassen sollte. In der „klassischen Kommunikation“ ebenso wie an jedem weiteren Touchpoint der Customer Journey. - Quo vadis, KPIs? Die Unzufriedenheit mit der Koppelung von Marketing- und Kommunikations-Zielen, Maßnahmen, Controlling und der Ableitung von Verbesserungspotenzialen war für Stephen King, einem der beiden Begründer des Account Planning, eine der Hauptmotivationen für die Einführung dieser „neuen“ Agentur-Funktion. 50 Jahre später sind anhaltende Zurückhaltung und Skepsis der Kommunikations-Strategen gegenüber dem Effie wohl symptomatisch für den Fortschritt in diesem Bereich: Der in jedem Marketing-Lehrbuch vermittelte Standard-Prozess aus Analyse, Zielbestimmung, Strategie, Implementierung und Controlling wird in der Praxis nur in den seltensten Fällen befriedigend ge- und erlebt – obwohl dank Digitalisierung doch mehr Datenmaterial vorliegen sollte als je zuvor.
Wir glauben, die Anstrengung lohnt sich, hier nochmals mit Kunden und Kollegen in die Diskussion einzutreten. Um zielloser Maßnahmen-Getriebenheit und zusammenhangloser KPI-Optimierung zu entgehen und die Zusammenarbeit auf einen neuen Level zu heben. Vielleicht springt dann ja auch (zu Recht) ein Preis dabei heraus …
Mehr Ordnung statt mehr Hype
Die Kommunikationswelt wird auch 2017 weder einfacher noch überschaubarer werden. Eine zentrale Aufgabe der Kommunikations-Strategen besteht darin, für ein wenig mehr Ordnung und einen Plan zu sorgen, der über den nächsten Hype und die nächste Abverkaufs-Periode hinaus reicht.
Als APG werden wir unser Bestes tun, unsere Mitglieder und alle weiteren Mitglieder der Strategen-Profession dafür gut auszurüsten.
Erschienen in: new business 1-2/ 09.01.2017
Quelle Titelbild:Arthimedes/shutterstock.com