Digital sprengt Mauern: Höchste Zeit für einen Kulturwandel

Seit über 15 Jahren beherrscht das Thema Digitalisierung die Arbeitswelt. Gefühlt ist schon alles diskutiert und geschrieben und doch kommen wir täglich an unsere Grenzen. Warum? Weil Die Digitalisierung täglich erfordert, aus der Komfortzone auszubrechen, sichere Pfade zu verlassen und sich dem Ungewissen zu stellen.

Von Gesine Märten, Beraterin für strategische Kommunikation und Krisen-PR, und Michaela Jausen, Marken- und Kommunikationsstrategin

 

Digitalisierung erfordert Ausbrechen

Wir müssen ein Stück Planungssicherheit aufgeben und neue Flexibilität erlangen, denn „Digital“ bedeutet weit mehr als das Internet und neue technische Möglichkeiten. Es geht um die Verknüpfung von Online und Offline auf Basis von menschlichen Anforderungen. Nur durch die Verbindung unterschiedlicher Blickwinkel, Meinungen und Einschätzungen, durch Offenheit für andere Wege und das Prinzip „Trial and Error“ gelangen wir an das Ziel, menschliche Bedürfnisse langfristig erfolgreich zu bedienen. Das Schöne daran: Wird der Wandel konsequent gestaltet, wirkt er wie ein Katalysator für relevantere, wirkungsvolle Kommunikation.

 

Manipulation hinter sich lassen

Wenn Menschen langfristig überzeugt und aktiviert werden sollen, ist es entscheidend, sie nicht zu manipulieren, sondern zu inspirieren. Das gilt gleichwohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen als auch für Menschen, die extern zum Handeln motiviert werden sollen. Simon Sinek, britisch-US-amerikanischer Autor und Unternehmensberater, hat mit seinem TED Talk: „Wie große Führungspersönlichkeiten zum Handeln inspirieren“ überzeugende Grundlagen geschaffen und in seinem Blog-Artikel „Manipulation versus Inspiration“ manifestiert. Er beschreibt Manipulation wie folgt:

  • Interne Manipulation: Angstkultur, Finger-Pointing, starre Hierarchien, Silos etc.
  • Externe Manipulation: Menschen über Preis überzeugen, Promotions, Gewinnspiele etc.

Kurz: Manipulation ist eine kurzfristige, aktivierende Taktik, die weder intern noch extern motiviert und Loyalität erzeugt.

Inspiration hingegen erläutert Simon Sinek wie folgt:

  • Interne Inspiration: Respektvolles Miteinander, klare gemeinschaftlich definierte Überzeugung leben, offener Diskurs, Vertrauen schenken etc.
  • Externe Inspiration: Klare Überzeugungen durch relevante Mehrwerte erlebbar machen etc.

Kurz: Inspiration als eine langfristige, aktivierende Strategie, die intern wie extern Loyalität und Motivation erzeugt. Die verbindenden Elemente sind eine gemeinschaftliche Einstellung und Zielsetzung.

 

Kommunikation als Kernkompetenz

Gemeinschaftliche Einstellung und Ziele können nur durch klare, offene Kommunikation entwickelt werden. Dazu gehört es neue, andere Blickwinkel zuzulassen, die bereichern und nicht im Gewohnten stagnieren. So ist Kommunikation mehr als ein Treffen in der Kaffeeküche oder Meetings, die zur reinen Selbstdarstellung oder zum Rapport dienen.

Kommunikation als Kompetenz fordert Offenheit für Neues, Transparenz und Akzeptanz. Sie fördert Verbindungen zwischen unterschiedlichen Gewerken, ortsunabhängige Kollaboration und gemeinschaftliche Problemlösung und schenkt Orientierung und Klarheit.

Kurz: Kommunikation dient als Basis für Inspiration und kann Dinge wirklich bewegen und verändern. Egal ob intern oder extern.

Für Agenturen dürfte die Herausforderung, für mehr Inspiration einzustehen, ein Leichtes sein. Denn keine andere Unternehmung hat so viele Experten, die mit der Kernkompetenz Kommunikation umgehen können. Doch wie schaffen wir es, für mehr langfristige Überzeugung intern und extern einzustehen und nicht Gefahr zu laufen, in alte Muster zu verfallen? Dazu hier ein paar Anregungen:

 

Kultur: Gemeinschaftliche Haltung entwickeln

Schlagkräftige Kommunikation im digitalen Zeitalter, die Menschen langfristig begeistert und motiviert, kann nur im Team entstehen. Sie erfordert eine Kultur des respektvollen Miteinanders, von Wertschätzung und Offenheit. Teams können diese Aufgabe nur bewältigen, wenn sie eine klare Haltung entwickeln, die motiviert und zusammenschweißt, um die Komplexität der Aufgabenstellungen zu bewältigen. Strategen können Anreize schaffen für gewerkneutrale Teamstrukturen, für das Überwinden von Hierarchiestrukturen und das Teilen von Wissen und Information – immer mit der Absicht, Experimentierfreude zuzulassen, um so bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.

 

Prozesse: Silos überwinden

Angesichts der immer komplexer werdenden Aufgabenstellungen kommt die gewerkübergreifende Zusammenarbeit schneller ans Ziel. Wasserfallprozesse haben ausgedient. Die Rolle der Strategen ist es für Klarheit und Transparenz einzustehen. Sie brauchen Verständnis für die Anforderungen der unterschiedlichen Gewerke, um auf individuelle Anforderungen einzugehen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten gemeinschaftlich an der Problemstellung mit eindeutiger Zielsetzung arbeiten. Das gilt nicht nur für die agenturinterne Zusammenarbeit, sondern auch im Miteinander mit Kunden und Endkunden. So sind Strategen im Prozess Ideengeber und Mediatoren zugleich und können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Silos zu überwinden. Mit Kollaborations-Tools wie Slack ist es leichter denn je, eine effiziente und ortsunabhängige Zusammenarbeit zu organisieren und aufzubauen.

 

Inhaltlich: Die Frage nach dem Warum

Wenn Kultur und Prozesse mit einer geschlossenen Haltung gelebt werden, ist die Basis für das „Warum“ gelegt. Um Manipulation zu überwinden, fungieren Strategen als Richtungsweiser, indem sie für alle beteiligten Gewerke klar aufzeigen, „Warum“ etwas getan werden soll: Das ist die tiefste Überzeugung, die erlebbar gemacht wird, bevor über das „Wie“ und das „Was“ gesprochen wird. Diese Überlegungen finden immer unabhängig von Medien und Plattformen statt. Es ist ein holistischer Ansatz, der den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Auf Basis eines faktischen und emotionalen „tiefen Verständnisses“ werden relevante Mehrwerte über Gewerke hinweg entwickelt. Kollaborations-Tools und -Methoden wie „Design Thinking“ und Kreativ-Workshops helfen die Experimentierfreude zu steigern. Auch wenn die Digitalisierung das Taktmaß erhöht und Etabliertes verwirft, ist sie doch eine große Chance, die wir als Kommunikatoren umarmen und gestalten sollten: durch schlagkräftige, überzeugende Kommunikation, die inspiriert.

 

Einige Quellen unserer Inspiration:

Blog: Simon Sinek: Manipulation versus Inspiration http://blog.startwithwhy.com/refocus/2007/02/manipulation_vs.html

TED Talk: Simon Sinek: „Wie große Führungspersönlichkeiten zum Handeln inspirieren“ https://www.ted.com/talks/simon_sinek_how_great_leaders_inspire_action?language=de

Podcast: Christoph Magnussen und Michael Trautmann: „On the Way to New Work“ https://soundcloud.com/onthewaytonewwork (insbesondere Interview mit Gesine und Gerry Haag und Mathias Döpfner)

Organisation: FEMALE FUTURE FORCE https://editionf.com/femalefutureforce/uber

Bücher: Delivering Happiness: Wie konsequente Kunden- und Mitarbeiterorientierung einzigartige Unternehmen schaffen von Tony Hsieh (Autor) und Katrin Klein (Übersetzerin) http://deliveringhappiness.com/book

The 4-Hour Workweek von Timothy Ferriss https://fourhourworkweek.com

 

 

new business

Erschienen in: new business   Nr. 8/ 19.02.2018

Quelle Titelbild: MikhailKochiev@shutterstuck.com

 

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