Dialog im Großformat: Smarte TV-Apps werden die Wohnzimmer erobern

Wenn die optimale Customer Experience ein Puzzlespiel wäre, dann wären smarte TV-Apps die Puzzleteilchen, die das Bunte zeigen. Die, mit denen man die Hauptfigur zusammensetzt, und die, die die Sache richtig rund machen. Hier werden Lücken geschlossen, und dann erst ist das Ganze mehr als die Summe der Teile. Genauso wirken smarte TV-Apps. Sie stellen für das Channel Planning einen neuen Kontaktpunkt dar, der von Reichweitenaufbau über Leadgenerierung und Aktivierung bis zum E-Commerce alle zentralen Marketing- und Salesaufgaben integriert und damit eine hohe Bedeutung bekommen wird.

Von André Lutz, Chief Executive Officer (CEO) von defacto BE/ONE GmbH, München und Erlangen.

 

Smarte TV-Apps auf den ersten Blick: Sie sind sozusagen die Langversion der Mobile-App. Sie sind die großformatigen Inszenierer. Das „smart“ steht für ihre Integrations- und Dialogfähigkeit. Der Kunde findet sie in den App-Stores und installiert sie auf seinem TV. Und dann kann’s auch schon losgehen: die Reichweite und die Inszenierungsqualitäten von TV, gepaart mit der Intensität und der Nachhaltigkeit des Dialogs, im Idealfall integriert in Ökosysteme (zum Beispiel Amazon) oder Markenwelten – das Ergebnis ist ein ganzheitliches Kundenerlebnis, das es bisher noch nicht gab.

Es passt in die Zeit: Cookies, Permissions, Log-ins und Tracking machen Customer Journeys komplexer. Immer mehr Kontaktpunkte werden einbezogen und – smart – interagieren miteinander. Häufig brechen die Customer Journeys jedoch an Reichweitenkontaktpunkten wie dem linearen TV noch ab. Da müssen andere Abteilungen integriert werden und Konsumenten können nicht mehr identifiziert werden. Smart TV beziehungsweise smarte TV-Apps bauen hier Brücken und machen auch den Kontaktpunkt TV messbar. Mehr als das: Sie machen ihn zum Direct-Commerce-Channel. Der Dialog bekommt nun Reichweite oder Smart TV ist ein neuer Kontaktpunkt, der von Reichweite über Identifizierungen, Engagement bis zur Conversion den kompletten Sales Funnel abdeckt.

Cockpit-Sofa

In entspannter Atmosphäre, zu Hause vor seinem TV-Gerät, beschäftigt sich der Kunde mit dem hochwertigen Content, den beispielsweise ein Autohersteller, ein Reiseveranstalter oder ein Modehändler über die smarte TV-App ausspielt. Ob Dessous-Präsentation oder fernwehschürender Reisebericht: Als Werbetreibender kann man sich keine bessere Situation vorstellen für die großformatige Präsentation der eigenen Markenbotschaften. Der Kunde ist maximal bereit für die Interaktion mit dem Angebot. Sehr wahrscheinlich, dass er Kontakt aufnimmt, etwas bestellt oder eine Probefahrt vereinbart. Wenn sich alles im selben WLAN abspielt – TV, Handy, Tablet und Assistenten wie „Alexa“ –, ist das Erlebnis richtig rund. In der Praxis: Wenn ich über den in der TV-App meines Autoherstellers angebotenen Call-Back-Button mit dem Callcenter einen Probefahrt-Termin vereinbaren möchte, weiß der Callcenter-Mitarbeiter, welches Auto ich derzeit fahre, kann meine Kontaktaufnahme richtig einschätzen und ich muss auf keinen Fall meine Adresse buchstabieren, denn die sieht er ja.

Dialog mit Reichweite

Im Dialogmarketing werden wir vor allem seitens unserer FMCG-Kunden oft damit konfrontiert: „One to One ist gut, aber wir brauchen Reichweite!“ Reichweite, Engagement und gleichzeitig die Qualität des Dialogs, das ist die Aufgabe, die sich mit smarten TV-Apps jetzt lösen lässt. Der Konsument ist bereit: Mobile-Apps sind gelernt, für TV-Apps ist der Weg bereitet, denn der Fernseher ist internetfähig. Vom Grundprinzip her wird TV handelbar wie Onlinemarketing: Content, Tracking, Verlinkungen – das funktioniert hier ganz genauso.

Viele Gründe sprechen für TV-Apps als smarte neue Dimension der Kundenansprache: TV wird ein digitaler Kontaktpunkt mit großer Reichweite, ohne dass zusätzliche Mediakosten anfallen. Fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland besitzt ein Smart TV-Gerät (gfu-Studie 2018: „Smart-TV hat sich etabliert“). Der Kunde ist offen für Inspiration, der Zeitpunkt für die Ansprache könnte kaum besser sein, die Impuls-Kaufbereitschaft ist hoch. TV-Apps können zudem die Killerapplikation sein, wenn es darum geht, bisher schwer erreichbare Kunden zu identifizieren und anzusprechen: Mit 58 Prozent Hauptnutzer von TV-Apps sind derzeit noch technikaffine Männer, eine Zielgruppe, die man wesentlich schlechter am Point of Sale (POS) erreicht und identifizieren kann als Frauen. Gesurft wird drei- bis viermal monatlich, jeweils bis zu zwanzig Minuten lang (Quelle: MEKmedia 2018). Die Zielgruppe kommt häufig über Gaming oder Mediatheken vom linearen TV in die Smart TV-Welt. Da Gaming und Mediatheken sich einer stark steigenden Nutzung erfreuen, frischt damit auch der Rückenwind für smarte TV-Apps auf.

Voraussetzungen

Wer TV als Touchpoint über Apps bespielen will, muss in guten Content investieren. Das ist keine einmalige Angelegenheit. Branchen, in denen Bewegtbild-Content bisher schon Verwendung findet, sind im Vorteil, denn der bestehende Content findet – kuratiert – Eingang in einen neuen Kanal und ist damit ein Stück weit schneller refinanziert. Damit der Konsument die App auch wiederholt ansteuert und nutzt, ist Mehrwert in Form guten Contents wichtig. Es gilt genauso wie bei Mobile-Apps: Nur wenn smarte TV-Apps ihre Zielgruppen zu einer regelmäßigen Nutzung bringen, haben sie eine Berechtigung.

Strategische Planung für prädestinierte Branchen

Nachdem die qualitative Medienauswahl eine zentrale Aufgabe von Strategischen Planern ist, müssen sie sich mit den neuen Möglichkeiten des digitalen TV, ob Smart TV, HBBTV-Apps oder Adressable-TV, dezidiert beschäftigen. Gerade für Werbetreibende, die bereits in TV investieren oder ein für die Smart-TV-Rahmenbedingungen passendes Produkt vermarkten, stellt die Verlängerung der Ansprache im linearen TV auf eine TV-basierte digitale Plattform einen logischen und kurzen Schritt für eine geschlossene Customer Journey dar und mehr messbaren Return aus den Mediaspendings. Überall, wo es um Emotionen und eine starke (Bewegt-)Bildsprache geht, ist der große Bildschirm erste Wahl, zum Beispiel für Autos, Reise-Destinationen, Beauty oder Mode. Unternehmen, die wenig Gelegenheit zum persönlichen Kontakt mit ihren Kunden haben, aber Produkte, die ungeteilte Aufmerksamkeit und Zeit erfordern, zum Beispiel Finanzdienstleister, können über TV-Apps im privaten Umfeld Beratung und Vertrieb ganz neu aufstellen. Erklärungsbedürftige Produkte oder alles, was im weitesten Sinn „DIY“ erfordert, finden hier ideale Voraussetzungen. Produkte, die ihre Zielgruppen überhaupt nicht am POS erreichen, zum Beispiel gemeinnützige Organisationen, Vereine oder Kirchen, haben hier eine gute Möglichkeit dazu.

Fazit: Ein (immer noch) dramatisch unterschätztes Medium

  • TV in Kombination mit Apps bietet Reichweite ohne zusätzliche Kosten.
  • Der Konsument wird zum bestmöglichen Zeitpunkt in der bestmöglichen Situation angesprochen und ist deshalb offen für Kommunikation.
  • Die einzigartige Kombination aus Situation (Offenheit), Präsentation (Screen) und hochwertigem Content (Bewegtbild) bietet große Potenziale für Absatz und Markeninszenierung.
  • Ideal ist es, wenn beispielsweise das Kundenbindungsprogramm mit TV-App, Mobile-App und E-Shop vom Kunden als integriert erlebt wird und auch offline Kontaktpunkte, beispielsweise aus dem Couponing, berücksichtigt werden.

 

Erschienen in: new business Nr. 36/12.09.2018

Quelle Titelbild: 

ThongPooN@shutterstuck.com

 

 

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