Social-Media-Postings: Warum wir stärker differenzieren müssen

Immer noch werden in Kommunikationskonzepten unter dem Begriff „Social Media“ teilweise grundverschiedene Kanäle zusammengefasst. Dabei sind die Anforderungen an Content für diese Plattformen sehr unterschiedlich. Ein Plädoyer für mehr Diversität in Social-Media-Kampagnen.

Von Natalie Janowsky, Brand Strategist bei Leo Burnett Deutschland.

 

Kein Werbetreibender würde jemals auf die Idee kommen, ein TV-Voiceover einfach als Radiospot auszuspielen. Jedem ist klar, dass Radio und TV zwei komplett unterschiedliche Kanäle sind. Doch was in den klassischen Medien als selbstverständlich gilt, findet in den Sozialen Medien kaum Anwendung.

 

Es gibt keine Garantie für Aufmerksamkeit.

Auch wenn die Buchungsmöglichkeiten auf Facebook und Co. den Anschein erwecken: Aufmerksamkeit in Sozialen Medien lässt sich nicht einfach kaufen. Denn die Sozialen Medien sind demokratisiert. Und an dieser Stelle soll es gar nicht um die Demokratisierung der Content-Produktion gehen – sondern es geht um die Entscheidungsfreiheit: Wenn der Nutzer keine Lust auf Werbung hat, kann er ihr einfach aus dem Weg gehen. Vor allem in Social Media. Dank Bumper- oder In-Video-Ads haben Werbetreibende zwar immer noch käufliche Hebel. All die anderen gesponserten „Instagram Stories“, Facebook-Posts und sorgsam kreierten, vermeintlich organischen Social-Media-Beiträge sind mit nur einer Fingerbewegung aus dem Blickfeld der Nutzer verbannt.

Nicht nur Inhalte müssen relevant sein, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Das Heilmittel gegen Werbeflucht ist Relevanz. Das ist nichts Neues. Doch wenn es um Relevanz geht, richten wir unseren Blick viel zu sehr auf den Inhalt allein. Oft kommt aber auch der relevanteste Inhalt nicht bei den Nutzern an. Und der Grund dafür ist in den meisten Fällen sehr banal: Der Beitrag ist nicht so aufbereitet, wie es die Zielgruppe von der jeweiligen Plattform und ihrer Nutzungsweise gewohnt ist.

Was wir beim Entwickeln von relevanten Social-Media-Ideen oft vergessen: Die relevante (plattformadäquate) Aufbereitung des Inhalts ist ebenso wichtig wie die Relevanz des Inhalts an sich. Erst wenn beides zusammenkommt, stoppt der dirigierende Daumen für einen Moment und lässt den Konsum des Beitrags zu. Dann reden wir von „Thumb-Stopping Content“. Dabei genügt es manchmal schon, bei einem Facebook-Video dem Nutzer bereits in der ersten Sekunde zu sagen, was ihn in dem Video erwartet. So kann er sofort entscheiden, ob der Inhalt des Videos relevant für ihn ist. Anderenfalls würde er vielleicht schon weiterscrollen – einfach nur, weil er es nicht weiß.

Wir müssen anfangen, Social-Media-Kanäle stärker zu differenzieren.

Social Media ist nicht gleich Social Media. Der deutsche Social-Media-Nutzer hat im Schnitt 3,8 verschiedene Accounts, die er regelmäßig nutzt.[1] Heißt: Es gibt nicht die eierlegende Wollmilchsau der Sozialen Medien. Statt „Eins für alles“ gibt es heute „Für alles eins“. Für alle Bedürfnisse, für alle Emotionen, für alle Arten von Beziehungen und für alle Nutzungssituationen:[2]

 

 

Kreieren statt adaptieren

Verschiedene Kanal-Charakteristiken sorgen für unterschiedliche Ansprüche an den Content für die jeweiligen Kanäle. Für Social-Media-Kampagnen bedeutet das ein Umdenken im Prozess der Entwicklung von Social-Media-Contentideen. Bislang werden die einzelnen Postings „Top-down“ aus der Konzeptidee in die einzelnen Kanäle dekliniert. Einzelne Formate der Kanäle dienen als Schablone für die Umsetzung. Idee + Format = Social-Media-Posting. Die oben genannten Charakteristiken der Kanäle spielen dabei zwar während der Kanalwahl eine Rolle, gehen während der Ideenentwicklung aber zu häufig unter. Um die Kampagnenidee relevant in die Social-Media-Kanäle zu überführen und nicht nur zu adaptieren, bedarf es eines „Bottom-up“-Ansatzes: Posting-Ideen sollten beim Nutzer und dessen Verhalten, Gefühlswelt, Umfeld und Erwartung an die einzelnen Kanäle ansetzen und im iterativen Prozess mit der Konzeptidee statt nur aus ihr heraus kreiert werden. Statt „Was machen wir auf Social Media?“ sollten wir uns fragen: „Welche Rolle spielt der jeweilige Kanal für unsere Zielgruppe und an welchen Punkten können wir ansetzen, um unser Ziel zu erreichen?“

Fazit

Wir müssen unseren Content nach den Erwartungen der Zielgruppe sowohl an den Inhalt als auch an die Aufbereitung richten. Nur so können Marken ein echter Teil der Social-Media-Welt und damit des Lebens der Zielgruppe werden. Anderenfalls ist Social Media nicht Web 2.0, sondern TV 2.0 und damit nur ein weiterer Paid-Media-Kanal, der die Nutzer mehr nervt als ihnen hilft und wenig bis keinen langfristigen Impact auf die Marke erzielt. Und genau wie das Voiceover kein Radiospot ist, ist ein TV-Commercial kein Facebook-Video.

 

 

QUELLEN:

[1] UM „Wave 9“.

[2] Zusammenfassung aus zahlreichen Social-Media-Studien und praktischer Erfahrung.

 

Erschienen in: new business Nr. 11/11.03.2019

Quelle Titelbild:Von Leo_Traveling@shutterstuck.com

 

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