Gute Planner, böse Planner – Denkanstöße über die Liaison von Strategischer Planung und ökosozialer Verantwortung

Der Titel dieses Essays verleitet dazu, ins Moralisierende abzurutschen und selbst ins Kreuzfeuer zu geraten. Dennoch bringt er – zugegebenermaßen spitz formuliert – auf den Punkt, welche Denkanstöße mit auf den Weggegeben werden sollen: Es geht um den Spagat zwischen Realität und theoretischem Idealzustand, den wir als Planner täglich machen – und um die Frage nach dem Berufsethos der Strategischen Planer in Zeiten von Cradle-to-Cradle-Produktion und wachsendem ökosozialem Verantwortungsbewusstsein.

Von Melanie Stagg, Leiterin Strategische Planung bei bilekjaeger in Stuttgart

 

Neben den Trend- und Zukunftsforschern sitzen wir Planner an der Quelle zum Wissen über gesellschaftliche Veränderungen. Die tägliche Dosis Tageszeitung und Fachmedien wie der Zukunftsletter oder der Service von ‚trendwatching. com‚ hat uns längst gezeigt: Nachhaltigkeit ist längst kein Trendthema mehr, welches sich wunderbar in Marketing-Strategien einflechten lässt und dann hoffentlich nicht als Greenwashing enttarnt wird.

 

Planner im Spagat

In dem über 400 Seiten starken Bericht an den Club of Rome mit dem Titel ‚Faktor Fünf bringen die Autoren die Notwendigkeit von Verhaltensänderungen auf den Punkt: „Entweder lernt die Menschheit, nachhaltig mit der Erde umzugehen, oder die Umwelt schlägt zurück und lässt das Menschengeschlecht zugrundegehen.“

Nachhaltiges Denken und Handeln ist zum Muss geworden und untrennbar verknüpft mit den Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft. So platt diese Aussage auch klingt, so wichtig ist es, diesem Credo zunächst als Privatperson zu folgen und schließlich beruflich als Multiplikator zu agieren.

Wir Planner befinden uns am Anfang der Zündschnur unterschiedlichster Handlungsketten. Wir sammeln die Consumer Insights, fügen eine Prise Trend-Know-how hinzu und vermengen dies mit den Marken-Werten und Produkt-Eigenschaften, bis ein gut ausgewogener Creative Brief entsteht. Dieser ist dann die Basis für die Neuentwicklung von Marketing-Tools, die wiederum für Verhaltens-Änderungen in der Gesellschaft sorgen sollen – unterm Strich zum Wohl des Auftraggebers und dessen Unternehmen.

Daran ist nichts falsch, aber: Da muss es doch noch mehr gehen! Fügen wir als Sommeliers der Marketing-Kompositionen einen Hauch Nachhaltigkeits-Gedankengut hinzu, wird das Ergebnis früher oder später allen Beteiligten besser schmecken, auch wenn möglicherweise zu Beginn die neue Note etwas Gewöhnung bedarf.

Schließlich sind wir als Anwälte der Zielgruppen nicht nur lnteressensvertreter, sondern auch Wegbegleiter, um die oftmals unausgesprochenen Interessen durchzusetzen. Und wenn wir dieses Mandat ernst nehmen, sehen wir uns im beruflichen Terrain oftmals Zielkonflikten gegenüber zwischen den Interessen des Auftraggebers und dem eigenen Wissen über die optimierbare Ökosozialverträglichkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung.

Je nachdem wie ökologisch oder sozial der Einzelne eingestellt ist, schmerzt der Spagat zwischen Kundenauftrag und dem persönlichen Gewissen mehr oder weniger. Clever ist, wer es schafft, diesen Spagat zu meistern, ohne sich selbst verdrehen zu müssen.

Wie dies gelingen kann, muss jeder für sich selbst herausfinden. Oft sind es die kleinen Stellschrauben, an denen man dreht und damit eine Maschinerie in Gang bringen kann, deren Wirkungsgrad viel größer ist als gedacht. Deshalb können nahezu banal amnutende Kleinigkeiten mehr bewirken, als vermutet.

 

Kleines Rädchen mit spitzen Zacken

Hier sind ein paar dieser Stellschräubchen aufgelistet, die vom Junior-is zum Chef-Planner mühelos bedient werden könnten. Die Liste ist für eine Fortsetzung offen und die Diskussion dazu in der Facebook-Gruppe der APG Deutschland eröffnet.

Erste Stellschraube:
Frage nach, welche Projekte und Maßnahmen unternehmensübergreifend in Sachen Nachhaltigkeit initiiert wurden und werden. Finde heraus, ob das fragliche Produkt oder die Dienstleistung einen eigenen Beitrag zu den Nachhaltigkeits- Maßnahmen leistet.

Zweite Stellschraube:
Finde heraus, ob diese Maßnahmen überdurchschnittlich umfangreich sind im Branchenvergleich und gemessen an der Unternehmensgröße.

Dritte Stellschraube:
Denk nach, welchen Stellenwert diese Maßnahmen des Unternehmens haben – sowohl für Mitarbeiter wie auch Kunden, Business-Partner und andere Bezugsgruppen (wie beispielsweise Nachbarn des Betriebsgeländes, wenn es sich um ein produzierendes Gewerbe handelt).

Vierte Stellschraube:
Sei ein Creative-Brief-Sommelier – und füge dem Briefing neue, echte Werte hinzu. Stelle dir die Frage, was das Unternehmen oder die Marke neben der Kernleistung außerdem gesellschaftlich-nachhaltig Relevantes leisten kann.

Fünfte Stellschraube:

Vor dem Briefing ist nach dem Briefing: Bleibe dran und überprüfe selbst, ob diese neuen, echten Werte tatsächlich ihrem Wert entsprechen.

Und noch ein Nachschlag: Werte müssen nicht zwingend zum Bestandteil der externen Marketing-Kommunikation werden. Die Nachhaltigkeits-Leistungen und damit verbundenen Denkanstöße können durchaus auch unternehmensintern kommuniziert werden, zumal die Mitarbeiter auch eine wichtige Zielgruppe sind.

 

Wer ist nun böse?

Ein Zwischenfazit: Wer Greenwashing aktiv unterstützt, ist wohl eher ein böser Planner. An dieser Stelle sei die These formuliert, dass ohnehin innerhalb kürzester Zeit ungerechtfertigt aufgesetzte ökosoziale Lorbeerkränze in Brand geraten dank der intensiven Vernetzung aller Zielgruppen über Social Communities. Auf der anderen Seite kann das Community- Controlling ehrlich durchgeführte Projekte eines Unternehmens wertschätzen und so zum Imagegewinn erheblich beitragen. Der Grat ist schmal und voller Stolpersteine, auf dem das Marketing des 21.Jahrhunderts balanciert.

Dieser Essay ist natürlich reine Theorie. Wie daraus Praxis wird, bleibt der Kunst jedes Einzelnen überlassen. Oftmals liegt in der Praxis allein aufgrund des Geschäftsfelds der betreuten Marke kein Nachhaltigkeits-Wert auf der Hand. In solchen Fällen sind die Recherche-Gabe des Planners und das Um-die-Ecke-Denken noch mehr gefragt.

Beispielsweise kann ein Vorschlag schon darin bestehen, Geschäftsreisen künftig über ‚atmosfair‘ zu buchen, um mit einem kleinen Kostenaufschlag die durch Flüge verursachten Klimaschäden ‚wieder gutzumachen‘ durch Investitionen in Projekte für erneuerbare Energien. Oder Notizbücher oder Kalender für Mitarbeiter können bei ‚Paul’s Way‘ bestellt werden, um so die Ausstattung von Schulkindern in Asien zu unterstützen.

Diese Maßnahmen mögen nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirken. Aber in der Summe kann sich der Effekt bei über 300 APG-Plannern in Deutschland mit zigmal so vielen Etats mindestens um den Faktor fünf verstärken, wenn wir aktiv(er) werden und besagte Zündschnur der Handlungsketten in die richtige Richtung auslegen.

 

 

Foto: „..sagt der Engel zum Teufel!“ | zazou | photocase.de

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