Der Fisch muss schmecken

Mobilfunk-Provider werben in einem hochkompetitiven Umfeld: Der Wettbewerb reagiert sofort, und Media wird über Auktionen eingebucht. E-Plus machte sich deshalb zusammen mit der Hamburger Agentur SinnerSchrader auf die Suche nach neuen Wegen.

Von Axel Bergander, Director Content Strategy, SinnerSchrader und Jürgen Rösger, CDO, E-Plus

 

Dieser neue Weg heißt Content Marketing – und ist eigentlich ein alter und bewährter. Seit 1895 spricht der amerikanische Landmaschinenhersteller John Deere im Magazin The Furrow mit seinen Kunden. Und kaum ein deutscher Haushalt, in dem nicht ein Kochbuch von Dr. Oetker in der Küche steht – seit 1911.

Dank digitaler Möglichkeiten erlebt Content Marketing eine Renaissance: Glaubwürdigkeit und nachhaltige Owned Media sind die Versprechen. Agenturen aus den verschiedensten Branchen bringen dabei ihre Perspektiven und Werkzeuge an den Tisch.

Prominentestes Beispiel ist sicher Red Bull – mit massiven Invests geht die Getränkemarke weit über Sponsoring hinaus, besetzt und besitzt komplette Sport-Kategorien und Teams. Diese Eigentümerschaft bringt eine bis dato unbekannte Kontrolle und neue Wege, Geschichten zu erzählen. Das eigentliche Produkt ist dabei immer nur Requisit, nie Thema.

Vodafone erzählt auf firsts.com Geschichten von ersten Malen – Storytelling, basierend auf einem klassischen Marken-Insight. Und Ford führte sein Modell ‚Fusion‚ in den USA mit einer groß angelegten Kombination aus YouTube-Videos mit Serienstars, User Generated Content, POS-Maßnahmen und TV-Spots ein.

 

Mit Erfahrung in die Zukunft

Wir nahmen uns jedoch eine der ältesten und erfolgreichsten Content Marketing-Initiativen zum Vorbild; so erfolgreich ist die Maßnahme, dass sie seit 1901 läuft und Menschen Geld bezahlen, um sie zu lesen. Die Rede ist vom Guide Michelin. Das Konzept des Reifenfabrikanten? Ihr Restaurantführer bot Automobilisten einen Grund, mehr, öfter und weiter zu fahren – mit dem entsprechenden Reifenverbrauch.

Zwei Gründe machen dieses Modell so erfolgreich: Die Qualität der Inhalte und die Glaubwürdigkeit durch Trennung von absendender Marke und Inhalt.

Um es mit einem Beispiel aus dem Alltag zu erzählen: Würden Sie Ihren Fischhändler fragen, ob sein Fisch wirklich frisch ist? Sicherlich nicht, denn er kann nichts anderes antworten als:»Natürlich!«. Aber fragen Sie ihn mal nach einem Rezept für den Fisch – er wird Ihnen den Mund wässerig reden – und Sie den Fisch kaufen. Probieren Sie es einmal aus.

 

Der strategische Schritt vorwärts

Daten-Verträge sind der Fisch, und Curved ist das Rezept für Smartphones, Tablets und die Apps. Ein Magazin, das die mobile Revolution versteht und der Generation Touch so erklärt, wie sie mehr aus und mit ihren Geräten macht – und dafür mobile Datenverträge nutzt.

Im nächsten Schritt ging es um die strategische Positionierung von Curved innerhalb des deutschen Marktes. Angesichts einbrechender Print-Auflagen war Online als Medium gesetzt; minimale Distributionskosten, hohe Flexibilität und die Möglichkeit, Leser ohne Medienbruch in die Online-Shops der E-Plus Gruppe zu leiten, sind weitere, schlagkräftige Argumente.

Inhaltlich zeigte eine Analyse des Marktes eine klare Zweiteilung: Auf der einen Seite Fakten- und Featurelastige Magazine mit nüchternen Layouts für Technik- Fans. Auf der anderen Seite »Erklärbär-Magazine« mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen für funktionale digitale Analphabeten, die zwar Geräte bedienen können, ohne jedoch die zugrunde liegenden Prinzipien zu verstehen. Dabei besitzen – so Zahlen des Brachenverbandes Bitkom – bereits mehr als 40 Prozent aller Bundesbürger ein Smartphone. Und 80 Prozent aller verkauften Mobiltelefone sind Smartphones. Unsere Verwender- Zielgruppe ist also theoretisch jeder. Praktisch fokussierten wir uns erst einmal auf Fans und Experten, die in ihren Bezugsgruppen die Kaufempfehlungen geben. Unsere Position: Erklären, wozu die Geräte und Apps fähig sind. Zeigen, wofür und wie man sie nutzen kann. Begründen mit fundierten Expertenwissen, dabei aber verständlich geschrieben.

Daraus ergaben sich auch die formalen Ansprüche: ein modernes, großzügiges Layout, das auf Smartphones, Tablets und PCs gleichermaßen funktioniert. Brillante Fotografie und Videos, täglich produziert im eigenen Studio. Ausgiebige Tests, Analysen, Hintergrundstücke und Ratgeber mit langer Lebensdauer.

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Die Foto- und Videoproduktion für redaktionelle Beiträge auf der E-Plus-Plattform ‚Curved‘ erfolgt im eigenen Studio

 

 

Qualität entscheidet

Die Redaktion aus erfahrenen Fach-Journalisten garantiert die hohe inhaltliche Qualität. Die Glaubwürdigkeit erreichten wir durch die Einführung der neuen Medienmarke Curved. Richtig überzeugend für den Leser wird die Haltung dieses Technik-Portals, wenn zum Beispiel ein Smartphone im Test durchfällt, obwohl es in den Shops der E-Plus Gruppe vorgestellt wird. Dies geht nur mit einer im Corporate-Kontext seltenen Maßnahme: E-Plus nimmt keinerlei Einfluss auf redaktionelle Inhalte. Im Gegenteil: Redaktion und Besucher-Analysen geben E-Plus wertvolle Daten, welche Produkte bei den Lesern ankommen.

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Unter jedem auf ‚Curved‘ veröffentlichten Artikel finden User passende Produktangebote sowie Links zu den Shops der E-Plus Gruppe

 

Die Sichtbarkeit in Google bestimmt den Erfolg: Dass Google inzwischen neuen und ausführlichen Content bevorzugt und Produzenten von billigen Textmassen abstraft, kommt unserer Strategie natürlich entgegen. Die Präsenz in der organischen Suche verschafft zusätzlichen nachhaltigen Traffic, auch für ältere Artikel. Mit der Aufnahme in den Google News Index explodierte dann unser Traffic: zu aktuellen Themen blendet Google eine Box mit drei aktuellen Nachrichten ein, die extrem oft geklickt werden.

SEO-Experten helfen uns, Themen und Keywords zu priorisieren und die Website technisch perfekt für Google aufzubereiten. Diese Besucherströme sind monetarisierbar. Artikel werden ergänzt mit Links zu passenden Produkten in den E-Plus Shops. Ergänzt wird dies durch nichtstörenden Einsatz von Bannern und Advertorials zu speziellen, nur für Curved-Leser verfügbaren Angeboten. Gleichzeitig generiert die Seite Daten, mit denen E-Plus Werbemedien auf anderen Websites erheblich zielgenauer und effektiver ausspielen kann.

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Über ein Dashboard wird das User-Verhalten in Echtzeit analysiert

 

 

Schnell bewegen und neu Lernen

Wie lange es dauert, von der grundlegenden Idee bis zum Launch zu kommen? 100 Tage, inklusive einer Woche redaktionellem Vorlauf. Wie das geht? Mit drei Dingen:

· einem erfahrenen Team an Entwicklern, Konzeptern und Grafikern;

· einem ins Team integrierten Vertreter des Kunden, der die meisten Entscheidungen zeitnah vor Ort treffen und komplexere Themen mit der Zentrale verhandelt kann;

· mit dem klaren Bewusstsein, dass der Launch nur eine Stufe in der Entwicklung ist. Erst nach dem Launch entsteht durch die Nutzung die Datenbasis, auf der weitere Entscheidungen getroffen und zusätzliche Features eingebrieft und umgesetzt werden können. Deswegen gehören Programmierer weiterhin zum Team.

 

Das Ergebnis: Nach einem halben Jahr über eine Million eindeutige Besucher ohne nennenswerte Media-Spendings. Magazine wie Prinz oder Rolling Stone schaffen nur die Hälfte. Die Erfolgsfaktoren: ein Bekenntnis zu Content First und redaktioneller Integrität; Präsenz in Google News durch eine hohe Frequenz und Aktualität; Longtail-Artikel, die nachhaltig Nischen besetzen; klar definierte Führung der User auf Curved und von da aus in den Sales Tunnel; inhaltliche Qualität auf Augenhöhe mit den führenden Magazinen.

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Lessons learned

Axel Bergander, Director Content Strategy, SinnerSchrader:

1. Google ist der entscheidende Traffic-Treiber.

2. Gute Fach-Journalisten sind schwer zu finden.

3. Wer mehr probiert, lernt auch schneller.

 

Jürgen Rösger, CDO, E-Plus:

1. Online-Journalismus ist eine komplexe Mischung aus Kreativität, Technologie und Analyse.

2. Redaktionelle Unabhängigkeit ist Basis für ein nachhaltiges Reichweitenwachstum.

3. Inhaltlich qualifizierte Leads konvertieren in den Shops um einiges besser als Leads aus Werbung.

 

Veröffentlicht im MARKENARTIKEL, September 2014

In der Serie „Markenwerkstatt“ stellt der MARKENARTIKEL in Kooperation mit der APG Deutschland, dem Verband der Marken- und Kommunikationsstrategen, mehrmals im Jahr kommunikative Ausnahmeideen vor und wirft, gemeinsam mit Kunde und Planner, einen Blick hinter die Kulissen. Das Ziel: Von den Machern erfahren, wie sie die Idee konzeptionell erarbeitet haben, damit Markenartikler und Markenmacher voneinander lernen.

 

Fotos: E-Plus, Koosinger | photocase.de

 

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