Herausforderungen und Chancen für Food-Marken

In den letzten Jahren hat sich der Druck auf Food-Hersteller verschärft: Ausdifferenzierung der Märkte und neue Marketingparadigmen haben Food-Marken vor neue Herausforderungen gestellt.

Von Katharina Michalski, brand foresight

 

Im Mittelpunkt der Veränderungen im Food- Markt steht der Konsument, der sein Konsumverhalten an die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Wandels anpasst. Diese Anpassungsstrategien des Konsumenten stellen Food-Hersteller nicht nur vor neue Herausforderungen, sondern eröffnen auch neue Chancen. Seit einiger Zeit ist ein sich langsam vollziehender Bewusstseinswandel zu beobachten: Preisorientierung bei Lebensmitteln lasst nach, dafür werden Genuss- und Qualitätsorientierung wichtiger. Da alleinige Preisdifferenzierung den Verzicht auf Genuss, Ästhetik, Wohlgefühl und Status bedeutet, wächst die Bereitschaft für einen Mehrwert mehr zu bezahlen.

 

Die Ausbreitung der smarten Nische

Was stellt aber diesen Mehrwert dar? Laut Norbert Bolz fordert der Konsument als Wert ein, was er am meisten vermisst. Gerade in Umbruchzeiten entstehen gefühlte und tatsächliche Mängel. Als unmittelbare Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise wächst beispielsweise die Sehnsucht nach Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Wachsende Globalisierung weckt das Bedürfnis nach kultureller Unterscheidung und zugänglichen Identifikationsflächen. Etablierte Marken scheinen jedoch immer seltener in der Lage, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Stattdessen haben in den letzten Jahren neue Wettbewerber den Markt betreten, die mit regional und emotional nahen Angeboten den Vertrauensvorsprung der Herstellermarken streitig machen. Sie halten ein, was etablierte Marken versprechen, aber oft nicht einlösen. Neben sinnstiftenden Angeboten liefern sie transparente und nachprüfbare Qualität. Das trifft die Marke im Kern, da der fehlende Markennutzen den Premiumpreis immer weniger rechtfertigt. Für sie wird es immer schwieriger, die Besonderheit ihres Produktes unter Beweis zu stellen. Irrtümlicherweise werden diese Newcomer auf die Bio- oder LOHAS-Bewegung reduziert. Als Antwort werden häufig eigene Bio-Linien lanciert und nicht die gesamte Markenstrategie auf den Prüfstand gestellt. Den zugrunde liegenden gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen scheinen etablierte Marken ratlos und tatenlos gegenüber zu stehen. Smarte Newcomer wittern hier ihre Chance, mit neuen Angeboten mnovationslücken zu schließen. So haben beispielsweise in den letzten Jahren True Fruits (Smoothies) und Roggenkamp Organics (frische Suppen) neue Märkte erschaffen.

 

Das Produkt ist die Botschaft

Das Scheitern vieler Marken an den nicht eingelösten Markenversprechen ist auch der wachsenden Vernetzung und Transparenz geschuldet. Sie führt dazu, dass nicht nur PR-Lügen und Skandale sofort entlarvt werden, auch Produktversprechen werden zunächst kritisch hinterfragt und geprüft. Social-Media-Angebote wie Blogs, Foren, Twitter und Facebook-Pages spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Meinungsbildung über Marken. Diese haben zwar nie in einem Vakuum existiert, sondern waren stets das Produkt ihrer subjektiven Wahrnehmung. Die Multiplikation der Kontaktpunkte führt jedoch dazu, dass das Image der Marke weniger kontrollierbar wird. Unehrlich und künstlich wirkende Marken bekommen unausweichlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Diskrepanz zwischen Produkt und Marke wird für die Konsumenten immer weniger tolerierbar. Deshalb propagieren Alex Bogusky und John Winsor in ihrem Buch ‚Baked in – Creating products and businesses that market themselves‘ die Idee, dass das Produkt selbst die Botschaft sein sollte. Demnach sollen Unternehmen innovative Produkte entwickeln und das Marketing direkt in sie einbauen, anstatt eine sinnleere Marke als Hülle zu konstruieren.

 

Digitalisierung der Produkterfahrung

Ein Beispiel für ein in das Produkt ‚eingebackenes‘ Marketing ist Honest Tea Eistee, der sein Produktversprechen sogar im Namen trägt. Die ‚Ehrlichkeit‘ des Eistees manifestiert sich in einem gesunden und organisch erzeugten Produkt und einem Unternehmen, das sich für seine Mitarbeiter und die Umwelt engagiert. Der Ansatz von Honest Tea zeigt, dass das Produkt für sich selbst sprechen kann. Daher sollte Markenführung keine reine Kommunikationsaufgabe, sondern markenzentriertes Wertemanagement sein.

Das Leben verlagert sich immer mehr in digitale Sphären. Always-on wird zur Selbstverständlichkeit und zu einer kognitiven Erweiterung unserer Lebenswelt. In diesem erweiterten Interaktionsraum müssen Marken Teil unserer digitalen Erfahrung werden. Dazu ist aber ein Umdenken notwendig: Das Produkt sollte nicht nur als etwas Anfassbares begriffen werden, sondern als eine Lösung, die auch in digitaler Form existiert. Folglich hat digitale Kommunikation mit dem Konsumenten eine viel wichtigere Funktion als den Abverkauf: Als digitale Erweiterung des Produktes muss sie einen relevanten Zusatznutzen bieten. Der Servicegedanke sollte in diesem Zusammenhang nicht als Marketing, sondern als integrativer Bestandteil des Produktes gesehen werden. Konkret könnte es also für die Food-Hersteller darum gehen, das Produkterlebnis auf die digitale Ebene auszuweiten. Diese Idee hat Albion, eine Londoner Bäckerei, umgesetzt, die ihren Kunden, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Bäckers wohnen, via Twitter mitteilt, wann ihre Produkte frisch und dampfend aus dem Ofen kommen. In diesem Beispiel wird das Markenerlebnis so gemanagt, dass es nützlich und relevant ist und damit eine Präferenz erzeugt. Die Chance für Food-Marken besteht darin, mit wertsteigenden Zusatznutzen digitale Geschäftsmodelle und damit neue Einnahmequellen zu erschließen.

 

Was implizieren diese Entwicklungen für Food-Marken?

Aus diesen Entwicklungen lassen sich fünf Prinzipien ableiten, die für Food-Marken in Zukunft von größerer Bedeutung sein werden:

Aufrichtigkeit: Imagehülsen werden von Konsumenten zunehmend abgelehnt; Aufrichtigkeit baut dagegen Vertrauen auf. Für Herstellermarken liegt hier die Chance, sich mit ehrlichen Markengeschichten einen echten Vorteil gegenüber Handelsmarken zu verschaffen. Auch Transparenz zeugt von Aufrichtigkeit und kann vertrauensstiftend sein. Zum Beispiel weist die schwedische Fast-Food-Kette Max Burger seit einiger Zeit den C02-Abdruck jedes Burgers aus. Infolgedessen stieg nicht nur der Umsatz mit fleischlosen Burger-Varianten, auch honorieren die Kunden die Ehrlichkeit mit häufigeren Besuchen.

Substanz: Mit kulturell verankerten Dingen wie Heimat, Regionalität und Authentizität können Marken den Menschen wichtige Identifikationsflächen bieten. Deshalb sollten Marken zu ihren Wurzeln zurückzufinden und sich auf ihre Entstehungsgeschichte, Herkunft, Produktionsverfahren und handwerkliches Können besinnen. Tegut, der mittelständische Hersteller aus Hessen, beispielsweise hat durch Zusammenarbeitet mit regionalen Lieferanten und Förderung von Regionalkooperationen eine besonders emotional Bindung zum Konsumenten aufgebaut.

Sinnstiftung: Unternehmen müssen Klarheit über eigene Identität und Bestimmung haben. Dabei geht es vornehmlich um die Frage, welchen Unterschied sie im Leben ihrer Kunden und Angestellten machen wollen. Dieser ’sense of purpose‘ wird zunehmend zum wichtigen Differenzierungskriterium. Auch als Employer Brands sind sinnstiftende Unternehmen begehrt. Ein Beispiel für ein sinnstiftendes Untemehmen bietet The People’s Supermarket. Sein Gründer Arthur Potts Dawson verfolgt das Ziel, gutes Essen für alle zugänglich zu machen. Das Konzept des Supermarktes besteht also darin, für kleinere Aushilfstätigkeiten im Laden vergünstigte Lebensmittel zu erhalten.

Fokus: Innovationsdruck und die Hoffnung auf Wachstum durch Ausdifferenzierung können zur Überdehnung und damit zur Profillosigkeit von Marken führen. Da eine Marke aber nicht alles für jeden sein kann, müssen sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, ohne jedoch im Stillstand zu verharren. Es geht um den Spagat zwischen einem klaren Fokus (wofür steht die Marke?) und Innovationsfähigkeit (in welchen neuen Märken kann die Marke damit Wachstum erzielen?). Klare differenzierte und gleichzeitig auf die Zukunft fokussierte Marken können sich besser in hart umkämpften Märkten behaupten und damit langfristig ihre Profitabilität sichern. Ein Beispiel für eine Marke, die sich selbst treu und gleichzeitig innovativ ist, ist Samova, die für moderne Teekultur steht. Neben ausgewählten Teekreationen bietet Samova eine Reihe von Events und Workshops rund um Tee an, wie zum Beispiel Rent-a-Tea-Jay, Tee- & Cocktail-Workshop und Eistee-Kreativlabor für Kids.

Leistung: Die Essenz guter Markenführung liegt darin, direkt und indirekt ein herausragendes Markenerlebnis zu kreieren. Marken müssen heute stärker zum Beispiel mit Großzügigkeit (Behebung aller Unannehmlichkeiten) und Freundlichkeit (Entlastung des Kunden) echte Probleme ihrer Kunden lösen. Dazu brauchen sie nicht nur den nötigen Weitblick, um diese Probleme zu antizipieren. Viel wichtiger noch brauchen sie eine klare Vision ihrer Zukunft.

 

Quellen:
Millward Brawn Studie, ‚Balancing desire ond price for brand success‘; 2011: Michael Sommer ‚Ernährung als Spiegel des gesellschaftlichen Struktur- und Mentalitätswandels‘, Pressekonferenz AWA 2009; Norbert Bolz im Interview über Werte in der Netzwerkökonomie, 2011 (http://werteindex.de); Antje Schünemann, ‚No-name macht sich einen Namen‘, 2010 (http://trendbuero.com); Helge Tennø, ‚A wider digital perspective‘, 2011 (http://www.180360720.no); Achim Feige, ‚Gute Marken profitieren dreifach‘, 2011 (Absatzwirtschaft ‚Marken 2011‘)

 

 

Foto: „lecka lappen“ | dirty pretty thing | photocase.de

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