Willkommen in der Vierten Dimension

Augmented Reality in der Markenführung von Printmedien

von Nina Rieke, doubleshift – Strategien für Marken & Kommunikation, Hamburg

 

Mein Physik- und Mathelehrer hat in den 80ern mit uns seine Visionen von einer vierten Dimension geteilt. Einer Ebene, die es neben unserer Realität gibt, die wir nicht sehen können, die aber da ist. Damals habe ich nur Bahnhof verstanden. Und neulich, als ich mich zum ersten Mal mit Augmented Reality (AR) in Verbindung mit Markenerlebnissen befasst habe, musste ich unweigerlich daran denken. Dass hier in der Tat seine wirre Vision von einer – für viele nicht sicht- oder erlebbaren – vierten Dimension Wirklichkeit wird.

 

Immer neue Medien sorgen für immer neue Markenerlebnisse

Auch im Zeitschriftenmarkt haben Marken es verstanden, sich neue Medienkanäle und Formate zu suchen, neue Markenerlebnisse zu schaffen. Mit Höreditionen, Büchern, und seit neuestem mit digitalem Content fürs iPad. Während also nicht nur ich noch damit befasst bin zu überlegen, wie denn nun Tablets künftig unseren Medienkonsum und damit auch das Angebot von Verlagen massiv verändern, gilt es, sich auch mit allen anderen neuen Technologien und Auswirkungen auf den Medienbereich zu befassen. Denn mit immer neuen technologischen Möglichkeiten und neuen medialen Touchpoints stehen Printmarken vor der Herausforderung, nicht nur Inhalte elektronisch erlebbar zu machen, sondern Content anders zu betrachten und neue Möglichkeiten der Differenzierung und Markenerlebbarkeit zu suchen. Kein Wunder, dass zum Beispiel eine Marke wie Audi beim E-Publishing für das iPad Vorreiter ist – denn das Markenversprechen ‚Vorsprung durch Technik‘ findet hier seine logische Konsequenz auch in der Wahl der medialen Plattform. Hier vom dabei zu sein, ist qua Markenversprechen keine Option, sondern ein Muss.

 

Unsere Medienkultur gibt den Takt an

Immer mehr Menschen sind immer häufiger dauerhaft ‚on‘ – und seit jeher bieten Marken optimalerweise eine:‘ ‚Brand Experience‘. Wirft man die beiden Punkte zusammen, dann ist man ganz schnell beim Thema ‚Connected Experiences‘. Ein Großteil der Bevölkerung wird künftig erwarten, kontinuierlich Zugang zu digitalen Inhalten zu haben – egal, ob zuhause oder unterwegs. Das gilt auch für das, was wir bisher als typischen Print-Content kennen.

Im Bereich der Reisemedien ist das längst angekommen – die Vielzahl der Reiseführer in App-Form zeigt, dass Mobilität und digitale Inhalte hier eine logische Verbindung finden. Denn wann, wenn nicht unterwegs, möglichst unauffällig und praktisch brauche ich diese Form der Ratgeber? Jedes Smartphone schlägt künftig den schweren, unpraktischen Reiseführer oder auch nur eine sperrige ‚Geo Saison‘. Aber ist das schon alles – mir einfach nur ein paar Tipps zu geben, die ich in ähnlicher Form auch gedruckt erleben kann?

 

Neue Techniken sorgen für eine andere Erlebnisebene

Besonders Medienmarken können von den neuen Möglichkeiten profitieren. Denn ganz schnell stellen wir fest: Eine neue mediale Dimension wird verfügbar. Nicht nur digitaler Content, der sich anders konsumieren lässt wie über das iPad. Sondern ein neuer Erlebnislevel hält Einzug in unser Leben. Wo liegt der Mehrwert für Medienmarken im Aufgreifen von neuen Technologien? Wie publizieren Marken heute bereits für Konsumenten spannende Erlebnisse? Und was steckt speziell hinter dem Schlagwort ‚Augmented Reality‘ (AR), weil es darum geht, Medienmarken erlebbar zu machen? Denn schließlich wird AR heute als das nächste Massenmedium gehandelt (s. Layar Slideshare Präsentationen und andere).

 

Augmented Realitv bereichert im besten Fall unser physisches Umfeld

Augmented Reality (AR) verspricht Konsumenten ein besonders tiefes, nachhaltiges Erlebnis – dadurch, dass eine digitale Ebene in Form von Daten und Bildern über die um uns wahrgenommene Realität gelegt und über bestimmte Geräte sichtbar gemacht wird. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen ‚Innen-AR‘ –also PC und kamerabasierte Anwendungen, vor die meist ein Stück bedrucktes Papier gehalten wird.

Und den ‚außenorientierten‘, mobilen AR-Anwendungen, wo das Smartphone einfach in die Landschaft gehalten wird.

Zu ersterem gehört z.B. die ‚Esquire Augmented Reality Issue‘ (mehr hierzu gibt es im Film auf Youtube). Generell ein Bereich, der auch in der Werbung (z.B. von Nike in 2009) bereits genutzt wird. Das ‚SZ-Magazin‘ hat etwas Ähnliches im August gemacht – mit der Smartphone App Jumaio konnte man einzelne Teile des Hefts zum Leben erwecken.

All das sind immer wieder lustige Spielereien, in denen einzelne Magazinteile zum Leben erweckt werden können, plastischer und dreidimensionaler werden, eine dahinter verborgene Ebene preisgeben. Meist kommen sie mit wenig echtem Nutzwert daher.

 

Medienanwendungen sollten so mobil und nahtlos wie unser Leben sein

Viel interessanter sind die mobilen Möglichkeiten. So können z.B. Städte ganz neu erlebt werden, alte Bauten aus längst vergangenen Zeiten wieder auferstehen. Ebenso werden aber auch Projekte, die erst in der Entstehung sind, in 3-D erlebbar. Und nicht nur Objekte, auch ganze Personengruppen können so ‚lebendig und erlebbar‘ gemacht werden. Eine Tour durch die Abbey Road kann dann z.B. die Beatles die Straße überqueren lassen. Kein Wunder, dass Condé Nast bereits diesen Sommer die ersten AR Travel Guide Apps herausgebracht hat.

Je schneller und nahtloser AR in den Medienkontext der Nutzer eingebunden ist, desto stärker wird sie eine echte Rolle dabei spielen, Erlebnisse zu schaffen. Mit Layar Stream können die User z.B. Content entdecken, da, wo sie gerade sind – und müssen gar nicht erst mühselig über bestimmte Apps danach suchen.

Das Digitale wird mit Augmented Reality Teil der physischen Welt. Immer stärker vermischen sich damit digitale und reale Anteile unserer Welt, und Content aus bei den Ebenen wächst zusammen und ergänzt sich. Je geringer der Aufwand ist, diese Angebote zu entdecken und zu nutzen, desto größer wird ihre Rolle für Marken werden. Bereits in wenigen Jahren werden vermutlich alle Smartphones AR-fähig sein (Cartner prognostiziert das für 2013). Und das ist nur der erste Schritt – die Zukunft wird sich stärker vom Endgerät lösen und näher an unsere Augen orientieren – mit entsprechenden Brillen oder Kontaktlinsen (s. ‚National Geographie Online‘, Nov. 2010).

 

AR muss Bedürfnisse reflektieren – über die Erweiterung bestehender Formate oder neue Produkte

Die Tiefe des jeweiligen Erlebnisses hängt stark davon ab, in wieweit der Nutzer eingebunden wird – handelt es sich um ein reines Sichtbarmachen, um die Option der Interaktion – z.B. über einen AR-Shop oder geht es soweit, dass echtes Engagement, eine ‚Immersive Experience‘ zum Beispiel m Form von einem AR-Spiel gemacht wird?

Da lässt sich natürlich kulturkritisch fragen, inwieweit wir durch so viel reichhaltige Inhalte noch zu Interaktionen mit den Menschen um uns fähig sind. Das fragt sich auch Scott Rigby, der Gründer von ‚lmmersyve‘ – einer Forschergruppe, die sich mit den Effekten u.a. von Videospielen befasst: „What will the consequences be of immersing yourself in a world that is isolated from the person standing next to you?“

Dabei wird ein Punkt ganz wesentlich sein – inwieweit Menschen sich für diese zusätzliche Dimension in ihrer ohnehin komplexen Realität interessieren. Denn nur, wenn die Erfahrung hier in der Tat nützlich und erlebnisreich ist, wird es tatsächlich eine wesentliche neue Dimension addieren.

Hier lässt sich ganz einfach die direkte Übersetzung von AR heranziehen: erweiterte, angereicherte Realität – also etwas, das wirklich MEHR als bisher bietet. Das kann eine Erweiterung bestehender Medienformate sein – aber auch die Entwicklung von ganz neuen Marken, die die Vielzahl technischer Möglichkeiten integrieren und ein neues Medienerlebnis schaffen – und dabei nicht nur auf neue Medienplattformen fixiert sind.

 

Links:
Nike AR: http://inside.nike.com/blogs/nke6-en_US/2009/07/10/augment-your-reality
National Geography: http://ngm.nationalgeography.com/big-ideal/14/augmented-reality
AR Esquire: http://www.youtube.com/watch?v=LGwHQwgBzSI&p=8EE9ABFCE18289F9&playnext=2http://www.youtube.com/watch?v=wp2z36kKn0s&p=8EE9ABFCE18289F9&feature=BF&index=1
Das SZ Magazin in AR-Form: https://www.youtube.com/watch?v=YKN7G9X9pIU

 

 

Foto: „dimensionsloch“ | sïanaïs | photocase.de

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