Ping-Pong-Effekt statt Hide and Seek

Wie werden kreative Ideen konzeptionell erarbeitet? Darüber geben Kunde und Planner in unserer Serie ‚Markenwerkstatt‘ Auskunft. Dieses Mal: Die Zusammenarbeit der österreichischen Baumarktkette Baumax und der Wiener Agentur Zum goldenen Hirschen.

Von Stefan Pagitz, Geschäftsführer von Zum Goldenen Hirschen Wien und Harald Schmidl, Marketingleitung International der Baumax AG, Klosterneuburg

 

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Nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel, so die Botschaft der Baumax-Kampagne (hier und oben Ausschnitte aus den TV-Spots).

Die Ausgangslage

Welches Kernproblem galt es zu lösen?

Baumax war nicht klar positioniert. Im Rahmen eines breit angelegten Workshop-Prozesses wurde die Positionierung, die durch den in die Jahre geratene Claim »Großer Wert und kleiner Preis« Ausdruck fand, als zu breit und daher als nicht markenrelevant und nicht mehr positionierungstauglich bemessen.

Die Herangehensweise

Wie hat man sich dem Problem angenähert?

Im Rahmen des Hirschen-Tools ‚5M‘ wurden die vier M’s »Menschen, Mitbewerber, Mitarbeiter und Marke « unter die Lupe genommen. Aus dem Zusammenspiel dieser vier markenrelevanten Kriterien wurde das fünfte M – die Message – extrahiert.

Was wurde getan, um zu relevanten Insights zu kommen?

Basis für die Generierung der Insights waren unterschiedliche Studien, die den gesamten Ablauf eines Bau- oder Renovierungsvorhabens anhand von unterschiedlichen Zielgruppen aufzeigen, ferner Trend-Studien, die die Zukunft der Baumärkte darstellen, sowie psychographische Zielgruppen, deren Bedürfnisse erhoben wurden. 

Die Strategie

Was war der strategische Lösungsansatz auf Basis des wichtigsten Insights?

Das wichtigste Insight: Für 75 Prozent der Menschen, die einen Baumarkt besuchen, ist nicht der Weg das Ziel, sondern das Ziel das Ziel. Soll heißen: Die Masse der Menschen will etwas fertighaben – und nicht bauen, renovieren und handwerken.

Auf welcher unerwarteten Wende des Insights setzt die Kommunikation auf?

Baumax positioniert sich als der Baumarkt, der in allen Fragen und Bedürfnissen rund ums Bauen und Renovieren hilft, um schneller fertig zu werden. Im Zentrum aller Aussagen stehen der normale Heimwerker und seine Freude, wenn sie ihr Projekt erfolgreich abgeschlossen haben. Baumax rückt also das Fertigwerden in den Fokus – und nicht das schweißtreibende Arbeiten. Man sieht Menschen, die fertig werden und den Moment des Fertigwerdens zelebrieren. Dieser Moment wird durch gespielte Super-Super-Zeitlupe so lange wie möglich ausgekostet. 

 

Die Zusammenarbeit von Kunde und Agentur

Wie haben Kunde und Agentur die Zusammenarbeit gestaltet?

In Form von drei Workshop-Prozessen, wobei der erste Workshop als Input-Präsentation der Agentur gestaltet war, der zweite Workshop die gewonnen Erkenntnisse verdichtete sowie die abgeleiteten strategischen Richtungen definierte und der dritte Workshop der Präsentation und Verabschiedung einer Leitidee diente. Bedenken, den Lösungsansatz umzusetzen, gab es beim Kunden übrigens keine. 

Die Learnings

Was war gut am Prozess, was hat die Agentur Zum goldenen Hirschen bei diesem Projekt gelernt, Herr Pagitz?

Man kann einen strategischen Prozess nur gemeinsam mit einem Kunden gestalten. Eine offene Atmosphäre, die durch den Kunden gegeben war und ein reger Austausch, basierend auf den Erkenntnissen der Input Präsentation, sind unabdingbar für den Erfolg einer neu geschaffenen Markenpositionierung.

Was war gut am Prozess, was hat der Kunde Baumax bei diesem Projekt gelernt, Herr Schmidl?

Gemeinsam mit der Werbeagentur Zum goldenen Hirschen haben wir eine Neupositionierung von Baumax vorgenommen. Neu für mich als Kunde war die völlig neue Herangehensweise: Nicht der klassische Pitch, sondern mehrstufige Workshops brachten uns zum Ziel. Ein offener, strategischer Schlagabtausch von allen Seiten hat das Thema beleuchtet und durchgeknetet. Und das Schöne daran: Hinter dem Resultat stehen alle Involvierten zu 100 Prozent, weil es eben über Wochen gemeinsam erarbeitet wurde. 

 

Lessons learned

Stefan Pagitz, Geschäftsführer Zum goldenen Hirschen, Wien:

  • Es ist wichtig, dass Entscheider am Workshop teilnehmen.
  • In einem Workshop kann man tief in die Materie eintauchen.
  • Der Ping-Pong-Effekt zwischen Kunde und Agentur eröffnet neue Markenpotentiale.

Harald Schmidl, Marketingleitung International, Baumax AG, Klosterneuburg:

  • Neue Wege beschreiten. Top-Alternative zum klassischen Agenturpitch.
  • Das Kernteam auf Kundenseite muss klein und abteilungsübergreifend zusammengestellt sein und vor allem Entscheidungskompetenz haben.
  • Keine Tabus, kein Hide and Seek zwischen Kunde und Agentur. Alles darf und muss.

 

Veröffentlicht im MARKENARTIKEL, Mai 2015

In der Serie „Markenwerkstatt“ stellt der MARKENARTIKEL in Kooperation mit der APG Deutschland, dem Verband der Marken- und Kommunikationsstrategen, mehrmals im Jahr kommunikative Ausnahmeideen vor und wirft, gemeinsam mit Kunde und Planner, einen Blick hinter die Kulissen. Das Ziel: Von den Machern erfahren, wie sie die Idee konzeptionell erarbeitet haben, damit Markenartikler und Markenmacher voneinander lernen.

 

 

Fotos und Videos: Baumax AG

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